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chen, dessen einziger Raum sein Wohn-, Arbeits- und Empfangszimmer und Schlafgemach zugleich war. Und auch Goethe ist es am wohlsten in seinem engen unscheinbaren Gartenhåuschen an den schönen Wiesen der Ilm, das er sechs Jahre lang Sommer und Winter bewohnte. Was ist es für ein entzückendes Bild reinster einfachster Menschlichkeit und ureigenster deutscher Gemüthstiefe, wenn er kurz nach seinem Einzug in dieses Häuschen im Mai 1776 an Auguste von Stolberg schreibt: »Den ganzen Nachmittag war die Herzogin Mutter da und der Prinz und waren guten lieben Humors, und ich habe denn so herumgehausvatert, wie Alles weg war, ein Stück kalten Braten gegessen, und mit meinem Diener Philipp von seiner und meiner Welt geschwäßt, war ruhig und bin's und hoffe gut zu schlafen zu holdem Erwachen.« Aehnlich ein Lied aus dem Sommer 1777 an Frau von Stein: »Und ich geh meinen alten Gang, meine liebe Wiese lang, tauche mich in die Sonne früh, bad ab im Monde des Tages Müh, leb' in Liebes- Klarheit und Kraft, thut mir wohl des Herren Nachbarschaft, der in Liebes- Dumpfheit und Kraft hinlebt, und sich durch seltenes Wesen webt.«

Bald rief der Herzog seinen Freund auf zur Theilnahme an den öffentlichen Geschäften. Es geschah nicht ohne Schwierigkeiten. Nicht nur der Hofadel grollte, sondern auch die Beamtenwelt.

Das auf urkundliche Aufzeichnungen gestüßte Buch von C. v. Beaulieu-Marconnay »Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch. 1874. S. 140 ff.« bezeugt, daß es besonders der Minister von Fritsch war, welcher sich Goethe's amtlicher Anstellung sehr entschieden entgegenstellte; er drohte sogar mit einem Entlassungsgesuch. Und wer kann es dem geschulten und gewissenhaften Beamten, der seit langen Jahren an der Spike der gesammten Verwaltung stand, verübeln, daß er Bedenken trug, einen jungen Mann, der sehr entfernt von bú

reaukratischer Gemessenheit war und der kein anderes Unrecht hatte als der persönliche Freund des Herzogs zu sein, mit der wichtigen Stellung eines Mitgliedes der höchsten Behörde betraut zu sehen? Aber der Herzog blieb unbeugsam. Am 10. Mai 1776 erließ er an den Minister die hochherzige Erklärung: »Wåre der Dr. Goethe ein Mann eines zweideutigen Charakters, würde ein Jeder Ihren Entschluß billigen, Goethe aber ist rechtschaffen, von einem außerordentlich guten und fühlbaren Herzen; nicht allein ich, sondern einsichtsvolle Månner wünschen mir Glück, diesen Mann zu besißen. Sein Kopf, fein Genie ist bekannt. Sie werden selbst einsehen, daß ein Mann wie dieser nicht würde die langweilige und mechanische Arbeit, in einem Landescollegio von unten auf zu dienen, aushalten. Einen Mann von Genie nicht an dem Orte zu gebrauchen, wo er seine außerordentlichen Gaben gebrauchen kann, heißt ihn mißbrauchen. Was aber den Einwand betrifft, daß durch den Eintritt viele verdiente Leute sich für zurückgesezt erachten würden, so kenne ich erstens Niemand in meiner Dienerschaft, der meines Wissens darauf hoffte, und zweitens werde ich nie einen Plah, welcher in so genauer Verbindung mit mir, mit dem Wohl und Wehe meiner Unterthanen steht, nach Anciennitåt, sondern nach Vertrauen vergeben. Was das Urtheil der Welt betrifft, welche mißbilligen würde, daß ich den Dr. Goethe in mein wichtigstes Collegium feße, ohne daß er zus vor weder Amtmann, Professor, Kammerrath oder Regierungsrath war, dieses verändert gar nichts. Die Welt urtheilt nach Vorurtheilen; ich aber und Jeder, der seine Pflicht thun will, arbeitet nicht, um Ruhm zu erlangen, sondern um sich vor Gott und seinem eigenen Gewissen rechtfertigen zu können und sucht auch ohne den Beifall der Welt zu handeln«. Die Vermittlung der Herzogin-Mutter vermochte den Minister umzustimmen. Das Decret, welches Goethe unter dem Titel eines Geheimen Lega= tionsrathes Siz und Stimme »im geheimen Consilio« gab, ist

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vom 11. Juni 1776; am 25. Juni wurde Goethe durch den Herzog selbst in sein Amt eingeführt. Es ist ein schönes Zeugniß für Goethe, daß er sich durch seinen reinen Willen, durch uneigennütiges Streben und durch tüchtige Leistungen bald Uchtung und Anerkennung zu erzwingen wußte, obgleich Fritsch eine rauhe Natur und, wie Goethe in seinen Tagebüchern sagt, oft fatalen Hus mors war. Am 3. September 1779 erfolgte die Ernen= nung Goethe's zum Geheimenrath.

Das nahe Verhältniß zum Herzog gab Goethe den wichtigsten Einfluß auch in den Geschäften. Und Goethe war sich der schweren Verantwortlichkeit, welche ihm die bedeutende Stellung auferlegte, voll bewußt. Man sieht sein inneres Zagen, wenn er um diese Zeit an Lavater schreibt, daß er nun ganz auf der Woge der Welt schiffe; treu ent= schlossen, zu entdecken, zu gewinnen, zu streiten, zu scheitern oder auch mit aller Ladung sich in die Luft zu sprengen. Aber war es dem großen Menschen, der mit Recht von sich sagen konnte, daß er auch im geringsten Dorf und auf einer wüsten Insel von der unverbrüchlichsten Betriebsamkeit sein würde, weil ihn das Bedürfniß seiner Natur zu vermannichfaltigter Thätigkeit zwinge, zu verargen, wenn er seine reinen und hohen Menschheitsideale auch werkthåtig in Leben und Wirklichkeit zu übertragen strebte? Volle zehn Jahre hat Goethe die Regierungsgeschäfte mit der gewissenhaftesten Pflichttreue und hingebendsten Liebe geführt. »Mir möchten manchmal die Kniee zusammenbrechen«, schreibt er am 30. Juni 1780 an Frau von Stein, »so schwer wird das Kreuz, das man fast ganz allein trägt, wenn ich nicht wieder den Leichtsinn håtte und die Ueberzeugung, daß Glauben und Harren Alles überwindet.«< Goethe war weit entfernt, in unzeitiger Großmannssucht als kleinstaatlicher Minister großstaatliche Politik

treiben zu wollen; ja aus seinen Briefen an Frau von Stein und an Knebel geht deutlich hervor, daß, als Karl August in den Jahren 1783-86 der Sache des unter Preußens Führung zu errichtenden Fürstenbundes die wärmste Theilnahme und den eingreifendsten Eifer zuwendete, Goethe diese Politik seines jungen fürstlichen Herrn mit entschieden ungünstigem Auge betrachtete. Er wollte nicht, daß sich der Herzog zersplittere und den Schwerpunkt seines Daseins anderswo suche als in seinem eigenen Lande. Goethe's Augenmerk ging hauptsächlich auf die Ordnung und Hebung der wirthschaftlichen Verhältnisse, zumal er 1781 auch die Leitung des Finanzwesens übernommen hatte. Die Wege- und Wasserbauten, die Domånenverwaltung, das Ilmenauer Bergwerk, waren seine unablässige Sorge; überall suchte er mit eigenen Augen zu sehen, weil er die Ueberzeugung hatte, daß die Dinge unter der hergebrachten büreaukratischen Schablone meist falsch beurtheilt würden und daß man, wie er in einem Brief an Knebel (Briefwechsel. Bd. 1, S. 13) schreibt, um etwas zu nüßen, sich gar nicht genug im menschlichen Gesichtskreis halten könne. Im Bild Lothario's im Wilhelm Meister finden wir viele jener Ueberzeugungen und Gesinnungen wieder, welche Goethe als Kammerpråsident gewann und zur Ausführung zu bringen strebte; Mißbilligung aller Privilegien, die dem Lande den Segen entziehen, Hinüberführung der alten feudalen Ueberlieferungen und Zustånde in naturgemåße Freiheit und Gleichberechtigung, Erleichterung der Bauern und der gedrückten Volksklassen, die, wie er einmal so schön sagt, man die niederen nennt, die aber gewiß vor Gott die höchsten sind. Und angesichts so großartiger Thatsachen wagt man noch den albernen Sah zu wiederholen, Goethe sei ein herzloser Höfling gewesen? Grade in dieser Zeit sind Goethe's vertraute Briefe voll der erbittertsten Ausfälle gegen das gewöhnliche Fürsten- und Hoftreiben. Am 17. April 1782 schreibt Goethe an Knebel:

»So steige ich durch alle Stände aufwärts, sehe den Bauersmann der Erde das Nothdürftige abfordern, das doch auch ein behaglich Auskommen wäre, wenn er nur für sich schwitte; Du weißt aber, wenn die Blattlåuse auf den Rosenzweigen sitzen und sich hübsch dick und grún gesogen haben, dann kommen die Ameisen und saugen ihnen den filtrirten Saft aus den Leibern, und so geht's weiter, und wir haben's so weit gebracht, daß oben immer in einem Tage mehr verzehrt wird als unten in einem beigebracht werden kann.« Und ähnlich am 20. Juni 1784 an Herder (Aus Herder's Nachlaß. Bd. 1, S. 79): »Uebri gens ist in den Geschäften keine Freude zu pflücken; das arme Volk muß immer den Sack tragen, und es ist ziemlich einerlei, ob er ihm auf der rechten oder linken Seite zu schwer wird.« Es war nur der Wiederklang des allgemeinen öffentlichen Urtheils, wenn Schiller kurz nach seinem ersten Eintritt in Weimar am 12. August 1787 an Körner (Bd. 1, S. 136) berichtete, Goethe werde in Weimar von sehr vielen Menschen mit einer Art von Anbetung genannt und mehr noch als Mensch denn als Schriftsteller geliebt und bewundert; Schiller fügt hinzu, namentlich auch Herder wolle ihn eben so sehr und noch mehr als Geschäftsmann denn als Dichter bewundert wissen; er sei, was er sei, ganz, und er könne, wie Julius Cåsar, vieles zugleich sein.

Aber Goethe mußte erleben, daß ihm hier Hindernisse entgegentraten, von einer Seite, von welcher er sie am wenigsten erwartete. So edel und groß angelegt des Herzogs Natur war und so herzlich und sorglich Goethe über ihn wachte, er war doch zu leidenschaftlich unruhig und zu selbstherrlich eigenwillig, als daß er Goethe's Absichten und Plåne, die nur bei zåhster Ausdauer und Folgerichtigkeit gedeihen konnten, nicht oft durchkreuzt und vereitelt hätte. Es ist ein sehr verständlicher Stoßseufzer, wenn Goethe am 21. November 1781 an Knebel schreibt,

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