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Einleitung.

„Viele ausgezeichnete Leute", sagte einmal der tüchtige Naturforscher Lord Rayleigh in öffentlicher Rede, wollen von Naturwissenschaft nichts wissen, weil sie zum Materialismus führe. Daß eine solche Furcht existieren kann, ist nicht überraschend, denn leider gibt es Schriftsteller, die als Wortführer der Wissenschaft auftreten und sich ein Geschäft daraus machen, solche Ansichten zu verbreiten. Nun ist es ja wahr, daß man bei den Vertretern der Wissenschaft, wie in andern Ständen auch, rohe Ansichten betreffs der tieferen Fragen und Gründe der Natur antreffen kann. Aber daß die Überzeugungen, welche ein Newton, Faraday, Marwell ihr Leben lang festgehalten, sich mit einer wissenschaftlichen Geistesrichtung nicht vertrügen, ist sicherlich eine Behauptung, mit deren Widerlegung ich mich nicht aufzuhalten brauche."

Wir könnten diese Worte des ausgezeichneten Gelehrten 2 als Motto über unsere Arbeit sehen, denn sie geben dem Grundgedanken, den wir ausführen möchten, klaren Ausdruck. Auch bei uns in Deutschland gibt es ja Leute genug, die sich als Vertreter und Wortführer der Wissenschaft gebärden und in deren Namen und auf die Autorität der Naturforscher hin erklären, mit Religion und Christentum sei es vorbei, die Naturwissenschaften hätten deren Grundlage, die Überzeugung vom Dasein Gottes und einer geistigen Menschenseele, untergraben, wir müßten entweder auf Religion ganz verzichten oder uns nach einer neuen Form derselben umsehen, die der modernen Naturerkenntnis besser gerecht werde. So ziemlich überall begegnet man diesen Behauptungen. Zeitungen und Broschüren sprechen sie

1 Report of the 54. Meeting of the British Association for the Advancement of Science, held at Montreal in August and Sept. 1884, London 1885 (Presidential Adress), 22.

2 John William Strutt, seit 1873 Lord Rayleigh, geboren 1842, wurde 1879 Nachfolger von Maxwell als Professor der Experimentalphysik zu Cambridge. Er schrieb: Die Theorie des Schalles. Deutsch von Fr. Neesen, Braunschweig 1879. Kneller, Das Christentum.

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offen aus, populär-wissenschaftliche Werke sezen sie als selbstverständlich voraus oder deuten gelegentlich an, daß ein wissenschaftlich hochstehender Mann natürlich mit Religion sich nicht befasse, und man braucht nicht eben ein tiefer Menschenkenner zu sein, um zu begreifen, daß derartige Aufstellungen einen der wirkungsvollsten Beweisgründe der materialistischatheistischen Weltanschauung bilden. Nicht nur in Kleidungsangelegenheiten und äußeren Dingen herrscht die Mode und gibt es tonangebende Kreise. Wort und Beispiel von solchen, die durch Reichtum, Adel, Gelehrsamkeit sich auszeichnen, üben den weitgreifendsten Einfluß auch dort, wo sie einen solchen am wenigsten üben dürften. Wie sollte also die große Masse nicht stuzig werden, wenn man ihr zuerst alle die großen und glänzenden Erfindungen und Entdeckungen der Neuzeit vor Augen stellt und ihr dann zuruft oder zu verstehen gibt, alle die großen Geister, die solche Wunder erdachten, hätten mit dem Christentum gebrochen und im Materialismus und Atheismus das Licht und Heil der Zukunft begrüßt!

Dem inneren Werte nach hat nun freilich dieser Beweisgrund sehr wenig Kraft. Wenn wirklich die Naturforscher der Neuzeit wie ein Mann gegen Christus und die Kirche ständen, so würde daraus nichts gegen das Christentum folgen. In früheren Zeiten nahm die Naturforschung diese Stellung jedenfalls nicht ein; daß eine Ansicht aber eine Zeitlang allgemein bei den Naturforschern ist, darf als Stempel der Wahrheit nicht betrachtet werden. Die Vertreter der Physik, Chemie, Geologie sind Autoritäten in Bezug auf Tatsachen und tatsächliche Verhältnisse ihres Gebietes. Materialismus, Atheismus, Positivismus aber sind nicht Tatsachen, sondern philosophische Systeme, es sind Folgerungen aus Tatsachen, und zwar Folgerungen für das metaphysische, nicht das naturwissenschaftliche Gebiet. In Bezug auf derartige Schlüsse aber ist der Naturforscher als solcher nicht der zuständige Richter. Auch andere Leute dürfen dabei noch ein Wort mitsprechen, so gut oder noch mit mehr Recht als der Naturkundige. „34 meine nicht“, sagt der zu Anfang genannte Gelehrte, „daß der Naturforscher mehr als andere gebildete Männer einen Anspruch darauf hat, die Rolle eines Propheten anzunehmen. In seinem Herzen weiß er, daß im Untergrund der Theorien, welche er aufbaut, Widersprüche liegen, die er nicht lösen kann. Die tieferen Geheimnisse des Daseins, wenn sie überhaupt für den menschlichen Verstand zu durchdringen sind, erfordern andere Waffen als die der Rechnung und des Versuches."

Ferner ist es eine geschichtliche Tatsache, daß sehr oft eine gewisse Richtung als die allein berechtigte und allein wissenschaftliche sich aufspielt,

die dann später troßdem der Verachtung anheimfällt. Es ist ebenso eine geschichtliche Tatsache, daß sehr oft nicht dort die höhere Weltanschauung sich findet, wo die Kultur ihren blendendsten Glanz entfaltet. Christus dem Herrn stand die Wissenschaft des Judentums in geschlossener Schar mit dem ausgesprochensten Selbstbewußtsein gegenüber. Das hinderte nicht, daß heute die Talmudweisheit der Schriftgelehrten zum Gespött geworden ist; Christus hatte recht, die zeitgenössische Wissenschaft unrecht. Später war dem Neuplatoniker das ganze Christentum, dem er doch so vieles ab= geborgt hatte, Ausgeburt eines Barbarengehirns 1; der Gnostiker und Manichäer fühlte sich hoch erhaben über den gewöhnlichen Theologen, wenn er statt der Lehre Chrifti orientalische und griechische Philosopheme, mit christlichem Firnis übergoffen, der Welt als höhere Weisheit verkündete. Heute kann man von all diesen Erfindungen sagen, was seiner Zeit der hl. Hiero= nymus von den griechischen Philosophen spottend sagte: „Höchstens ein paar alte Herren, die sonst nichts zu tun haben, geben sich im Dunkel ihrer Studierstube damit noch ab. Von unsern ungebildeten Fischern aber redet der Erdkreis und hallt die ganze Welt wider."2 Was materielle Kultur an= geht, so konnten sich deren die Araber des frühen Mittelalters ebenso gegen die christlichen Völker rühmen, als später in Bezug auf Gewerbefleiß Wiedertäufer und Mormonen gegen die übrigen Christen. Noch klarer tritt dasselbe Verhältnis zu Tage, wenn man in möglichst weit entlegene Zeiten zurückblickt. So oft im Alten Bunde Altisrael mit der glanzvollen Kultur Ägyptens, Assyriens, Griechenlands in Berührung tritt, so oft sind viele aus dem Volte wie berauscht und geblendet von dem sinneberückenden äußeren Glanz, der ihnen entgegenstrahlt. Sie fühlen sich demgegenüber rückständig, sie schämen sich der Religion ihrer Väter, sie werfen sich glänzenden Gößendiensten in die Arme, sie suchen, wie in der Makkabäerzeit, die lehte Spur der Zugehörigkeit zum alten Glauben zu tilgen. Wer aber zweifelt heute noch, daß die vielen, die so handelten, damit ihr kostbarstes Kleinod und Erbteil für bloßen Flitter in kaum begreiflicher Verblendung wegwarfen, daß als Weltanschauung Israels Gottesglaube himmelhoch über dem orientalischen und griechischen Naturdienst erhaben war?

Kurz, duzendemal tritt in der Geschichte die überlegene äußere Kultur mit dem Anspruch auf, auch die überlegene Weltanschauung zu besigen.

1 Ein Bápßapov tóλμqua. Porphyrius bei Euseb., Hist. eccl. 6, 19. 2 Vix in angulo otiosi eos senes recolunt. Rusticanos vero et piscatores nostros totus orbis loquitur, universus mundus sonat (S. Hieron., In Gal. 1. 3 init.).

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Jedesmal findet sie mit diesem Anspruch zahlreiche Gläubige, und meist wird sie im Fortgang der Weltgeschichte in augenscheinlicher Weise Lügen gestraft; sehr oft zeigt es sich, daß in den höchsten Beziehungen des Menschen die Katakomben vor den Palästen Roms, die Einöden der Thebais vor den Philosophenschulen Alexandriens und Athens den Vorsprung haben. Wenn also wirklich heute wieder ein Gegensatz zwischen den Vertretern der Wissenschaft, diesmal der Naturwissenschaft, und dem Christentum besteht, warum muß dann heute das Recht bei der Wissenschaft sein? Man sage nicht, die Dinge lägen anders als bei allen früheren derartigen Zwisten, denn früher seien es bald verwehende philosophische Spekulationen gewesen, die sich gegen das Christentum erhoben hätten, die heutige Naturwissenschaft dagegen bringe Tatsachen bei, die sicher nie wieder umgestoßen werden könnten. Nicht die Tatsachen stehen im Gegensatz zum Christentum, sondern nur die Weltanschauung, die man auf dieselben zu gründen sucht, und diese ist schwankend und wechselnd wie nur irgend eine Philosophie der Vergangenheit.

Doch solchen Betrachtungen wollen wir nicht weiter nachhängen. Den oben erwähnten Behauptungen des Materialismus gegenüber wollen wir vielmehr den Gedanken näher ausführen, den Lord Rayleigh andeutete, als er die Namen Newton, Faraday, Marwell aussprach. Nicht die Fol gerungen, die man aus dem behaupteten Gegensatz der Naturforscher zur Religion herzuleiten sucht, sollen abgewiesen, sondern die Tatsache dieses Gegensazes selbst geprüft werden. Von denjenigen, welche sich als Vertreter der Wissenschaft aufspielen, möchten wir uns zu den Männern wenden, welche im vollsten Sinne als Vertreter der Naturforschung anerkannt werden müssen, zu denjenigen, deren Arbeiten man den Fortschritt der Naturerkenntnis verdankt, und unter diesen wiederum namentlich zu den eigentlichen Bahnbrechern, den Forschern ersten Ranges. Sie vor allem möchten wir über den Gegensaß zwischen Naturforschung und Gottesglauben befragen. Wenn hier ein Widerspruch besteht, so muß er ja von den Intelligenzen ersten Ranges am klarsten eingesehen werden. Und wenn also auch unter den großen Forschern, ja unter den eigentlichen Bahnbrechern auf naturwissenschaftlichem Gebiete sich gläubige und fromme Christen finden, wie in andern Ständen auch, wenn andere unter ihnen wenigstens die Wahrheiten anerkennen, welche dem Beweis des Christentums als Grundlage dienen, so wird es wohl mit dem angeblichen Widerspruch zwischen Wissen und Glauben nicht viel auf sich haben.

Unser Standpunkt und unsere Absicht ist hoffentlich in diesen wenigen Worten klar genug bezeichnet. Wir wollen nicht einen Beweis für das

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