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wird: »Leere Wünsche und Sehnsuchten nach unersteiglicher Vollkommenheit bringen nur Romanhelden hervor, die, indem sie sich auf ihr Gefühl für das überschwenglich Große viel zu gute thun, sich dafür von der Beobachtung der gemeinen und gangbaren Schuldigkeit, die alsdann ihnen nur unbedeutend klein scheint, freisprechen.« Daher der scharfe Gegensatz Kant's gegen die herrschende eudåmonistische Sittenlehre, die nur Wohlbehagen und Glückseligkeit kannte und sich in Wieland sogar bis zum leerften Epicuráismus verirrt hatte; daher sein scharfes Dringen auf das Sollen der Pflicht, auf das Handeln um des Gesetzes willen. Und ist es auch unbestreitbar, daß Kant, der völlig Leidenschaftslose, der bereits im hohen Alter Stehende, auch seinerseits nicht frei blieb von Einseitigkeit und Uebertreibung, so daß Schiller, der begeisterte Anhänger Kant's, grade gegen diese můrrische Möncherei und Entsagung tiefen und berechtigten Kampf führte, so war doch die Einwirkung Kant's auch nach der sittlichen Seite hin eine wahrhaft unermeßliche. Sokrates unter den Sophisten.

Und noch unmittelbarer und tiefgreifender wirkte das großartig fortschreitende Leben und Schaffen Goethe's und Schiller's, der beiden großen Dichterheroen.

Je leidenschaftlicher und ungestümer das Jugendleben Goethe's von dem Kampf und Widerspruch zwischen dem überschwellenden Unendlichkeitsgefühl des heißblütigen Herzens und der undurchbrechbaren Enge der Wirklichkeit bewegt und durchglüht war, um so mehr wurde ihm die zunehmende Lebenserfahrung und der Eintritt in bedeutende Weltverhältnisse der Grund ernster Selbstprüfung und Selbstbesinnung. Die ersten Jahre in Weimar beginnen diese Entwicklung, die italienische Reise bringt sie zum Abschluß. Der dunkle Drang, den vollen und ganzen Menschen aus sich herauszubilden, begrenzte und vertiefte sich zu einer umfassenden Vielseitigkeit und Tiefe der Bildung, wie

kein anderer Mensch sie jemals erreicht hat, und zugleich zu einer sittlichen Maßbeschränkung und inneren Harmonie, zu einer Sophrosyne und Kalokagathie im schönen antiken Sinne des Wortes, die ihn, was die unverständige Menge auch sagen mag, zu einem der Größten und Weisesten aller Menschen, zu einem Urbild und Vorbild schönsten und reinsten Menschenseins macht. »Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, befreit der Mensch sich, der sich überwindet«. Die Fortbildung und Versöhnung des Werther ist Tasso und Wilhelm Meister. Der willenskräftige und klar bewußte Künstler seines Lebens wird auf der heiteren und klaren Höhe seines sittlichen Ideals der Dichter der modernen Bildungskåmpfe und, wie er sich gern selbst nennt, der Dichter der Herzensirrungen. Goethe kommt Shakespeare nicht gleich an fester Sicherheit und elementarer Kraft des dichterischen Gestaltens; aber an Tiefe und Weite des geistigen Gehalts, an Hoheit und Reinheit des Scelenlebens überragt er ihn, wie die neue deutsche Philosophie die Philosophie Bacon's überragt.

Aehnlich die Entwicklung Schiller's. Was für Goethe die bedeutende äußere Lebensstellung, die Anschauung der alten Kunst, die erziehende Kraft Italiens war, das wurde für Schiller das Studium der alten Dichter, besonders Homers und der Tragiker, das Studium der Geschichte, das Studium Kant's. Das Ergebniß war dieselbe innere Vertiefung und Begrenzung, dasselbe hohe und reine Menschheitsideal.

Daher fortan das tiefe und innige, in der gesammten Geschichte beispiellose Freundschaftsbündniß Beider. Es war der Gewinn und der Ausdruck der innigsten Gesinnungseinheit und Strebensgemeinschaft.

Es giebt eine bedeutungsvolle Sage des Alterthums, daß die wilden Titanen gestürzt wurden und den heiteren Göttern des Lichtes und der Ordnung weichen mußten. Die jungen

Dichtertitanen hatten diesen schweren Kampf in sich selbst durch= gekämpft. Die Besiegten waren zugleich die Sieger.

Goethe und Schiller sind nicht blos die dichterischen Befreier der Deutschen, sondern weit mehr noch die sittlichen. Die Ueberwindung der Sturm- und Drangperiode war die Zügelung der entfesselten dunklen Gemüthsmåchte zu freier Selbstbeherrschung, der Uebergang von der Sophistik zur Sophrosyne, von der Freigeisterei der Leidenschaft zur versöhnten und in sich befriedigten Befonnenheit. Indem diese Dichter sich selbst erzogen, haben sie die Menschheit erzogen. Und ist vielleicht, wie es Menschenschicksal ist, die eigene Persönlichkeit zuweilen hinter diesem höchsten Ziel zurückgeblieben, der Begriff des reinen und freien Menschenthums war wiedererobert. Die Natur, welche Rousseau und die jungen Stürmer und Drånger so nachdrücklich gewollt und erstrebt hatten, ist gerettet; aber nicht die rohe und ungebårdig selbstsüchtige, sondern die gelåuterte, die mit Freiheit sich selbst be= herrschende, die mit den Gesehen und Forderungen der sittlichen Vernunft übereinstimmende. Die Einseitigkeit des Zeitalters der Aufklärung und die Einseitigkeit der Sturm- und Drangperiode sind in einer höheren gemeinsamen Einheit versöhnt.

Es war die Eroberung des hehren Ideals vollendeter Bildungsharmonie, oder, wie die Schulsprache sagt, des Ideals vollendeter und reiner Humanitåt. Nach jahrhundertelanger willkürlicher Selbstentfremdung hatte sich der Mensch endlich selbst wiedergefunden.

Aber das Verhängnißvolle war, daß mit dieser stetig fortschreitenden inneren Bildung die äußere Gestaltung der Dinge nicht Schritt hielt. Im schneidenden Gegensatz zu diesem hohen und reinen Menschheitsideal blieb die Außenwelt nach wie vor eine idealitåtslose, kleinliche und philisterhafte, schwunglose, oft sogar unvernünftige. Und die Einwirkungen der französischen. Revolution waren nur eine Verschlechterung der Zustände. Es

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und Schiller auf der höchsten Höhe ihres großartigen Bildungsganges mit so tiefer innerer Wahlverwandtschaft zu den Griechen gezogen wurden. In jenem denkwürdigen Briefe vom 23. August 1794, in welchem Schiller das Wesen und Streben Goethe's mit so meisterhafter Klarheit und Schärfe gezeichnet hat, schreibt Schiller an Goethe: »>Wåren Sie als ein Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und håtte schon von der Wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisirende Kunst Sie umgeben, so wåre Ihr Weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge håtten Sie dann die Form des Nothwendigen aufge= nommen, und mit Ihren ersten Erfahrungen håtte sich der große Stil in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie als ein Deutscher geboren find, da Ihr griechischer Geist in diese nordische Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl als entweder selbst zum nordischen Künstler zu werden oder Ihrer Imagination das, was ihr die Wirklichkeit vorenthielt, durch Nachhülfe der Denkkraft zu ersehen und so gleichsam von innen heraus und auf einem rationalen Wege ein Griechenland zu gebåren.« Und dies tiefsinnige Wort gilt nicht blos von Goethe, sondern mit geringer Einschränkung auch von Schiller selbst. Weil Goethe und Schiller die Entfaltung und Bethätigung der reinen und schönen Menschennatur, die ihr sittliches und künstlerisches Ideal, der Gewinn und das Ziel ihrer Bildung war, in ihrer eigenen Gegenwart und Wirklichkeit nicht fanden, suchten sie sich von dieser Gegenwart und Wirklichkeit möglichst loszulösen und auf die schöne Menschlichkeit der alten Welt und deren einfach hohe Kunst und Dichtung zurückzugehen. Es ist eine der wunderbarsten Thatsachen, in welcher großartig freien und lebendigen Weise diese beabsichtigte künstlerische Wiedergeburt hellenischer Art und Kunst ihnen gelang. Vor Allem Iphigenie, Tasso, die römischen Elegieen, Hermann und Dorothea und die gleichzeitigen

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