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wie Wolken, fühlt, was Leben sei! der Baum wird zum Zelte, zum Teppich das Gras, und rohe Kastanien ein herrlicher Fraß!« Rohe Kastanien, unser die Welt!« Ja, vergleichen wir die Bruchstücke von »>Hannswurst's Hochzeit oder der Lauf der Welt« (Bd. 34, S. 311) mit den Andeutungen, welche in Wahrheit und Dichtung (Bd. 22, S. 333) und in Eckermann's Gesprächen (Bd. 2, S. 300) über den Plan und die beabsichtigte Ausführung enthalten sind, so ist leicht zu erkennen, daß dieses Stück besonders deshalb »ein mikrokosmisches Drama« genannt werden sollte, weil es in ihm auf eine allgemeine Parodirung der geltenden sittlichen und gesellschaftlichen Weltverhältnisse abgesehen war. Hannswurst schließt: »Euer fahles Wesen, schwankende Positur, Euer Trippeln, Krabbeln und Schneidernatur, Euer ewig lauschend Ohr, Euer Wunsch hinten und vorn zu glänzen, lernt freilich wie ein armes Rohr von jedem Winde Reverenzen; aber seht an meine Figur, wie harmonirt sie mit meiner Natur, meine Kleider mit meinen Sitten; ich bin aus dem Ganzen zugeschnitten.«<

Kinder augenblicklicher Einfälle und Launen lehnen diese kleinen Scherze und Schwånke jede strengere Kunstforderung von sich ab. Es sind keck hingeworfene dialogisirte Einzelscenen ohne eigentlich dramatische Handlung. Oft verliert sich wohl auch der Ausdruck allzu geflissentlich in's Rohe und Cynische; besonders Hannswurst's Hochzeit scheint sich nach Allem, was davon gemeldet wird, mehr als nöthig in knotigen und zotigen Hannswurstiaden gefallen zu haben. Aber wie derb und possen= haft ungezogen oft dieser Humor ist, immer ruht er auf dem kerngesunden und grundehrlichen Sinn für das Rechte und Große. Im ausgelassensten Muthwillen die unbestechliche Sicherheit fester und klarer Ziele.

Und nicht minder beachtenswerth als der Inhalt ist die Formeneigenthümlichkeit dieser kleinen Dichtungen.

Sie ist durchaus neu und eigenartig in ihrem Zurückgreifen

auf die alte Form der Fastnachtsspiele und auf die komische Hannswurstfigur der Volksbühne.

Man hört die Nachklånge Lessing's und Justus Möser's, wenn Goethe am 6. Mårz 1773 an den Uctuar Salzmann (vgl. Stöber: Der Actuar Salzmann, S. 55) schreibt: »>Unser Theater hat sich, seit Hannswurst verbannt ist, aus dem Gottschedianismus noch nicht losreißen können. Wir haben Sittlichkeit und lange Weile; denn an jeux d'esprit, die bei den Franzosen Zoten und Possen ersehen, haben wir keinen Sinn, unsere Societåt und unser Charakter bieten auch keine Modelle dazu, also enuyiren wir uns regelmäßig; und willkommen wird Jeder sein, der eine Munterkeit, eine Bewegung auf's Theater bringt.«

Wie Goethe damals in seinem entschlossenen Streben nach urwüchsiger Volksthümlichkeit es wagte, selbst in die erschütternd erhabene Tragik seiner Faustdichtung den Hanns-Sachsischen Ton einzuführen, so suchte er in diesen Fastnachtsspielen und Hannswurstiaden auch nach einer gleich volksthümlichen Wiedergeburt und Fortbildung des deutschen Lustspiels. Aus den Briefen Goethe's an Salzmann ist zu ersehen, wie warme Theilnahme Goethe zu derselben Zeit auch dem Versuch zuwendete, welchen Lenz machte, die Plautinischen Lustspiele für die deutsche Bühne wiederzugewinnen; in den alten Verlagskatalogen von Weygand werden diese verdeutschten Umbildungen immer als das gemeinsame Werk beider Freunde angekündigt.

Goethe ist auch noch in den ersten Weimarer Jahren einer folchen Wiedergeburt derber deutscher Volkskomik vielfach nachgegangen. Um so unbegreiflicher und bedauerlicher ist es, daß er sich niemals an denjenigen Dichter gewendet hat, der ihm für das Komische håtte werden können, was ihm Shakespeare für das Tragische war. Die künstlerische Fortbildung und Veredlung der deutschen komischen Volksbühne lag in Holberg.

Mahomet. Der ewige Jude. Prometheus.

Die religiösen Fragen, welche sich schon in den kleinen Fastnachtsspielen aufdrångten, rangen nach tieferer dichterischer Gestaltung. Zumal grade damals in Goethe sich die mächtigsten religiösen Wandlungen und Umbildungen vollzogen.

Freilich war Goethe der Anempfindung schönseligen Frommlerwesens, in welche sich seine klare und reine Natur durch die Macht äußerer Einwirkungen eine Zeitlang hatte verstricken lassen, mit erstarkter Bildung für immer entwachsen. Aber es bedurfte doch noch gar mancher Entwicklungen und Uebergånge, ehe er in seiner religiösen Richtung einen festen und bleibenden Abschluß fand. In Goethe's Dichtung sind diese Uebergånge scharf ausgeprägt. Die unausgeführten Entwürfe Mahomet's und des ewigen Juden einerseits und das Prometheusdrama andererseits, obgleich in ihrer Entstehungszeit wenig auseinanderliegend, ruhen doch auf durchaus verschiedener Anschauungsweise. Dort spricht der Rationalist des achtzehnten Jahrhunderts, der, wie sich Goethe in Wahrheit und Dichtung ausdrückt, von der Kirche abgetrennt, sich ein Christenthum zu seinem Privatgebrauch gebildet hat, hier der begeisterte und rückhaltslose Anhänger Spinoza's.

Nur wenn wir uns auf den Standpunkt des Rationalismus des achtzehnten Jahrhunderts stellen, verstehen wir die Stimmungen und Gedanken, aus welchen Mahomet und der ewige Jude hervorgingen. Je ausschließlicher der Rationalismus das Wesen der Religion nur in der sogenannten Vernunft- und Naturreligion fuchte und daher auch im Christenthum nur Das als christlich anerkennen wollte, was mit dieser sogenannten Vernunft- und Naturreligion übereinstimmte, um so unablåssiger mußten ihn die Fragen beschäftigen, wie die kirchlichen Lehren

und Einrichtungen entstanden seien, und wie es möglich gewesen, daß die vermeintliche Reinheit des Urchristenthums so schimpflich von sich abgefallen. Mahomet ist die dichterische Gestaltung der einen Frage, der ewige Jude die dichterische Gestaltung der anderen.

Goethe erzählt im vierzehnten Buch von Wahrheit und Dichtung, daß die Idee des Mahomet in ihm aufgetaucht sei, als er auf der gemeinsamen Rheinfahrt mit Lavater und Basedow bemerkte, wie arglos und unbefangen von diesen geistige, ja geistliche Mittel zur Erreichung irdischer Zwecke gemißbraucht wurden. Er habe, fährt Goethe fort, bei dieser Gelegenheit die Bemerkung gemacht, daß, indem der vorzügliche Mensch das Göttliche, was in ihm sei, auch außer sich verbreiten wolle, er dasselbe im Zusammenstoß mit der rohen Welt unvermeidlich zugleich veräußerliche und dem Schicksal der Vergånglichkeit preisgebe. »Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, drångt immer fremd und fremder Stoff sich an.« Doch ist diese Erzählung irrthümlich. Der Entwurf des Mahomet stammt unzweifelhaft aus dem Jahr 1773, denn das hierhergehörige Gedicht, welches jetzt in der Gedichtsammlung »Mahomet's Gefang genannt ist, ist schon in Boie's Musenalmanach von 1774 enthalten; die Rheinfahrt mit Lavater und Basedow fållt aber erst in den Sommer von 1774. Die Idee des Mahomet ist vielmehr der dichterische Nachklang jener Ansicht, welche Goethe bereits in seiner Straßburger Doctordissertation dargelegt, daß alle öffentlichen Religionen durch Heerführer, Könige und måchtige Månner eingeführt worden, und daß dieser Saß auch von dem Christenthum gelte.

Laut Goethe's Bericht in Wahrheit und Dichtung war der Gang des beabsichtigten Dramas folgender: Erster Act: Erhebung Mahomet's aus dem Sternendienst zum reinen Monotheismus. Ausbreitung dieser Gefühle und Gesinnungen unter

den Seinigen. Zweiter Act: Ausbreitung im Stamm. Beistimmung und Widerseßlichkeit. Der Streit wird gewaltsam, Mahomet muß entfliehn. Dritter Act: Bezwingung der Gegner. Die Religion wird öffentlich, die Kaaba wird von Göhenbildern gereinigt. Weil aber nicht Alles durch Kraft zu thun ist, Zuflucht zur List. Trübung des Göttlichen durch irdischen Zusatz. Vierter Act: Eroberungen. Die Lehre wird mehr Vorwand als Zweck. Grausamkeiten. Eine Frau, deren Mann Mahomet hat hinrichten lassen, vergiftet ihn. Fünfter Act: Im Sterben Wiederkehr zu sich selbst, Reinigung der Lehre, Befestigung des Reichs.

Um sich die orientalische Fårbung eigen zu machen, hatte Goethe aus einer lateinischen Uebersetzung einzelne Stücke des Koran übersetzt.

Es war auf ein Drama hohen Stils abgesehen, obgleich die Prosa noch nicht völlig verbannt war. Zwei Bruchstücke sind erhalten, voll des erhabensten lyrischen Schwunges. Das eine, »Mahomet's Gesang,« ursprünglich als Wechselgesang zwischen Ali und Fatima gedacht. Es ist ein Preislied auf Mahomet. Unter dem Bilde eines zum mächtigen Strom anwachsenden Felsenquells verherrlicht es den gotterfüllten Genius, der zum Licht und Leitstern ganzer Völker wird. Das andere Bruchstück ist der das Drama eröffnende Monolog Mahomet's, welchen Goethe, als er Wahrheit und Dichtung schrieb, verloren meinte, welcher sich aber nachher in Goethe's eigener Handschrift wieder auffand und von A. Schöll (Briefe und Aufsåße, S. 151) herausgegeben wurde. Er lautet:

Mahomet; allein. ·

Feld. Gestirnter Himmel.

Theilen kann ich euch nicht dieser Seele Gefühl.
Fühlen kann ich euch nicht allen ganzes Gefühl.

Wer, wer wendet dem Flehn sein Ohr?
Dem bittenden Auge den Blick?

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