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daß er um diese Zeit mit Hölty eine Fußwanderung nach Italien und Sicilien verabredete, um, wie er sich ausdrückt, die einfältigen Sitten des Alterthums in Gegenden der freiwirkenden Natur zu erforschen. In abgelegenen Weilern wollten sie sich auf einige Zeit niederlassen, mit den Berghirten Apuliens und des Aetna umherstreifen. Dort, meinten sie, werde der Geist Homer's, Hesiod's und Theokrit's vernehmlicher zu ihnen sprechen und ihnen Manches beantworten, was einem hier nicht einmal zu fragen einfalle.

Zunächst war es besonders die realistische Seite, die treue Natürlichkeit, die feste Localfarbe, welche Voß an Theokrit bewunderte und sich zur Nachahmung vorseßte. Läßt sich doch Voß in jenem Briefe an Brückner als ein åchter Jünger der Sturm- und Drangperiode sogar zu der grade bei ihm schwer zu begreifenden Aeußerung fortreißen, schöner Natur bedürfe es nicht, der Schotte Ossian sei ein größerer Dichter als der Jonier Homer. Doch wirkte Theokrit nicht minder auf seine Form. Voß war ein zu begeisterter Verehrer Klopstock's und ein zu feinsinniger Schüler und Kenner der Alten, als daß er es über sich vermocht hätte, außer im singbaren Liede, auf die ideale Hoheit antikisirender Formbehandlung zu verzichten.

Die That entsprach nicht dem Wollen. Zu den ersten Idyllen, welche Voß in Göttingen dichtete, gehören »Die Leibeigenen« und »Die Freigelassenen«. Sie werden fast erdrückt von der Schwere lehrhafter Absichtlichkeit. Voß setzte seinen Stolz dar= ein, durch diese Gedichte unmittelbar Nußen zu stiften und etwas zur Befreiung der armen Leibeigenen beizutragen.

Nichtsdestoweniger sind diese Idyllen eine sehr bedeutende Stilwendung. Eben jest hatte auch Friedrich Müller, der Maler, der selbst eine Zeitlang die Wege Geßner's gewandelt war, mit seiner Idyllendichtung sich der nächsten heimischen Gegenwart und Wirklichkeit zugekehrt und den volksthümlichen Inhalt in volks

thümlicher Form behandelt. Wie entscheidend, daß sich sogleich neben die volksthümliche Idylle die Idylle hohen Stils stellte, neben das realistische Genrebild das historische Genrebild!

Mit diesem Zug zur antikifirenden Idylle steht diejenige Thätigkeit, durch welche Voß am meisten in die Geschichte eingegriffen hat, im engsten Zusammenhang.

Theokrit und die eigenen Versuche in der Idyllendichtung führten Voß zu immer reinerer und tieferer Freude an der Odyssee. Voß begann die Uebersetzung derselben 1777. Einzelne Bruchstücke wurden im Deutschen Museum (1777. Stück 5), im Deutschen Merkur (1779. Stück 2) und in Voß' Musenalmanach (1778) veröffentlicht. Das Ganze erschien zuerst 1781. Auf die Uebersetzung der Odyssee folgte die Uebersetzung der Ilias, im Sommer 1786 begonnen und 1793 beendet.

Jeht, da Ton und Sprache der Voß’schen Homerübersehung typisch geworden, jekt bringen wir uns nur selten zum Bewußtsein, daß diesen bindenden Typus nur Derjenige schaffen konnte, dessen Auge gleich scharf für das Volksthümliche wie für das künstlerisch Ideale in Homer war. In jenen Tagen, da Lessing im Laokoon und Herder in den Fragmenten ein so feines Verständniß für die Herrlichkeit Homer's bekundeten, kannten die Ungelehrten die Homerische Dichtung nur in der französirten Entstellung Popes und der Madame Dacier. Goethe in seinem Knabenalter lernte Homer zuerst in einer aus dem Französischen überseßten Prosaübersehung kennen, welche 1751 unter dem Titel »Homer's Beschreibung der Eroberung des Trojanischen Reiches«< in einer Sammlung der merkwürdigsten Reisegeschichten erschienen war. Die Prosaübersehungen von Damm (1769 — 71) und Küttner (177173) hatten dem Uebel nicht abgeholfen. Und die Menschen der Sturm- und Drangperiode waren in Gefahr, an die Stelle der einen Einseitigkeit nur eine andere Einseitigkeit zu sehen. Einer richtigen und tüchtigen Homerübersetzung

stellte Bürger 1771 das Ziel, der Leser müsse in den süßen Wahn gerathen, daß Homer ein alter Deutscher gewesen und seine Ilias deutsch gesungen habe; und verzichtete er auch auf den tollen Einfall, eine Ilias in Reimen »ganz in Balladenmanier« zu geben, so galt es ihm doch damals als unbestreitbar, daß eine deutsche Ilias in Herametern »das fatalste Geschleppe«, »die unangenehmste Ohrenfolter« sein müsse. Auch Herder war in den Fragmenten für die Jamben eingetreten; und Goethe, der seit der Straßburger Zeit sich tåglich die Undacht liturgischer Lection aus seinem heiligen Homer holte, kam der Jambenübersehung Bürger's mit so warmer Theilnahme entgegen, daß er dem Uebersetzer, um die Fortsehung zu ermöglichen, sogleich die Summe von fünfundsechszig Louisdor als Ertrag einer von ihm am Hofe zu Weimar eröffneten Subscription überschickte. Voß mit der unsterblichen That seiner Odysseeübersetzung, die, wenn auch nicht ganz an die feine Beweglichkeit der Homerischen Sprache hinanreichend, doch von dem reinsten Hauch antiker Kunstidealitåt getragen und, bevor die spåteren Ausgaben in kalte Verskünsteleien verfielen, zugleich von frischester Natürlichkeit und treuherzigster Schlichtheit war, machte diesen unkünstlerischen Willkürlichkeiten ein Ende. Seitdem ist die Sprache der Voß'schen Homerübersehung die feststehende Sprache aller deutschen Epik geworden. Friedrich Stolberg folgte. Selbst Bürger war von der Macht dieses Eindrucks so überwältigt, daß auch er nunmehr von dem hartnäckig verfochtenen Jambus zum Herameter überging und eine erneute Iliasübersehung begann, die freilich in der naiven Wiedergabe des Homerischen Geistes mit Voß nicht vergleichbar ist, aber doch von den groben Eigenmächtigkeiten seiner früheren Ueberseherart weit abliegt.

Ein Ereigniß von der unermeßlichsten Tragweite. Die Bahn achter Uebersetzerkunst war gebrochen. Das Empfinden und Erkennen der großen griechischen Dichtung wurde reiner und leben

diger. Was bisher nur der Besitz Einzelner gewesen, wurde Gemeinbesitz aller Gebildeten.

Namentlich auch für die Dichtweise Goethe's und Schiller's ist diese Homerübersehung von dem bestimmendsten Einfluß geworden!

Und Voß selbst war der Erste, an welchem sich diese lebensvolle Wiedererweckung des Homerischen Geistes glänzend bethätigte.

Im Frohgefühl still inniger Häuslichkeit, im tåglichen trautem Verkehr mit den fernhaften Menschen der Nieder- Elbe, unter denen er, zuerst in Wandsbeck, dann als Rector in Ottersdorf im Lande Hadeln und zuleht in Eutin, seine Heimath gefunden, in der hingebenden Freude an Garten, Wald und See, hatte sich der idyllische Zug seiner Natur nur immer tiefer ausgebildet. Der »Luise« und der Idylle »Der siebzigste Geburtstag« ist der Ruhm epochemachender Stellung unentreißbar.

Was der strebsame Jüngling bereits in Göttingen unter der Führung Theokrit's versucht hatte, das feste Hineintreten in die Poesie der Wirklichkeit, das frische Erfassen und Schildern der eigensten heimischen Zustände und Lebensgewohnheiten, und dabei das Festhalten antiker Kunstidealitåt innerhalb der eingehendsten Kleinmalerei, das hatte sich jest in ihm durch die Schule Homer's zu festem und klarem Stilgefühl vollendet. Es ist die schlichte gemüthsinnige Welt des norddeutschen Pfarr- und Schulhauses; aber mit so feinem Sinn für das Naive und Patriarchalische empfunden und angeschaut, daß in der That die hoheitsvolle Idealität der gewählten Kunstform den bannenden Zauber tiefster innerer Nothwendigkeit in sich trågt.

Treffend sagte Schiller in der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung, mit der Luise habe Voß die deutsche Literatur nicht blos bereichert, sondern wahrhaft erweitert. Diese Idylle könne mit keinem anderen Gedicht ihrer Art, sondern nur mit griechischen Mustern verglichen werden.

Es ist gewiß, daß Voß hinter seinem hohen Ziel noch zurück

bleibt. Das Lehte und Höchste ist nur dem höchsten Genius erreichbar. Die epische Umständlichkeit verliert sich bei Voß oft in ermüdende Breite. Die Charaktere sind nur aus der Oberfläche des Daseins geschöpft; statt der durchgeistigten Tiefe und Schönheit naiv harmonischer Menschlichkeit nur biedere beschränkte Altvåterlichkeit.

Aber war das Ziel nicht erreicht, so war es doch unverlierbar gezeigt. Wir wissen, mit welcher tiefen und nachhaltigen Gewalt diese Idyllendichtung auf Goethe wirkte. Goethe hat nie ein Hehl gemacht, daß Hermann und Dorothea lediglich aus seiner nacheifernden Bewunderung der Voß'schen Luise hervorging.

2.

Leisewih.

Johann Anton Leisewit, am 9. Mai 1752 zu Hannover geboren, trat am Geburtsfeste Klopstock's, am 2. Juli 1774, in den Göttinger Dichterbund. Seine Theilnahme war nur von kurzer Dauer; schon im October desselben Jahres verließ er Göttingen, um sich als Sachwalter in Hannover niederzulassen. Voß berichtet in seinen Briefen (Bd. 1, S. 174), daß Leisewiß schon damals mit der Abfassung seines Trauerspiels »Julius von Tarent« beschäftigt war.

Leisewit reichte dieses Trauerspiel ein, als Schröder am 28. Februar 1775 einen Preis für das beste »>Originalstück « ausgeschrieben hatte. Den Preis erhielt nicht Leisewiß, sondern Klinger für seine »Zwillinge«. Aber schon damals widersprach die öffentliche Meinung dieser Entscheidung. Und das geschichtliche Urtheil hat dieser öffentlichen Meinung Recht gegeben.

Sowohl in der Sprache wie namentlich auch in der Art der dramatischen Komposition sieht man durchaus die Schule

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