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Alles! Und warum das Zaudern und Zagen? Weil man nicht weiß, wie es dahinter aussieht? Und man nicht wiederkehrt? Und daß das nun die Eigenschaft unseres Geistes ist, da Verwirrung und Finsterniß zu ahnen, wovon wir nichts Bestimmtes wissen!«< »Ja, Lotte, warum sollte ich es verschweigen? Eines von uns Dreien muß hinweg, und das will ich sein! O meine Beste! in diesem zerrissenen Herzen ist es wüthend herumgeschlichen, oft deinen Mann zu ermorden! Dich! mich! so sei es!« Wie mit Schwertern trifft es in unser Herz, wenn unter solcher Stimmung Werther der Geliebten aus Offian liest: »Die Zeit meines Welkens ist nahe, nahe der Sturm, der meine Blåtter herabstört! Morgen wird der Wanderer kommen, der mich sah in meiner Schönheit, ringsum wird sein Auge im Felde mich suchen und wird mich nicht finden.« Nun ge= schieht das Unabwendbare. Werther tödtet sich.

»Handwerker trugen ihn, kein Geistlicher hat ihn begleitet.«< Schneidender als diese lehten Worte des Romans, welche dem Briefe entlehnt sind, in welchem Kestner an Goethe den Tod des jungen Jerusalem meldete, håtte der Schluß gar nicht erfunden werden können. Gegenüber der Tragödie des überschwenglichen leidenschaftlichen Herzens die pharisäische Herzlosigkeit der Weltsitte.

Die Wertherdichtung ist nicht die tiefste, aber die bewunderungswürdigste Dichtung Goethe's. Das Grundmotiv ist krankhaft, und doch von unzerstörbarer Wirkung; veraltet, und doch unveraltbar. Die Zwiespältigkeit dieses Eindrucks besteht darin, daß der unverbrüchliche Idealismus des Herzens hier nur in der unreifen und unklaren Form eigensüchtiger Phantastik auftritt, und daß diese unreife und unklare Phantastik in der dichterischen Darstellung doch mit aller Hoheit und Unbezwinglichkeit des wahren und åchten Idealismus erfüllt und durchglüht ist.

Werther ist Phantast. Die Erbårmlichkeit des Weltlaufs,

meint Werther und wir sollen es mit ihm meinen, hat keinen Raum für solche Tiefe und Innerlichkeit. Einem gesunden thatkräftigen Herzen wåre die Tragik Werther's nicht unlösbar ge= wesen. Mehr Selbstbeherrschung und Manneskraft, und Werther war gerettet, wie der Dichter aus gleicher Verwicklung siegreich hervorgegangen. Die aus der Bearbeitung von 1786 stammende Einschiebung der höchst wirksamen Parallelgeschichten der beiden Bauernburschen, von denen der eine aus Liebe seinen Verstand verliert, der andere aus Eifersucht seinen Mitbewerber todtschlågt, zeigt, daß spåter die gereiftere Kunsteinsicht Goethe's diesen Mangel erkannte und ihn durch die Hinweisung auf die dåmonische Urgewalt elementarer Leidenschaft möglichst zu verdecken suchte. Trohdem wird Werther zum Untergang geführt; und zwar so, daß er nicht als ein Fehlender dargestellt wird, sondern als ein tief be= klagenswerth Unglücklicher, als ein der unentrinnbaren Welttragik schuldlos Erliegender. Die Dichtung wåre nicht zu ertragen und fiele in die Reihe der peinlichsten Empfindsamkeitsromane, wåre mit dieser krankhaften Phantastik das Grundmotiv erschöpft. Aber das grade ist die eigenste Größe und der mit Nichts vergleichbare Reiz dieser Dichtung, daß sie nichtsdestoweniger zugleich voll des gesundesten kraftstrohendsten Lebensgefühls ist. Freilich ist jener stürmende unglückliche Jüngling Phantast; aber er ist nicht blos Phantast. Untrennbar neben und in seiner Ueberspannung und Krankhaftigkeit, durch die er sich untergråbt und vernichtet, liegt so viel åchter und kräftiger Idealismus, so viel rein und allgemein Menschliches, so viel gesunder revolutionårer Zorn gegen Unnatur und Unvernunft, so viel spornendes Verlangen nach Poesie und Ursprünglichkeit, daß wir immer wieder in die tiefste Mitleidenschaft des Helden gezogen werden, daß wir trog aller seiner trüben Leidenschaftlichkeit ihn immer wieder als einen Theil unserer selbst, und zwar nicht als den schlechtesten, empfinden, ja daß, wie Goethe in den Gesprächen mit Eckermann (Bd. 3, S. 40) sich

ausdrückt, Jeder einmal im Leben eine Epoche hat, in welcher ihm der Werther kommt, als sei er eigens für ihn geschrieben.

Und dazu die unvergleichliche Kunst der Komposition und der dichterischen Darstellung. Was Rousseau in der Neuen Heloise ahnungsvoll, aber unzulänglich erstrebte, hier ist es überwältigende That. Ein so umstrickender Zauber festgeschlossener künstlerischer Einheit, eine so zwingende unentrinnbare Grundstimmung, ein so ergreifendes Schauen und Offenbaren der geheimsten und schreck= haftesten Abgründe und Herzenstiefen, eine so warme und lebensvolle Empfindung für die Poesie des menschlichen Kleinlebens sowohl wie der gewaltigsten Leidenschaften, ein so offenes und plastisches Auge für die Fülle landschaftlicher Schönheit und für das machtvolle Einwirken der Naturumgebung auf die wechseln= den Seelenstimmungen, eine solche Gluth und Macht der Sprache war noch nicht gehört worden und ist selbst von Goethe in solcher Tiefe und Energie nur im Faust wiedererreicht. Ueberall die packende Kraft und die volle und innige Gegenwart des innerlichst Selbsterlebten.

Es ist bekannt, wie tief die Gewalt dieser Dichtung das innerste Mark der Zeit traf.

Die Månner der Aufklärungsbildung, nicht blos Nicolai, sondern auch die Größten und Besten wie Lessing und Kant und Möser und Lichtenberg sahen in ihrer scharfen Verstandesklarheit in Werther nur den krankhaften, eitlen, abenteuerlichen Phantasten, dessen kleingroßes, verächtlich schäßbares Wesen um so gefährlicher sei, je nåher es liege, die poetische Schönheit mit der moralischen zu verwechseln. Mit den Schlacken verwarfen sie auch den Kern. Die Jugend dagegen, befangen in demselben gefühlsdunklen weltfeindlichen Groll und Ungestüm, sah in Werther nur den heldenmüthigen Kämpfer für die Poesie des Idealismus, den tragischen Blutzeugen für die unaufgebbaren Rechte des Herzens. »Es war jezt erlaubt«, sagt_Rehberg, einer dieser jüngeren Zeitgenossen (vgl. Tieck's Kritische

Schriften, Bd. 2, S. 301), »Gedanken laut werden zu lassen, die man einst kaum gewagt hatte, sich selbst zu gestehen, Gesinnungen zu åußern, die man sich selbst nicht hatte gestehen dürfen; bald ward es etwas Schönes, dieses Alles zur Schau zu tragen. Ich war siebzehn Jahre alt, als Werther erschien. Vier Wochen lang habe ich mich in Thrånen gebadet; nicht über die Liebe und das Schicksal des armen Werther, sondern in der Zerknirschung des Herzens und im demüthigenden Bewußtsein, daß ich nicht so dächte, nicht so sein könne, als dieser da. Ich war von der Idee befallen, wer fåhig sei, die Welt zu erkennen, wie sie wirklich ist, müsse so denken, müsse so sein«.

Und diese unterwühlende Wirkung erstreckte sich nicht blos auf Deutschland, sondern über ganz Europa, über die ganze gebildete Welt.

Während der Dichter sich durch seine Dichtung von seinen Leiden und Verstimmungen befreit hatte, mußte er es erleben, daß seine Dichtung die kranke siechende Zeitstimmung beförderte, ja erst zum vollen Ausbruch brachte. Man kleidete sich nicht blos in die Tracht Werther's, man wallfahrtete nicht blos zu seinem Grabe; es fehlte auch nicht an Solchen, die gleich ihm in eitler Weltverachtung den Tod suchten. Werther hat mehr Selbstmorde verursacht als die schönste Frau, sagt spottend Madame Stael.

Niemand erschrak über diese furchtbare Erregung der Geister mehr als der Dichter selbst. Es hat sich das Bruchstück einer Vorrede erhalten, (vgl. Schöll. Briefe und Auffäße, S. 146), welche wahrscheinlich für die im Uebrigen unveränderte zweite Auflage aus dem Jahr 1775 bestimmt war. Dieses Bruchstück legt dem Leser ans Herz, er solle aus dem Büchlein nicht den Hang zu unthätigem Mißmuth in sich vermehren, sondern es vielmehr als einen tröstenden warnenden Freund betrachten, wenn er aus Geschick oder eigener Schuld keinen nåheren finden könne. Der richtige dichterische Sinn hat Goethe vor der Aufnahme dieser

166 Goethe's Erwin u. Elmire u. Claudine v. Villabella.

moralisirenden Vorrede bewahrt. Goethe begnügte sich, auf das Titelblatt des zweiten Theils den Vers zu setzen: »>Sieh, Dir winkt sein Geist aus seiner Höhle; sei ein Mann und folge mir nicht nach!« Aber auch dieser Zusatz wurde spåter wieder beseitigt.

Es galt das Phantastische abzuwerfen, und den wahren, nicht mit der Welt grollenden, sondern versöhnten Idealismus zu finden. Hier liegen die Keime des Tasso und des Wilhelm Meister.

Erwin und Elmire. Claudine von Villabella.

Stella.

Im Sommer 1773 meldet Goethe an Kestner (S. 185), daß bald ein Lustspiel mit Gesängen fertig sei, ohne großen Aufwand von Geist und Gefühl auf den Horizont der Acteurs und der Bühne gearbeitet. Es ist das Singspiel »Erwin und Elmire« gemeint. Und im Mai 1775, als Erwin und Elmire bereits in der Fris erschienen und Claudine von Villabella in der Handschrift vollendet war, schrieb Goethe an Herder (Aus Herder's Nachlaß Bd. 1, S. 54), er werde sich årgern, in diesen Frescomalereien gutgefühlte Natur neben scheußlichen Gemeinplätzen zu sehen.

Es sind Nachahmungen der französischen Operetten und der beliebten kleinen deutschen Singspiele; flüchtig skizzirte Einfälle, ansprechend durch zarten lyrischen Hauch, aber ohne tiefere Bedeutung. Und selbst als Goethe während seines Aufenthalts in Rom behufs der neuen Gesammtausgabe seiner Werke diese Singspiele durch Verfeinerung der Motive und durch Umbildung der Prosa in Verse zu höherem künstlerischen Werth zu erheben und, wie er (Bd. 24, S. 147) sich ausdrückt, aus ihnen die alte Spreu hinauszuschwingen versuchte, blieben seine Bemühungen ohne durchgreifenden Erfolg; zumal Kayser, dem er die Komposition anvertraute, nur ein sehr untergeordneter Musiker war.

Stella dagegen, im Februar und März 1775 gedichtet, wurzelt wieder ganz und gar in der Wertherstimmung.

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