Es mögen diese Beispiele genügen, um zu zeigen, daß die Harmonie zwischen dem Klange der Worte und den damit bezeichneten Vorstellungen und Empfindungen eines der wirksamsten Mittel der Poesie ist, welches der Dichter bewußt oder unbewußt in überraschender Weise anwendet. Thema. Das Grab eines Kindes. Vor einigen Wochen war ich auf mehrere Tage zum Besuch bei einer Freundin auf dem Lande. Wir verbrachten den größten Teil des Tages im Garten. Erst gegen Abend, wenn die Hiße nachließ, machten wir einen Spaziergang in das Feld, erfreuten uns an den wogenden Ähren, über welche der Abendwind lief, pflückten blaue Cyanen, wanden Kränze daraus und schmückten damit unser Haupt. Den Abend vor meiner Abreise besuchte ich mit meiner Freundin auch den Friedhof der Dorfbewohner. Er lag, wie die meisten Friedhöfe auf dem Lande, mitten im Dorfe. An der einen Seite desselben erhob sich das Gotteshaus mit seinem alten, ehrwürdigen Turme und schauete ernst auf die Ruhestätte der Toten. An den Gräbern vorbei wird hier der Säugling auf seines Lebens erstem Gange zur Taufe getragen; über den Kirchhof führt der Weg zum Traualtare; auf dem Friedhofe sammelt sich des Sonntags vor der Kirche die Gemeinde, und während des Gottesdienstes sieht man nicht selten auf einem Grabhügel kleine Kinder sißen und dem Gefange und den Tönen der Orgel lauschen. So wird der Dorfbe= wohner viel öfter an den Ernst des Lebens erinnert, als der Städter, der erst zum Thore hinaus wandern muß, wenn er den Gottesacker besuchen will, und nicht schon durch den Gang nach der Kirche dazu genötigt wird. Aber nicht nur in der Lage, auch in anderer Beziehung bot dieser Kirchhof manche Unterschiede von dem unserer Stadt. Nirgends sah ich ein Kreuz von Marmor oder Eisen, nirgends ein Monument von Stein, nur Kreuze aus Holz erhoben sich hier und da in schwarzer Farbe und mit weißen Inschriften. Die Grabhügel waren mit Gras bewachsen. Nur einer machte eine Ausnahme; es war das Grab eines Kindes. Der frische Hügel zeigte, daß es noch nicht lange den Eltern entrissen war. Wir traten näher, und meine Freundin sagte mir, daß hier die einzige Tochter des Gutsherrn schlummere, die in einem Alter von zwölf Jahren dem Nervenfieber erlegen sei. Eine Traueresche, unter welcher eine grüne Bank von Eisen stand, breitete ihre Zweige schüßend über das Grab, auf welchem die schönsten Rosen prangten, die Lieblingsblumen des Kindes, wie ich vernahm. Auf dem Grabe lag ein Gedenkstein aus weißem Marmor mit goldener Inschrift, die den Geburts- und Todestag verkündete. Wir hatten uns kaum entfernt, als die Mutter der Verstorbenen im Trauergewande den Friedhof betrat und nach dem Grabe ihres Kindes eilte. Jeden Abend, sobald die Sonne mit ihren legten Strahlen dem Friedhofe den Scheidegruß bringt, findet sie sich hier ein, pflegt mit eigener Hand die Rosenstöcke und legt einen frischen Kranz anf den teuren Hügel. Sicherlich wird ihr Schmerz linder bei diesen Erweisungen der Liebe; gewiß fühlt sie sich an dieser heiligen Stätte ihrem Kinde näher. Als wir den Kirchhof verließen, rauschte der Abendwind durch die Zweige einiger alten Linden, und uns war, als vernähmen wir aus dem Flüstern der Blätter einen Gruß von oben. 5. Das Eleusische Fest. 1. Windet zum Kranze die goldenen Und in friedliche, feste Hütten 2. Scheu in des Gebirges Klüften 3. Und auf ihrem Pfad begrüßte, Frrend nach des Kindes Spur, Ceres die verlass'ne Küste; Ach, da grünte keine Flur! Daß sie hier vertraulich weile, Ist kein Obdach ihr gewährt; Reines Tempels heit❜re Säule Zeuget, daß man Götter ehrt. 4. Keine Frucht der süßen Ähren Lädt zum reinen Mahl sie ein; Nur auf gräßlichen Altären Dorret menschliches Gebein. Ja, so weit sie wandernd kreis'te, Fand fie Elend überall, und in ihrem großen Geiste Jammert sie des Menschen Fall. 5.,,Find'ich so den Menschen wieder, Dem wir unser Bild geliehn, Deffen schöngestalte Glieder Droben im Olympus blühn? Gaben wir ihm zum Besize 6. Fühlt kein Gott mit ihm Er- 7. Daß der Mensch zum Menschen werde Stift' er einen em'gen Bund Gläubig mit der frommen Erde, Seinem mütterlichen Grund, Ehre das Gefeß der Zeiten Und der Monde heil'gen Gang, Welche still gemessen schreiten Im melodischen Gesang." 8. Und den Nebel teilt sie leise, Der den Blicken sie verhüllt. Plöglich in der Wilden Kreise Steht sie da, ein Götterbild. Schwelgend bei dem Siegesmahle Findet sie die rohe Schar, Und die blutgefüllte Schale Bringt man ihr zum Opfer dar. 9. Aber schaudernd, mit Entseßen Wendet sie sich weg und spricht: ,,Blut'ge Tigermahle neßen Eines Gottes Lippen nicht. Reine Opfer will er haben, Früchte, die der Herbst beschert; Mit des Feldes frommen Gaben Wird der Heilige verehrt." Kornblume (centaurea cyanus). **) Höhlenbewohner. 10. Und sie nimmt die Wucht des Speeres Aus des Jägers rauher hand; Mit dem Schaft des Mordgewehres Furchtet sie den leichten Sand, Nimmt von ihres Kranzes Spike Einen Kern, mit Kraft gefüllt, Senkt ihn in die zarte Rize, Und der Trieb des Keimes schwillt. 11. Und mit grünen Halmen Sich der Boden alsobald, 12.,,Vater Zeus, der über alle 13. Und es hört der Schwester Flehen Zeus auf seinem hohen Sit; Donnernd aus den blauen Höhen Wirft er den gezackten Bliz. Praffelnd fängt es an zu lohen, Hebt sich wirbelnd vom Altar, Und darüber schwebt in hohen Kreisen sein geschwinder Mar. rt 14. Und gerührt zu der Herrscherin Füßen Stürzt sich der Menge freudig Gewühl, Und die rohen Seelen zerfließen In der Menschlichkeit erstem Gefühl, Werfen von sich die blutige Wehre, Öffnen den düstergebundenen Sinn Und empfangen die göttliche Lehre Aus dem Munde der Königin. 15. Und von ihren Thronen steigen Alle Himmlischen herab, Themis selber führt den Reigen, Und mit dem gerechten Stab Mißt sie jedem seine Rechte, Sehet selbst der Grenze Stein, Und des Styr verborg'ne Mächte Ladet sie zu Zeugen ein. Gude, Erläuterungen. III. 7. Aufl. 11 22. Aber aus den gold'nen Saiten 23. Und der Thore weite Flügel 24. Und mit einem Kranz von Naht die Götterfönigin, 25. Und die neuen Bürger ziehen, 26.,,Freiheit liebt das Tier der 27. Windet zum Kranze die golde- Dieses Gedicht, welches demselben Sagenkreis entsprossen ist, wie die Klage der Ceres, führt uns in poetischer Weise den großen Schritt, den die Menschheit aus dem Zustande der Roheit und Barbarei zur Kultur und Humanität gethan hat, vor. Seinem Grundgedanken nach harmoniert es mit einer, nicht bloß bei den Griechen, sondern überhaupt im Altertume weit verbreiteten Ansicht, daß dem Zustande der Kultur Roheit, ja tierische Wildheit vorangegangen sei, welche erst verlassen wurde, nachdem der Mensch vom Jäger- und Nomadenleben zum Ackerbau fortgeschritten war. So mannigfaltig die Sagen darüber auch sind, so stimmen doch alle darin überein, daß. eigens Götter vom Himmel herniedergestiegen seien, um den Menschen den Ackerbau zu lehren. Dadurch hat dieser in den Mythen fast aller Völker eine heilige Weihe bekommen und mit Recht; denn im Ackerbau liegen die Keime zu einer großen Zahl von Kulturmomenten, indem er die Menschen von dem rohen, umherschweifenden Leben erlösete, sie zu einer segensreichen Gemeinsamkeit verband, den Grund zu der Gliederung und Ausbildung verschiedener Beschäftigungen legte und dadurch die in dem Menschen liegenden Kräfte entfaltete. Steht nun auch fest, daß die Kultur nicht als ein von Anfang an fertig dagewesener Zustand zu fassen ist, so bleibt doch die Art und Weise, wie sie geworden, immer noch ein Problem, da die An |