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denen ungestümen dramatischen Stils, der fortan immer mehr und mehr in die Mode kam, und den die Stürmer und Drånger mit prahlerischer Selbstgefälligkeit Shakespearisiren nannten. Nicht in der Weise von Lessing's Emilia Galotti, die sich mit bewußter Gegensäßlichkeit dem neuen Stil Gerstenberg's scharf entgegenstellte, straffe gemessene Führung einer stetig fortschreitenden, folgerichtig einheitlichen dramatischen Handlung, sondern einzig und allein oft bis zur Roheit drastisch natürliche Ausmalung der fessellos hervorstürmenden menschlichen Leidenschaft.

Der Dichter war dreißig Jahre alt, als er mit dem Ugolino hervortrat. Seitdem verstummte er. Und dies in der bewegten gewaltigen Zeit, in welcher Lessing seine Emilia Galotti und seinen Nathan schrieb, und in welcher Goethe und die Stürmer und Drånger und Schiller mit ihren ersten Werken die gesammte deutsche Bildungswelt aufs tiefste erregten und erschütterten! Erst 1785 erschien wieder ein neues größeres Werk von Gerstenberg »Minona oder die Angelsachsen«; ein verunglücktes tragisches Melodrama, das höchst unerfreulich an Klopstock's Bardiete erinnert.

Es ist ein Räthsel, zu dessen Lösung uns der nöthige Einblick in die inneren Erlebnisse des Dichters fehlt, wie es kommen konnte, daß eine so bedeutende Schöpferkraft, von deren rústiger Fortentwicklung selbst ein Herder das Außerordentlichste verheißen hatte, so früh ermattete.

Seit 1768 lebte Gerstenberg in ansehnlichen Verwaltungsåmtern; zuerst in Kopenhagen, seit 1775 als dånischer Resident in Lübeck, seit 1784 in Eutin und, nach dem Tode seiner Frau, seit 1786 in Altona. Musik und das Studium der Kantischen Philosophie beschäftigten sein Alter. Er starb zu Altona am 1. November 1823, hochbetagt und allverehrt.

Drittes Kapitel.

Goethe.

Bis zur italienischen Reise.

1.

Leipzig, Straßburg, Weklar.

Nicht ohne Behagen erzählt Goethe in Wahrheit und Dichtung, daß bei seiner Geburt der Stand der Gestirne günstig gewesen. Schon in Straßburg hatte er sich, wie aus den von A. Schöll herausgegebenen »Briefen und Aufsåßen« (S. 69) zu ersehen ist, in eines seiner Studienhefte angemerkt, daß ein altes astronomisches Lehrgedicht den unter dem Zeichen der Venus Geborenen eine glückliche Schriftstellerlaufbahn verheiße.

Es muß etwas wahrhaft Dämonisches in der strahlenden Jugenderscheinung Goethe's gelegen haben. Von Anbeginn macht er überall, wo er auftritt, sogleich den Eindruck eines »ganz fingularen Menschen«. Unter seinen Knabengespielen ist er immer der Erste. Jeht, da wir durch erhaltene Briefe in sein Leipziger Leben einen genaueren Einblick haben als der eigene Bericht Goethe's gestattet, wissen wir, daß auch seine Leipziger Freunde schon seine künftige Größe ahnten. Jung-Stilling hat aus der Straßburger Zeit lebhaft geschildert, wie der lebensfrohe, liebenswürdig gutmüthige Jüngling, mit seinen frischen großen Augen und der prachtvollen Stirn und dem schönen Wuchs,

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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einem Gott gleich den unwiderstehlichsten Zauber übte und in seinem gesellschaftlichen Kreise unbestritten die Regierung führte, obgleich er sie niemals suchte. Kestner, der Albert im Werther, kann in seinem Wehlarer Tagebuch aus der Zeit der ersten Bekanntschaft mit Goethe nicht müde werden, sich über die überraschenden Eigenthümlichkeiten des dreiundzwanzigjährigen jungen Mannes Rechenschaft abzulegen; zulcht bricht er mit den Worten ab: »Ich wollte ihn schildern, aber es würde zu weitläufigwerden, denn es läßt sich gar viel von ihm sagen; er ist mit einem Wort ein sehr merkwürdiger Mensch; ich würde nicht fertig werden, wenn ich ihn ganz schildern wollte.«< Und mit jedem Jahr wächst die Bewunderung Aller, die das Glück haben, in seine Nähe zu treten. Am 13. September 1774 schreibt Wilhelm Heinse (Bd. 8, S. 118) an Gleim: »Goethe war bei uns, ein schöner Junge von fünfundzwanzig Jahren, der vom Wirbel bis zur Zehe Genie und Kraft und Stärke ist, ein Herz voll Gefühl, ein Geist voll Feuer mit Adlerflügeln; ich kenne keinen Menschen in der ganzen gelehrten Geschichte, der in folcher Jugend so rund und voll von eigenem Genie gewesen. wåre wie er; da ist kein Widerstand, er reißt Alles mit sich fort. Und Jacobi (Auserles. Briefwechsel, Bd. 1, S. 179) schreibt an Sophie La Roche: »Goethe ist nach Heinse's Ausdruck Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein Besessener füge ich hinzu, dem fast in keinem Fall gestattet ist, willkürlich zu handeln. Man braucht nur eine Stunde bei ihm zu sein, um es im höchsten Grad lächerlich zu finden, von ihm zu begehren, daß er anders denken und handeln solle als er wirklich denkt und handelt. Hiermit will ich nicht andeuten, daß keine Vers ånderung zum Schöneren und Besseren in ihm möglich sei; aber nicht anders ist sie ihm möglich als so wie die Blume sich entfaltet, wie die Saat reift, wie der Baum in die Höhe wächst und sich krönt.« Auf Goethe geht es, wenn Klinger in seinem

Trauerspiel »Das leidende Weib« eine der handelnden Personen sagen läßt: »Ein wunderbarer Mensch, der Doctor! der Erste von den Menschen, die ich je gesehen, der alleinige, mit dem ich sein kann. Der trågt Sachen in seinem Busen! Die Nach= kommen werden staunen, daß je so ein Mensch war!« Selbst Wieland, den der junge Dichter durch seine humoristische Satire "Götter, Helden und Wieland« in jugendlichem Uebermuth herausgefordert und tief verlegt hatte, war, wie sein eigener Ausdruck lautet, nach der ersten persönlichen Berührung mit Goethe so voll von ihm wie ein Thautropfen von der Morgensonne; er nennt ihn einen Zauberer, einen schönen Herenmeister mit schwarzem Augenpaar und Götterblick; nie habe in Gottes Welt sich ein Menschensohn gezeigt, der alle Güte und alle Gewalt der Menschheit so in sich vereinige, so mächtig alle Natur umfasse, so tief sich in jedes Wesen grabe und doch so innig im Ganzen lebe.

Von Kindheit auf war der Grundzug seines Wesens unbeirrbar in ihm ausgesprochen. Wie Goethe in seinem Alter eine volle und in sich abgeschlossene Persönlichkeit vorzugsweise eine Natur zu nennen liebte, so geht auch bereits durch das vielthätige, oft scheinbar ziellos umherschweifende Lernen und Treiben des Knaben der dunkle, aber nichtsdestoweniger sich des rechten Weges bewußte Drang, den vollen und ganzen Menschen in sich herauszubilden und dieses freie Menschenthum unbedingt und rückhaltslos auf die ungestörte Gesundheit und Entfaltung der reinen Natur zu stellen. Und wie Goethe sein ganzes reiches Leben hindurch die Gewohnheit und das unabweisbare Bedürf= niß hatte, Alles, was seine tiefe und leicht erregliche Seele erfreute, quålte und beschäftigte, zu eigener Selbstbefreiung in die verklärende Höhe dichterischer Gestaltung emporzuheben, so daß er eben dadurch der Dichter des tiefsten Seelenlebes reiner und gebildeter Menschlichkeit wurde wie kein anderer Dichter vor ihm

und nach ihm, so wandelten sich auch bereits dem Knaben alle Erlebnisse und Anlåsse, ja selbst die alltäglichsten Schulübungen, unwillkürlich in kleine Gedichte, Romane und Dramen, und kein Glück erschien ihm lockender und wünschenswerther als der Lorbeerkranz, der den Dichter zu zieren geflochten ist.

Schon die Dichtungen der Leipziger Studentenjahre find daher von entschiedener Bedeutung und Eigenthümlichkeit. Nur in den Oden an Behrisch (Bd. 2, S. 35) und in der Ode an Zacharia (Bd. 6, S. 55) hört man noch die alte Weise Klop= stock's und Ramler's; dagegen sind die zwanzig Gedichte, welche im October 1769 unter dem Titel »Neue Lieder, in Melodien gesetzt von Bernhard Theodor Breitkopf« ohne den Namen des jungen Dichters erschienen, bereits so durchaus im Geist åchtester Goethe'scher Lyrik, so innig, so leicht und natürlich, daß sie spåter fast alle, nur mit geringen Verånderungen, in die Gedichtsammlung aufgenommen wurden; ja einige derselben, wie insbesondere die Brautnacht (Bd. 1, S. 42), die Freude (Bd. 2, S. 207), Wechsel (Bd. 1, S. 52), sind von den besten Gedichten der besten Zeit ununterscheidbar. Und dasselbe hervorstechende Streben nach lebendiger Naturwahrheit liegt auch in den beiden gleichzeitigen kleinen Lustspielen, so gezirkelt und förmlich sie noch im zopfigen Alexandrinerschritt einherschreiten. In der »Laune des Verliebten« die bebånderten Buben und Mädchen des französischen Schäferspiels, wie dieselben namentlich durch Gellert auch auf der deutschen Bühne siegreichen Eingang gefunden; aber unvergleichlich anmuthsvoller und mit dem frischen herzgewinnenden Hauch selbsterlebter Empfindung. In den »Mitschuldigen« noch ein sehr dilettantisches Hinübergreifen in criminalistische Motive, welche ganz und gar aus dem Kreise reiner Komik heraustreten; aber ein scharf ausgesprochener Sinn für Raschheit der Handlung und für drastischen, oft sogar possenhaften Situationenwit. Zumal gilt dies von der ersten ursprünglichen Niederschrift,

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