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könnte ich eine solche Stiftung nicht ausführen? War es den Lykurgen und Solonen möglich, eine Republik zu schaffen, warum nicht mir, eine Republik für die Jugend? Ihr Zwinglis, Calvins, Dekolampadius, wer begeisterte Euch und wer soll mich begeistern? Zweck, großer Zweck, nimm alle meine Kräfte und Begierden! Ich gehe durch die Welt; was habe ich in ihr, wenn ich mich nicht unsterblich mache? «

Und aus dieser lebendigen Rousseaubegeisterung Herder's erwuchsen auch alle jene gewaltigen Ideen zur Umgestaltung und Verjüngung der Wissenschaft und Dichtung, welche seine eigensten und bleibendsten Thaten geworden sind. Das Große in Herder ist, daß er vom ersten Anbeginn den Anregungen Rousseau's eine durchaus neue und selbständige Wendung gab, wie sie Rousseau selbst niemals geahnt und versucht hatte. Während Rousseau aus seiner Grundanschauung nur die auf Staat und Gesellschaft bezüglichen Folgerungen zog, diese aber mit seltener Unerschrockenheit bis in ihre kühnsten Spißen verfolgte, verharrte Herder da gegen in åcht deutscher Art mit der ausgesprochensten Vorliebe im stillen Bereich innerer Beschaulichkeit, und führte mit bewunderungswürdigster Schöpferkraft die Ideen Rousseau's in die Betrachtung und Erforschung des innersten Wesens der Poesie, Religion und Geschichte. Es eröffnet einen tiefbedeutsamen Blick in die Bildungswege und Gedankenentwicklungen Herder's, wenn er in jenem Tagebuche (S. 185) trok seiner innigen Verehrung für Rousseau es eine thörichte Ausschweifung der Phantasie nennt, sich an eitle Romanbilder wegzuwerfen und mit Rousseau Zeiten zu preisen, die niemals gewesen. In Herder's schöpferischem, feinsinnigem und leicht beweglichem Geist wandelt sich Rousseau's Ruf nach Natur und Ursprünglichkeit sogleich in das rastlose kräftige Streben, den Ursprüngen menschlichen Daseins und Schaffens zu lauschen und die höchste Bildung wieder zu diesen lauteren Quellen schlichter Einfalt und Lebensfrische zurückzulenken

Wie Rousseau in seiner Stellung zu Voltaire und den französischen Encyklopädisten, ist daher auch Herder in seiner Stellung zu Lessing und den Helden des deutschen Aufklärungszeitalters zugleich ein Fortschritt und ein Rückschritt. Wie Rousseau, so erschließt auch Herder den erstaunten Zeitgenossen ungekannte Tiefen und Geheimnisse der Empfindung und Anschauung. Und wie in Rousseau ist auch in Herder seine Größe zugleich seine Schwäche. Im schwankenden Dämmerungston erregter Gefühlsinnerlichkeit, im schillernden Nebelkleide geistvoller, aber eigensinniger Geniesucht verschwimmen und schwinden nicht selten wieder die klaren Begriffsbestimmungen, welche von den großen Vorgångern långst unumstößlich festgestellt waren. Besonders von seinen Jugendschriften gilt, was Herder einmal selbst sagt, daß die Jugend lieber empfinden als wissen wolle. In seinen spåteren Schriften werden die Umrisse zwar fester und schärfer, aber auch in ihnen überwächst doch noch oft die Empfindung den Gedanken, die Ueberschwenglichkeit der Begeisterung die Ruhe der Untersuchung. Wie Plato's Philosophiren oft durch die Mythe, wird Herder's Dialektik oft durch Allegorie und Dichtung unterbrochen. Herder hatte das Bedürfniß, sich nach allen Seiten auszubreiten; aber er hatte nie das Bedürfniß, eine Sache endgiltig abzuschließen.

Herder's eigentliche Urthat, die treibende Kraft und Lebensseele seines gesammten Empfindens und Denkens, war seine geniale Einsicht in Wesen und Ursprung der Volkspoesie, wie sie in dieser Tiefe und Lebendigkeit noch Niemand erschaut und erkannt hatte.

Zwar war schon Leffing von der naiven Naturfrische der alten Volkslieder auf's tiefste ergriffen, und wir wissen, wie scharf er Nicolai abfertigte, als dieser die Lust an Volksliedern plump verhöhnte; zwar lenkten eben jetzt auch Gerstenberg und Klopstock die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Edda; zwar war namentlich durch die Engländer, durch Lowth's Untersuchungen

über die hebräische Dichtung, durch Young's Gedanken über Originalwerke, durch Dodd's Schönheiten Shakespeare's, durch Wood's Betrachtungen über Homer, durch Macpherson's Ossian und Percy's Sammlung alter Balladen die Unterscheidung zwischen Kunstdichtung und Volksdichtung lebendig geweckt worden. Herder jedoch, mit seiner tief innigen dichterischen Feinfühligkeit und mit seinem durch Rousseau geschärften Sinn für das Elementare und Naturwüchsige, war der Erste, welcher den Begriff der Volkspoesie zur vollen Geltung erhob und die Poesie als die naturnothwendige Muttersprache des menschlichen Geistes, als den Keim und Kern aller Religion, Philosophie und Geschichte erfaßte.

Diese tiefe Erkenntniß, daß, wie Goethe sich im zehnten Buch von Wahrheit und Dichtung treffend ausdrückt, die Poesie nicht das Privaterbtheil einiger weniger Gebildeter, sondern vielmehr eine allgemeine Welt- und Völkergabe sei, hat Herder immer und immer wieder und in den verschiedensten Wendungen ausgesprochen. Am klarsten und vollständigsten in dem 1768 geschriebenen Fragment: »Von Entstehung und Fortpflanzung der ersten Religionsbegriffe.« Die denkwürdige Stelle (Lebensbild, Bd. 1, 3, a. S. 390) lautet: »Der Denkart der Nationen bin ich nachgeschlichen, und, was ich ohne System und Grübelei herausgebracht, ist, daß jede sich Urkunden bildete nach der Religion ihres Landes, nach der Tradition ihrer Våter und nach den Begriffen der Nation, daß diese Urkunden in einer dichte= rischen Sprache, in dichterischen Einkleidungen und in dichterischem Rhythmus erschienen: also mythologische Nationalgesånge vom Ursprung ihrer åltesten Merkwürdigkeiten. Und solche Gesånge hat jede Nation des Alterthums gehabt, die sich ohne fremde Beihülfe auf dem Pfad ihrer eigenen Kultur nur etwas über die Barbarei hinaufgebildet. Wo nur Reste oder Nachrichten sind, da sind auch die Ruinen solcher Urkunden; die Edda

der Celten, die Kosmogenieen oder Theogonieen und Heldengesånge der åltesten Griechen, die Nachrichten von Indianern, Spaniern, Galliern, Deutschen und von Allem, was Barbar hieß, Alles ist Eine gesammte Stimme, ein einziger Laut von solchen poetischen Urkunden voriger Zeiten. Wer Ifelin's Geschichte der Menschheit in einem so merkwürdigen Zeitpunkt beleben wollte, der bringe alle diese Nationalsagen und mythische Einkleidungen und Fragmente von Urkunden in die nackte dürftige menschliche Seele zurück, die sie auf solchem Wege zu bilden anfing, und mit allgemeinen Aussichten über Völker und Zeiten sammle er so aus der Barbarei einen Geist urkundlicher Tra= ditionen und mythologischer Gesänge, wie Montesquieu einen Geist der Gesetze sammelte. Dort wenigstens sind überall redende Züge zum Bilde des menschlichen Geistes und Herzens, wie wir sie in unserm gebildeten und verkünftelten Zeitalter nicht finden. Alles, was wir vom Menschen in unseren verfeinerten Zeiten nur in schwachen dunklen Zügen sehen, lebt in den Urkunden dieses Weltalters.« An einer andern Stelle, in der Abhandlung über Offian (3ur schönen Literatur und Kunst, Bd. 7. S. 63), nennt Herder die Poesie der Naturvölker das Archiv des Volkslebens, den Schaß ihrer Wissenschaft und Religion, ihrer Theogonie und Kosmogenie, der Thaten ihrer Våter und der Begebenheiten ihrer Geschichte, den Abdruck ihres Herzens, das Bild ihres häuslichen Lebens.

Namentlich Herder's Jugendthätigkeit wurzelt einzig in diesem hohen Grundbegriff. Sie ist die Durchführung desselben in seiner ganzen Tragweite; nicht blos für die Betrachtung der Dichtung und Kunst, sondern ebenso sehr für die Betrachtung der Sprache, der Religion und der Geschichte.

Grade die erste Epoche Herder's ist daher die unbedingt reichste und geschichtlich wirksamste. Die Briefe und Lebensnachrichten Herder's bekunden unzweifelhaft, daß auch alle seine

spåteren Werke, welche geschichtliche Bedeutung gewonnen haben, bereits in diesen ernststrebenden kräftigen Jugendjahren wurzeln. Diese erste Epoche erstreckt sich bis zum Jahr 1778.

Herder's Lebensverhältnisse waren in dieser Zeit bunt und bewegt. Nachdem er Riga verlassen, hatte er långere Zeit in Nantes und Paris verweilt. Darauf war er über die Niederlande, Hamburg und Kiel nach Eutin gegangen und von dort als Erzieher und Reiseprediger des Prinzen von Holstein-Eutin über Süddeutschland nach Straßburg; Goethe hat in Wahrheit und Dichtung sein Straßburger Zusammenleben mit Herder lebendig geschildert. Von 1771 bis 1776 war Herder Hofprediger in Bückeburg. Im Sommer 1776 wurde er auf Goethe's Anlaß Generalsuperintendent in Weimar. Aber in seinem inneren Leben und Streben blieb Herder von diesem bunten Wechsel unberührt.

Um unmittelbarsten und nachhaltigsten wirkte die neue Anschauung Herder's auf die geschichtliche und kritische Betrachtung der Dichtung selbst.

Erst jest war die Einsicht möglich geworden, daß die Geschichte der Dichtung nicht blos eine äußerliche Erzählung und Aufzählung der Dichter und ihrer Lebensumstände und Werke sei, sondern die wissenschaftliche Darlegung des engen Zusammenhanges der Dichtung mit den durch Volksglauben und Volksthum bedingten allgemeinen Bildungsverhältnissen, die Ableitung der Literatur aus ihren bindenden weltgeschichtlichen Grundlagen, aus dem Geist und der Empfindung ihres Volks, der Zeit und des Landes. Schon früh war Herder diese geschichtliche Seite klar ins Bewußtsein getreten. Deutliches Zeugniß giebt die bereits 1766 und 1767 in Königsberg und Riga geschriebene »Abhandlung über die Ode« oder, wie Herder mit Recht hätte sagen können, die Abhandlung über die Lyrik; sie ist Bruchstück geblieben und darum erst in Herder's Lebensbild (Bd. 1, 3, a.

Hettner, Literaturgeschichte. III. 3. 1.

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