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Neunzehnter Jahrgang.

No 18.

Samstag, 2. Mai 1896.

Schweizerisches Proteftantenblatt.

Herausgeber:

Pfr. A. Altherr in Basel, Pfr. H. Andres in Bern, Pfr. W. Bion in Zürich, Pfr. O. Brändli in Basel, Pfr. A. Steiger in Basel.

Wir sollen nur nicht in Sinn nehmen, daß der heilige Geist gebunden sei an Jerusalem, Rom, Wittenberg oder Basel, an deine oder eine andere Person. In Christo allein ist die Fülle der Gnade und Wahrheit.

Decolampad an Suther.

Erscheint auf jeden Samstag. Man abonniert auf jedem Postamt der Schweiz und des Auslandes. Preis halbjährlich franko zugesandt 2 Fr. für die Schweiz, nebst Postzuschlag für das Ausland. Arme können das Blatt auf der Erpedition, Steinenvorstadt 15, abholen.

Inhalt: Mailied. - An die Sonne. G. Schönholzer: Der 19. deutsche Protestantentag zu Berlin. I. — O. B.: Gedankenspäne aus der Kinderstube. Der 7. evangelisch-sociale Kongreß. Sprüche. Kirchliche Personalnachrichten.

Mailied.

Der Lenz mit frischem Odem bringt
Ein neues Glück herauf,

Am winterlichen Kloster springt
Die Pforte rauschend auf;

Wo manche Knospe still und fromm
In bangen Träumen schlief,
Erschien des Frühlings Festwillkomm,
Der rasch in's Freie rief.

Bitte.

Briefkasten.

Anzeigen.

Was stumm in Schweigen sich verhüllt,
Was zagend sich verbarg,

Das tritt heraus, von Luft erfüllt,
Und regt sich sonder Arg;

Da glänzt die Welt in Farbenpracht,
Ju mannichfacher Zier,

Und alles spielt und alles lacht

Und spielt und lacht mit dir.

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Der heilige Franziskus hat bekanntlich einen schönen, unvergeßlichen Gesang an die Sonne gedichtet. Er lebte im sonnigen Italien und ließ die Strahlen des Himmels das ersehen, was ihm an irdischem Behagen sonst fehlte. Durch die Sonne wurde er zum Dichter. Immer, wenn ich die Sonne leuchtend und hell über die Dörfer und Mauern gleiten sehe, wenn sie den Fluß zu lauter kleinen glißernden Freudenfeuern begeistert, wenn sie mir auf

dem Fußboden des Zimmers goldene Felder malt, dann möchte ich ein Aegypter sein, der am Rande der Pyramide sißt und einen halben Tag lang in die Glut hinein brütet, die sich aus der Liebe von Sonne und Wüste entwickelt, oder ich möchte wie eine Eidechse irgendwo im deutschen Walde auf einem fahlen grauen Stein liegen und mich von der Sonne bräunen lassen, die zwischen dem Buchenlaub hin den alten Stein so geduldig erwärmt.

Die Sonne muß man ruhig genießen, wenn man sie verstehen will. Ich bin schon an armen Landstreichern vorbeigegangen, die struppig und lumpig auf der Wiese lagen und sich von der Sonne anscheinen ließen. Diese armen Kerle haben unsagbar viel Elend zu dulden. Wo mögen sie die lezte Nacht verbracht haben und wie mögen ihre Füße aussehen? Eins aber haben sie, was hunderte von uns glücklichen Menschen nicht haben, sie haben Zeit für die Sonne. Warum sehen viele arme Stadtkinder so bleich aus? Es sind Blumen ohne Sonne, eine Hyazinthe, die man im Keller wachsen ließ. Wer eine Dachwohnung hat, 5 Treppen hoch, der hat viel zu steigen, aber droben ist dann das Stübchen wie von Licht umgossen, die Sonne leckt an den Fingern der Nähterin wie Bienen an den Nelken, sie legt sich auf den Tisch, sie blickt unter's Bett, sie lacht in den Spiegel und wirft einen Schimmer des Spiegels an die graue Decke, sie läßt die kleinen Stäubchen tanzen wie Mücken, sie küßt die Wangen der Mutter noch einmal rot und füßt die roten Vorhänge langsam bleich, sie liebt das Leben droben im Winkel, und wenn die Leute in der Dachstube Zeit und Sinn für's Singen hätten, dann würden sie singen von der goldenen Sonne voll Freud und Wonne, wie es Paul Gerhard gethan; sie bringt unsern Grenzen mit ihrem Glänzen ein Herzerquickendes liebliches Licht."

Wenn gleich früh die Sonne scheint, da fängt der Tag ganz anders an, als wenn der Himmel voll Wolken hängt. Da sieht der Kaffeetisch aus wie ein Stückchen aus einer alten Volksgeschichte, in der die Kannen zu Silber werden. Mann und Frau lächeln sich an. Beide sind fröhlicher als sonst; sie wissen nicht, woher es kommt; sie denken an die Maientage der Verlobungszeit, an alten Sonnenschein, der damals für das junge Liebespaar auf den Fluren lag, als sie zwischen hohem Gras einhergingen und sich von ihrem Hoffen und Warten erzählten. Die Sonne hat damals zugeschaut und manchmal ist es, als lächelte sie aus unendlicher Ferne herüber: ich weiß es noch!

Die liebe Sonne! Sie kann so freundlich sein, daß man ganz vergißt, wie groß, weit und heiß sie ist. Die Sternkundigen haben es uns zwar alles gesagt, schon in der Kinderschule haben wir gelernt: „Die Sonne ist eine Kugel, sie ist 20 Millionen Meilen von der Erde entfernt, sie befindet sich in gasförmig-flüssigem Zustande." Das ist alles gewiß sehr richtig und für die rechte Erkenntnis der Welt sehr wichtig, aber es reicht lange nicht aus, um unser Herz zu befriedigen, wenn das Wort „Sonne“ gesprochen wird. „Sonne“ klingt wie Mutter". Von der Sonne stammt alles irdische Leben, von ihr stammt die Erde selbst, und wir sind gar nichts ohne die Sonne. Die Sonne aber ist nur einer von den zahllosen Schöpfungsgedanken Gottes. Wie unendlich muß dieser Vater des Lichtes sein, wenn die Sonne und alles, was mit ihr lebt und glüht, nur eine kleine Provinz seines Reiches ist! Wer die Sonne lobt, der lobt auch ihn. Von ihm redet der Wirbel der Sonne, der das Weltall durcheilt. Herr, wie sind deine Werke so groß und so viel!

"

(Pfarrer Naumann in der „Hilfe" vom 15. März 1896.)

Der 19. deutsche Protestantentag zu Berlin am 8., 9. und 10. April 1896.

I.

Etwas aus dem tapferen Aufruf zu demselben an die evangelische Bürgerschaft Berlins von dem greisen Haupte der alten Garde: Kammergerichtsrat Schröder. „Es ist das dritte Mal, daß der Protestantenverein seine Generalversammlung in der Reichshauptstadt abhält. Im Jahre 1869 hat er hier, verfolgt von der orthodoren Pastorenschaft, geächtet von den kirchlichen Behörden, bei der Berliner Bürgerschaft eine begeisterte Aufnahme gefunden. Waren ihm durch kirchenregimentliches Verbot die kirchlichen Gebäude verschlossen, so gab die Bürgerschaft ihrer herzlichen Sympathie für die freiheitlichen Bestrebungen des Vereins dadurch Ausdruck, daß sie ihm die feierlich dekorierte städtische Turnhalle zur Abhaltung seiner Festgottesdienste und Verhandlungen öffnete. Das zweite Mal tagte der Protestantentag in Berlin im Sommer 1881. Es war die Zeit, wo die an die Einigung des Reiches geknüpften Hoffnungen für die freiheitliche Ausgestaltung des deutschen evangelischen Kirchentums bereits wieder der Mutlosigkeit und Gleichgültigkeit gewichen waren. Die Glaubensgerichte in der evangelischen Kirche", die sich damals in beispielloser Weise gehäuft hatten, bildeten den bezeichnenden Gegenstand der Verhandlungen dieses Protestantentages, während der inzwischen heimgegangene hochverdiente Rechtslehrer Bluntschli über „Die Stellung der Reformation zur bürgerlichen Gesellschaft" referierte.

„Inzwischen sind wieder 15 Jahre verflossen, in denen die kirchlichen Fragen nicht eben im Mittelpunkte des öffentlichen Interesses gestanden haben. Wenn der Protestantenverein jezt aufs neue die Berliner Bürgerschaft zur Teilnahme an seinen Verhandlungen einladet, so mag manchem, der in seinen religiösen Meinungen im allgemeinen einer freiheitlichen Richtung zugetan ist, sich doch die Frage aufdrängen: Was ist der Protestantenverein und was will er?

"

Der Deutsche Protestantenverein wurde im Jahre 1863 zu Frankfurt a. M. gegründet. Die Absicht der Männer, die in der Zeit hoher nationaler Erwartungen sich zur Stiftung des Protestantenvereins zusammenschlossen, ging nicht dahin, den ehrlichen religiösen Glauben des Volkes durch wissenschaftliche Aufklärung zu untergraben, oder die altgläubige Richtung des ihr zukommenden Rechtes in der landeskirchlichen Gemeinschaft zu berauben oder gar für irgend ein neues dogmatisches Lehrsystem Proselyten zu machen. Wir haben den Deutschen Protestantenverein gestiftet", so schrieb einer seiner theologischen Mitbegründer, „im Drange der Not, von Gewissens wegen, weil uns des armen Volkes jammerte, das, wenn es so fortgeht, an den Heiligtümern seines Geistes und Gewissens verkümmert.“

"

„Die unbestreitbare Thatsache, daß das hergebrachte Kirchentum mehr und mehr dem Kern unseres Volkes, dem Bürgertum, fremd und gleichgültig geworden ist, daß die kirchliche Form des Protestantismus in Gefahr ist, sich vollends loszutrennen von den religiös-sittlichen Errungenschaften und den nationalen Kulturgütern der deutschen Reformation, hat den Protestantenverein dazu geführt: Die Erneuerung der protestantischen Kirche im Geiste evangelischer Freiheit und im Einklang mit der gesamten Kulturentwicklung unserer Zeit auf seine Fahne zu schreiben.

„Die Kirche ist um des Volkes willen da, nicht das Volk um der Kirche willen. Nicht die Sahungen einer veralteten Kirchenanstalt sollen dem religiösen Geiste der Nation den Weg diktieren, den er zu gehen hat, sondern was in der Seele des Volkes lebt und sich bewährt als religiöser Glaube unserer Zeit, dem sollen sich die Kirchen öffnen, das soll sein Recht finden auf der Kanzel und in der Seelsorge unserer evangelischen Kirche.

„Eine Verfassung hat deshalb der Protestantenverein für die Kirche gefordert, eine Verfassung, die sich nicht auf den Pastorenstand aufbaut wie das Zerrbild der Stöcker'schen Kirchenfreiheit! sondern auf der mündigen, selbständigen Gemeinde. Das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde, das erst die in ihr schlummernden religiösen Kräfte weckt, ist der Grundund Eckstein aller heilsamen Kirchenreform.

„Ein Verdienst des Protestantenvereins vornehmlich ist es, daß wir auch in der preußischen Landeskirche eine Verfassung haben freilich nur ein Bruchstück, eine Scheinverfassung, die das kirchliche Parlament, die Generalsynode, und damit die kirchliche Gesetzgebung so gut wie ausschließlich der orthodoxen Pastorenschaft ausgeliefert hat. Und anstatt daß uns die Verfassung zum Aufbau einer Volkskirche hätte führen sollen, sind wir wieder dahin gekommen, wo wir waren, als der Protestantenverein die Laienwelt zum ersten Mal aufrief zur Mitarbeit an der kirchlichen Wiedergeburt unseres Vaterlandes.

„Wieder thut sich der verhängnisvolle Riß auf, und tiefer als je hier das moderne Geistesleben der Nation, in dem auch ideale Kräfte nach Gestaltung ringen dort die dem Volke entfremdete christliche Anstalt, pochend auf ihre Ordnung, eifersüchtig auf ihre Macht. Aber diese Ordnung wird zur Schlinge für den sittlichen Idealismus des geistlichen Standes, zur Verfolgung theologischen Wahrheitsforschens auf unseren Hochschulen; und diese Macht tritt in den Dienst politischer Reaktion und macht die Kirche zu einem politischen und socialen Kampfmittel.

"

Dem Frieden" will die Kirche dienen, dem kirchlichen und neuerdings auch dem socialen Frieden aber was wird in Wahrheit erzielt? Die Ruhe des Friedhofs, das Stillschweigen vollendeter Gleichgültigkeit! Und während unter dem Beifall mächtiger politischer Faktoren der kirchliche Mechanismus sich der Niederhaltung des Geistes und zugleich der Niederhaltung der Massen befleißigt, reibt sich die Kraft der Nation auf im gegenseitigen Kampf der Klassen und Stände. Und doch giebt es nur Eines, das die zügellose Leidenschaft mäßigen und den vergiftenden Haß dieser die nationale Kultur gefährdenden Kämpfe bannen kann: das ist der religiöse Idealismus, die erhabene Größe, der heilige Ernst und die opfermütige Kraft christlicher Lebensauffassung!

„Nach dem Vorgeben der Orthodoxie soll die Zeit des Protestantenvereins abgelaufen sein. Nun wohl, neben unseren Verein sind mit der Zeit auch andere getreten, die für die Freiheit der theologischen Wissenschaft ihren Mann stellen. In der Abwehr römisch-klerikaler Uebergriffe sind unserem Verein mächtige Bundesgenossen erwachsen im evangelischen Bund. Selbst der vom Protestantenverein seit seiner Gründung vertretene Gedanke des allmählichen Zusammenschlusses der landeskirchlichen Sondergemeinschaften zu einer deutschen Nationalkirche findet heute über seinen Kreis hinaus Freunde und Befürworter.

Aber für die Aufrichtung einer evangelischen Volkskirche, die auf dem Grunde des Evangeliums Christi, frei von kirchlicher Selbstsucht im Sinn und Geist der lebendigen Gegenwart dem nationalen Volksleben die Kraft und die Weihe des Glaubens verleiht, tritt auch heute noch allein der Protestantenverein auf den Plan. So gewiß uns eine solche mit der Geisteskultur unserer Zeit versöhnte Volkskirche zu keiner Zeit mehr Not gethan hat, als heute, wo die politische Interessenpolitik ihre Triumphe feiert, wo die Klassengegensäße eine verhängnisvolle Schärfe erreicht haben, wo das öffentliche Leben an mehr als an einer Stelle die erschreckenden Züge sittlichen Zerfalles zeigt - so gewiß hat auch der Protestantenverein an dem Volke der Lessing, Kant und Fichte noch eine Mission zu erfüllen!“ (Fortsetzung folgt).

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Gedankenspäne aus der Kinderstube.

Des Kindes erstes Schulhaus ist das Elternhaus und seine ersten Lehrer sind Vater und Mutter. P. K. Rosegger, der bekannte Dichter, giebt in seinem Aufsaße: Mutter schreib' das schönste Buch!" unsern jungen Müttern den Rat, ein Tagebuch über die körperliche und geistige Entwicklung ihrer Kinder zu führen und zwar vom ersten Lebenstag derselben an. Mit Staunen“, so sagt er, wird jede Mutter sehen, welch großen Fortschritt, welch' ungeheure Entwicklung und Geistesarbeit ein Kind in einem Jahre durchmacht. Kein Gelehrter und kein Dichter wird in gleicher Zeit eine so große und erfolgreiche Gehirnthätigkeit entwickeln als ein Kind in seinen ersten Lebensjahren. Es lernt hören und sehen, es lernt die Eindrücke zu unterscheiden und zu mustern, es lernt nach denselben das Angenehme zu suchen, das Unangenehme abzulehnen. Es findet an sich die Werkzeuge dazu und lernt sie gebrauchen. Es lernt sprechen. Der Weg vom Auge bis zur Hand, vom Ohr bis zur Zunge ist weiter und beschwerlicher als später etwa der von der einfachen Addition bis zu der komplizierten Bruchrechnung. Der Mensch lernt in seinen drei ersten Lebensjahren mehr als später in seinem ganzen Leben, denn in dieser Zeit wird er Mensch."

250 Jahre vor Rosegger hat der scharfsinnige, gedankentiese und fromme Böhme Amos Comenius, der in der Erziehungskunst eine neue Periode einläutete, von einer „Mutterschule" geredet, in welcher das Kind eingeführt wird in alle die Fächer, die später den Stoff des eigentlichen Schulunterrichtes bilden. Bei der Mutter lernt es den Namen und den Gebrauch seiner Gliedmaßen, das sind die Anfangsgründe der Anthropologie; daheim oder auf Spaziergängen mit den Eltern wird es bekannt mit Steinen, Pflanzen und Tieren, das sind die Anfänge der Mineralogie, der Botanik, der Zoologie; zu Hause zuerst unterscheidet es Licht und Finsternis und Farben und beginnt seine Augen an schönen Dingen zu weiden, das sind die Anfänge der Optik. In der Astronomie lernt es auf Sonne, Mond und Sterne merken, auch darauf, daß der Mond bald voll, bald sichelförmig ist. Die Geographie beginnt es mit Kenntnis der Wiege, der Stube, des Gehöftes, der Straßen, der Felder; die Chronologie mit Unterscheiden von Tag und Nacht, Stunde, und Feiertag; die Geschichte mit dem, was ihm gestern und vorgestern begegnet; die Politik mit Kenntnis des Hausregiments; die Arithmetik mit

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