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Fünftes Kapitel.

Maler Müller.

Friedrich Müller, in der deutschen Literaturgeschichte gewöhnlich der Maler Müller genannt, ist unter den Dichtern der Sturmund Drangperiode einer der bedeutendsten.

An Poesie der Empfindung und an Kraft der Gestaltung überragt er Lenz und Klinger weit. Er war auf einen großen und ächten Dichter angelegt. Aber er kam nicht zur vollen Reife. Seine Jugenderziehung war nur sehr unzulänglich ge= wesen; die äußeren Umstånde hatten ihn zur Malerei geführt, seine Kräfte wurden zertheilt und zersplittert; in falscher Geniesucht glaubte er der ernsten Arbeit und Sammlung entbehren zu können; der dauernde Aufenthalt in Rom, wohin er sich frühzeitig gewendet hatte, entfremdete ihn allem lebendigen Literaturverkehr.

Ein

Johann Friedrich Müller wurde am 13. Januar 1749 zu Kreuznach geboren, als Sohn eines Båckers, der bei seinem frühen Tode seine zahlreiche Familie in Dürftigkeit zurückließ. tråumerischer Hang zur Natur und die Lust an den alten deutschen Volksbüchern machte sich früh in dem Knaben bemerkbar. Kaum der Schule entwachsen, wurde er im Jahr 1766 oder 1767 nach Zweibrücken gebracht, in den Unterricht des dortigen Hofmalers Conrad Manlich. In Zweibrücken sind seine Idyllen und seine Lieder und Balladen entstanden. Zu Anfang des Jahres 1775 ging Müller nach Mannheim. Als Maler wurde er hier besonders von den Niederländern angezogen; tiefer aber griff seine dichterische Entwicklung. Mit Dalberg, Gemmingen und dem Buchhändler Schwan stand er in nächster Verbindung, von Darmstadt aus wirkte die Anregung Merck's; und ebenso sind persön

liche Berührungen mit Goethe, Lenz, Klinger, H. L. Wagner, Frik Jacobi und Kaufmann nachweisbar. Shakespeare und die Stimmungen und Ziele der Sturm- und Drangperiode traten in seine Seele; es erwachte der Muth und der Antrieb dramatischen Schaffens. Auch an Lessing, als dieser im Anfang des Jahres 1777 in Sachen des neu errichteten Nationaltheaters einige Wochen in Mannheim verweilte, schloß sich Müller auf's innigste. Müller erzählt in einem Briefe (Morgenblatt 1820. Nr. 48), Lessing habe mehrfach den Wunsch ausgesprochen, die lehte Epoche seines Lebens vercint mit ihm, am liebsten in Italien, beschließen zu können.

Die ersten Dichtungen, mit welchen Müller auftrat, die Idyllen, zerfallen in drei Gruppen; in biblische, mythologische, volksthümlich deutsche.

In den biblischen Idyllen sieht man noch die Schule Geßner's und Klopstock's; aber an farbiger Lebensfülle sind sie ihren Mustern weit überlegen. Besonders die Idylle »Adam's erstes Erwachen und erste selige Nächte« ergreift durch ihre schwellende Kraft und durch die Zartheit und Feierlichkeit ihres Naturgefühls, zumal die Schilderungen der Thierwelt sind mit åcht plastischem Auge gefühlt und gezeichnet.

Eigenthümlicher und in ihrer Art von hoher Vollendung sind die mythologischen Idyllen. Sie bewegen sich ausschließlich im mythischen Kreise der griechischen Satyrn, die schon der Komik der Alten den ergiebigsten Stoff boten; aber aus der alten Satyrmaske lugt zugleich überall das wohlbekannte Gesicht Fallstaff's. Der Held der ersten Idylle »Der Satyr Mopsus« ist der Polyphem Theokrits; aber in der naiven Darlegung seiner wechselnden Seelenstimmungen individueller, freilich auch Wielandisch lüsterner. Die zweite Idylle »Der Faun« ergöht durch das burleske Gemisch rein menschlicher gemüthsinniger Rührung und halb thierischer Rohheit. Und die dritte Idylle » Bacchidon und Milon«, obgleich etwas zu breit ausgeführt, ist eine der genialsten Humoresken, welche die deutsche Literatur aufzu= weisen hat. An seiner epheuumwachsenen Grotte saß der Knabe Milon

Hettner, Literaturgeschichte. III. 8. 1.

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entzückt, ihm war ein treffliches Lied auf den Weingott Bacchus gelungen; das gefiel ihm selbst so wohl, daß er, es, weil Niemand zugegen war, der es hören wollte, dreimal seinen Ziegen vorsang. Eben kam der Satyr Bacchidon auf seine Höhle zu; fröhlich nöthigt ihn der Hirt herbei; doch der Satyr will nicht weilen. Der junge Hirt muß sich entschließen, einen mit frischem Most weidlich gefüllten Schlauch zu öffnen. Und nun beginnt der drolligste Kampf zwischen der unersåttlichen Trinklust des Satyrs, der in weinseliger Geschwäßigkeit immer neue Gründe zum Trinken vorbringt, und zwischen der unwiderstehlichen Singlust des lobbegierigen Hirten, der mit seinem Lied nicht zu Wort kommen kann. Nur durch angedrohte Stockschläge ist der Satyr zum Schweigen zu bewegen. Aber auch jetzt noch unterbricht er den Gesang unablåssig durch Schwaßen und Trinken, bis endlich der Gesang beendet ist und der Satyr mit einer parodischen Elegie auf den leeren Schlauch von dannen wankt, um am Ufer seinen Rausch auszuschlafen.

Geschichtlich am wichtigsten ist die dritte Gruppe der Idyllen, die volksthümlich deutsche. In ihr kommen am offensten die dichterischen Stimmungen und Richtungen der Sturm- und Drangperiode zum Ausdruck. Die eine dieser Idyllen »Die Schaafschur« hat sogar den ganz bestimmten Zweck, das Recht und die Nothwendigkeit der Rückkehr zu åchter Volksthümlichkeit in der Dichtung gegen die Regeln und Herkömmlichkeiten der sogenannten Gelehrtendichtung in scharfen Gegensatz zu stellen. Die Dichtung soll hübsch natürlich sein; sie soll sagen, wie sich der Mensch um's Herz fühlt. Daher einerseits in diesen deuts schen Idyllen, in der »Schaafschur« und im »Nußkernen« das volle Hineingreifen in die unmittelbarste Gegenwart und Lebenswirklichkeit, das im bewußten Gegensatz zu Geßner steht und sich daher oft um so genialer dünkt, je hausbacken naturalistischer es ist. Und daher andererseits in »Ulrich von Coßheim« die bes

geisterte Wiederbelebung der alten heimischen Sagenwelt. Namentlich nach dieser Seite hin hat Müller auf die Dichter der roman= tischen Schule mächtig eingewirkt.

Und Müller's Lyrik verdient das Lob ähnlicher Trefflichkeit. Zuweilen allerdings stören auch hier noch einige Klänge, welche an das Getåndel der jüngst vergangenen Anakreontik erinnern; aber bald bricht die warme Sprache des Herzens durch, mit dem füßen Naturlaut reiner Empfindung. Das Eigenste dieser Lyrik ist am Mark des deutschen Volksliedes groß geworden. Lieder und Balladen, wie der »Chron der Liebe« und »Der Pfalzgraf Friedrich« in der Idylle von der Schaaffchur, und »Das braune Fråulein«, »Soldatenabschied«, »Dithyrambe«, „Frühling«, »Der schöne Tag«, ›Jågerlied«, welche um dieselbe Zeit, theils als kleine selbständige Sammlung, theils in Almanachen und Zeitschriften erschienen und jest in der verdienstlichen Zusammenstellung des Grafen York (Jena. 1873) in bequemer, wenn auch nicht vollständiger Uebersicht vorliegen, sind in der Sturm- und Drangperiode so schlicht und herzlich und so poetisch liedmaßig nur von Goethe und Bürger gesungen worden.

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Am bekanntesten ist Müller als Dramatiker.

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Zwei Trauerspiele Müller's, »Rina« und »Kaiser Heinrich der Vierte«, sind verloren. Nina wird in Friedrich Schlegel's Deutschem Museum (1813. Bd. 4. S. 252 ff.) ein Stück aus der gothischen Geschichte genannt und, wie man vermuthen dürfe, auch ächt gothisch im Stil«. Von Kaiser Heinrich dem Vierten, einem Trauerspiel in fünf Aufzügen, das fast ganz vollendet war, finden sich einzelne Bruchstücke unter Müller's Papieren, die aus Tieck's Nachlaß in die Bibliothek zu Berlin gelangt sind. Seit 1776 war Müller mit der Dramatisirung des » Faust« beschäftigt. 1778 erschien »Niobe«. In dieselbe Zeit fallen auch die Anfänge von »Golo und Genoveva«. Durch die Thatsache, daß Müller im Faust mit Goethe, in der Genoveva mit Tieck zusammentraf, ist es gekommen, daß

sich im Gedächtniß der Nachwelt der Name Müller's fast einzig an diese Dichtungen knüpft.

Schöpfungen von Kraft und Genialitåt. Namentlich in der Genoveva bekundet sich eine reiche und ächte Dichternatur. Nichtsdestoweniger treten, rein künstlerisch betrachtet, grade in diesen Dramen die Schwächen Müller's am offensten zu Tage. Der Mangel tieferer Bildung råcht sich. Der dramatische Dichter bedarf nicht blos einer reichen schöpferischen Phantasie; er bedarf auch einer bedeutenden Gedankentiefe und eines durchgebildeten Kunstverstandes, ohne dessen Obhut die unerläßlichen Bedingungen dramatischer Komposition, sichere Führung und Ausgestaltung der Motive, feste und klare Beherrschung der Massen, natürliche und in sich folgerichtige Verkettung und Steigerung der Handlung, schlechterdings unerfüllbar sind. Alle diese Dramen sind nur lose aneinandergereihte dramatische Scenen. Unmittelbar neben Gedanken und Motiven von ergreifender Tiefe und Poesie das Niedrigste und Banalste. Wo wir hinabsteigen sollen in die Schrecken der Leidenschaft, auch hier oft nur jenes wahnwißige wuthstammelnde aufgedunsene Getobe, wie es so eben durch Klinger in Umlauf gekommen. Statt lebensvoll individualisirter Naturwahrheit auch hier oft die rohste Schaustellung gemeinster Wirklichkeit, abstoßende Renommisterei mit Cynismen. Genialitåt; aber unfertige, wild gåhrende. Man wird an Grabbe und an die Jugenddramen Hebbel's erinnert.

In Faust und Niobe das ringende Titanenthum.

Obgleich es Müller leugnet, so ist es doch wahrscheinlich, daß Müller von dem Vorhaben Goethe's, einen Faust zu dichten, Kunde hatte, als er den Plan seiner Faustdichtung faßte. Man hat den Eindruck, als sei das Motiv ein blos anempfundenes, nicht ein aus dem eigensten Herzen des Dichters selbst stammendes. Der Dichter weiß nicht, welch wunderbaren Stoff er unter der Hand hat. Es überkömmt uns etwas von jener tiefen Tragik des Menschengeistes, welche die Grundidee des Goethe'schen Faust ist, wenn Müller in der

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