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In seinem Pantheismus wird das Böse als Moment innerhalb des höchsten Allwesens sein wichtigstes Problem; doch das Sinnliche hilft ihm als Symbol des Übersinnlichen: ein in der Sonne blinkendes Zinngefäß offenbart ihm den Grundgedanken seiner Lehre, daß, wie das Sonnenlicht am dunklen Gefäß, sich auch das Gute am Bösen offenbare, also des Gegensatzes bedürfe, um in die Erscheinung zu treten. Und so wird auch das Feuer mit seinem freundlichen Anblick und seiner grimmen Hitze ihm ein Gegenbild der Urqualitäten Gottes. Aus dem dunklen Ungrunde, der Alles und Nichts, weder Licht noch Finsternis ist, der als wandelloser Wille in sich beruht, entringt sich durch Selbstoffenbarung (Selbstbespiegelung) die schauende Weltkraft und der angeschaute Weltinhalt; das Böse in Gott ist nur Prinzip der Bewegung, der treibende Gegensatz. Märchenhaft muten uns die Phantasien von der ewigen Gottgeburt, von dem dunklen Zornfeuer, dem hellen Liebesfeuer, von dem in die herbe Qualität sich vergaffenden Lucifer u. s. w. an. Aber bei der Innigkeit und Tiefe des Empfindens des deutschen Denkers ist der pessimistische Grundzug charakteristisch, wie der Optimismus bei den Italienern und der nüchterne Empirismus bei den Engländern, der in Baco (gest. 1626) seinen ersten großen Vertreter findet. Wie in der Mystik das Magische, so herrscht hier das Technische; die Maschine wird zum Symbol des Weltganzen; das wahre und echte Ziel aller Wissenschaften ist kein anderes, als das menschliche Leben durch neue Erfindungen, die Baco Neuschöpfungen und Nachahmungen der göttlichen Werke nennt, zu bereichern, denn Wissen ist Macht; Typus aller Wissenschaft wird die die Natur unter ihren Bann zwingende Naturwissenschaft; der auf die Natur übertragene Mechanismus wird Materialismus; die Lebensanschauung ist die des utilitaristischen Realismus. Der Metaphysiker wird der Spinne verglichen, die ihr Gewebe aus sich selbst herauszieht; unser Geist mit seinen (metaphorischen) Analogien, dem Hange zur anthropomorphischen Auffassung z. B. der Zweckerklärung statt der mechanischen Kausalität, ist ein trügerischer Spiegel, der erst von allen Flecken, allen Idolen gereinigt werden muß, um zur (mechanischen) Naturerkenntnis zu gelangen.

Doch die Fülle der Anregungen des weitblickenden Mannes sollte erst in der Folgezeit volle Frucht tragen, ebenso wie die

Locke vorauseilenden Ahnungen Hobbes', in dessen Geiste sonst das Denken zum Rechnen, die Worte zur Bedeutung von Spielmarken herabsanken.

Das erste große System schuf Descartes (1596-1650); er bricht mit dem Gegebenen aller und jeder Art und sucht in genialer Klarheit zu zeigen, was der sich auf sich selbst stellende Verstand in reiner Denkarbeit von dem Weltzusammenhange zu ergründen vermag.

Sehen wir aber, ob nicht auch hier Menschliches in diesen hineingetragen wird!

Wie streng logisch erscheint zunächst alles! Wir räumen alle Vorurteile hinweg; was bleibt dann dem Zweifelnden? Die Gewißheit seines zweifelnden, seines denkenden Ich. Der Satz „ich denke, also bin ich" ist einfache Intuition. Die Skepsis führt zum Rationalismus: mein Denken und mein Sein ist identisch. Und nun kommt der Sprung! Was vom menschlichen Wesen gilt, wird sofort auf das All übertragen! Was ich ebenso klar und deutlich wie jenes Axiom erkenne, das steht auch ebenso fest. So wird das menschliche klare Denken zum Maße aller Dinge.

Um etwas zu wissen, muß ich es selbstdenkend in mir erleben; das Eine muß folgerichtig aus dem Anderen abgeleitet werden, ordine geometrico. So wird die Mathematik zur Richtschnur der wissenschaftlichen Erkenntnis. Das Geistige schrumpft zur theoretischen Thätigkeit des Intellekts zusammen. Was dieser als notwendig denkt, ist wahr. So wandelt sich denn die sinnlich-empirische Welt in eine durchaus begriffliche. Gedankengrößen bilden den Inhalt der Wirklichkeit.

Aber was bietet nun die Brücke zwischen dem Denken (res cogitans), das in strenger Kartesianischer Konsequenz doch eigentlich alles aus sich erzeugen müßte, und der Außenwelt (res extensa)? Es ist der deus ex machina: die Gottesidee. Ich sehe klar ein, sagt Descartes, jedes Ding hat seine positive Ursache. Ich habe in mir Vorstellungen, vorgestellte Realitäten, Ideen. Aber keine unvollkommene Ursache kann Wirkung des Vollkommenen sein. Wenn ich nun eine Idee in mir finde, deren Ursache ich nicht sein kann, so folgt von selbst, daß die Ursache derselben außer mir ist. Ich, als endliche Substanz, kann nicht

die Ursache der Idee einer unendlichen Substanz sein, welche sich in mir findet. Diese Idee kann nur von einer Ursache außer mir herrühren; folglich giebt sie mir unmittelbar die Gewißheit des objektiven Seins; nun zweifle ich nicht mehr, daß es Wesen außer mir giebt und daß ich sie erkennen kann; die Ursache unserer Idee von Gott aber ist nur Gott selbst; sie ist also idea innata. Und so haben wir den Cirkel: Gott wird gedacht, also ist er! Gott ist das höchste Wesen, also nicht bloß möglich, sondern auch notwendig! Er ist die Ursache seiner selbst, causa sui. Als der Vollkommene kann er uns nicht täuschen.

So ist die Bahn für die Spekulation frei. Der wichtigste Satz derselben ist der von dem Substanzbegriff. Substanz ist ein Ding, welches so existiert, daß es zu seiner Existenz keines anderen bedarf; Attribute sind die das Wesen der Substanz ausdrückenden Eigenschaften; Modi sind Eigenschaften, welche der Attribute bedürfen; Lage, Gestalt, Teilbarkeit bedürfen der Ausdehnung, Fühlen, Wollen, Begehren des Denkens. Körper und Ausdehnung sind nur begrifflich geschieden; Körper und Geist sind zwei ganz verschiedene, sich ausschließende Substanzen. Damit ist der schroffe Dualismus zwischen Innerem und Äußerem konstituiert. In der Körperwelt herrscht nicht Thätigkeit, sondern Bewegung, die auf äußere Einwirkung, auf mechanischen Stoß, auf Gott als Maschinenmeister zurückzuführen ist; die Zusammensetzung von Körper und Geist ist das erhabenste, künstlichste Uhrwerk Gottes. Die Seele wird in der Zirbeldrüse lokalisiert; mit ihren Lebensgeistern ist sie Vermittlerin zwischen beiden. So metaphorisch diese Psychologie ist, so widerspruchsvoll ist der Substanzbegriff. Was von Gott als höchster Substanz ausgesagt werden kann, wird auch auf Geist und Körper übertragen, obwohl zwei Dinge, die sich gegenseitig ausschließen bezw. in Wechselwirkung stehen, nicht mehr selbtständig sind, ebenso wenig, wie gewordene, von Gott geschaffene Dinge.

Während Geulinex den Widerspruch zwischen Wechselwirkung und substantieller Unabhängigkeit freilich erkannte, aber auch nur durch ein Wunder Gottes vertuschte, zog Spinoza mit strikterer Lösung ihrer Widersprüche die vollen Konsequenzen der Kartesianischen Grundgedanken. Doch so sehr auch dieser eminent systematische Kopf sich müht, den Bau seiner Ideen more geo

metrico, mit unerbittlicher Abweisung aller Gefühlswerte aufzuführen, so entrinnt er doch auch nicht dem allgemein menschlichen Lose des Metaphorischen bei der Lösung der tiefsten Probleme; auch er hat neben seinem klaren Verstande ein warmes Gemüt, neben dem logisch-mathematischen Denken Phantasie und Affekte, die ihn zur mystischen Vergötterung eines im Grunde doch völlig mythischen Urwesens hinführen. In solchen Problemen hört eben das auf Denken sich gründende Wissen auf; Herz und Gemüt spinnen ihre metaphorischen Gewebe, und der Glaube hebt seine Schwingen und trägt über alle Schranken und Tiefen hinweg; und wer in ihm selig ist, sieht auch durch die metaphorische Hülle die ewige Wahrheit. Man spürt ihr Wehen auch in den Büchern Spinoza's. Über ihnen breitet sich eine alles ausgleichende Ruhe aus, die in sich feste Sicherheit eines großen Charakters, die grenzenlose Uneigennützigkeit, die den jungen heißstrebenden Goethe so außerordentlich fesselte1), daß es noch in des alternden Mannes Seele nachklang, welche Klarheit und Beruhigung über sein gährendes Innere gekommen, als er zum ersten Male die nachgelassenen Werke jenes merkwürdigen Mannes durchblätterte und als Pflicht erkannte, daß man sich von dem Ewigen, Notwendigen, Gesetzlichen in allen Dingen überzeuge, daß man sich solche Begriffe bilde, welche unverwüstlich sind, ja durch die Betrachtung des Vergänglichen nicht aufgehoben, sondern vielmehr bestätigt werden. „Weil aber hierin", sagt Goethe selbst, wirklich etwas Übermenschliches liegt, so werden solche Personen gewöhnlich für Unmenschen gehalten, für gott- und weltlose; ja, man weiß nicht, was man ihnen alles für Hörner und Klauen andichten soll." Und was war das Große, was Spinoza leistete und was Goethe's Künstlernatur so entsprach? Es war das Bestreben, aus der Vielheit zur Einheit zu gelangen. Es war die Lehre von der unverbrüchlichen Gesetzmäßigkeit der Welt, die Erkenntnis Gottes als innerer Ursache der Dinge und die in dieser Erkenntnis des unbedingt Allbedingenden liegende Befreiung von der Knechtschaft der Affekte, die zur seligen Ruhe der intellektuellen Gottesliebe führt.

1) Vgl. meine Goethe-Rede vom 28. Aug. 1892 in den Berichten des Fr. d. Hochstifts zu Frankfurt Jahrg. 1893, Heft 1,,Goethe's dichterischer Pantheismus."

Biese, Philos. d. Metaph.

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In dem pantheistischen Monismus Spinoza's giebt es nur ein Geschehen und nur ein unabhängiges substantielles Wesen; denn volle Selbständigkeit schließt Einzigkeit und Unendlichkeit in sich. Das geistige und das materielle Geschehen (Denken und Ausdehnung) bilden nur die beiden Seiten (Attribute) eines und desselben notwendigen Weltprozesses; die ausgedehnten und die denkenden Einzelwesen sind nichts anderes als wechselnde und vergängliche Zustände (modi) des beharrlichen, ewigen, einheitlichen Weltgrundes. Die Substanz, das Unbeschränkte, Bestimmungslose, das Absolute, bei dem jede Prädizierung die Aufhebung und Verneinung seiner selbst bedeuten würde, ist die ewige, naturgesetzliche Einheit des Universums (deus sive natura); die Attribute sind die zahllosen Vermögen, welche in den einzelnen Erscheinungen wirken und nicht vergehen in dem beständigen Wechsel der Dinge; von ihnen erkennt der physisch-psychische Mensch nur die beiden, die er an sich erlebt, Denken und Ausdehnung. Der wirkenden Substanz (natura naturans) steht, wie der Ursache die Wirkung, gegenüber das Reich der Modi, die natura naturata. Gott ist immanente Ursache aller Dinge; das natürliche All ist seine notwendige, ewige Folge; in ihm fallen innere Notwendigkeit und Freiheit zusammen. Was vom logischen Grund, von der Schlußfolge in der Mathematik gilt, wird auf das Sein selbst übertragen und so zur realen Ursache. So wirkt die Übertragung geometrischer Verhältnisse auf die Philosophie metaphorisch. -Nicht ist zwischen Gott und Welt ein Hiatus, sondern es ist nur die Unvollkommenheit des Menschen, welche ihn zwingt, die Attribute zu unterscheiden und die Dinge zu vereinzeln. Die innere Einheit von Substanz und Welt ist Kausalität. Alle Körper sind beseelt, alle Seelen verkörpert, aber im Grunde sind die Geister- und Körperwelt eins. Die Seele ist der sich denkende Körper, der Körper die sich ausdehnende Seele, mit welchem Satz wohl der Gipfel des (unerklärbar) Metaphorischen in der Anthropologie erreicht sein dürfte. Es herrscht also durchgängig Responsion, ja substantielle Identität zwischen den beiden Grundprinzipien des menschlichen Seins; freilich in welcher Weise, wie also Idee und Bewegung sich zu einander verhalten, wird nicht gesagt. Ohnmächtig ist der Mensch in seinen Affekten, die so notwendig sind wie Kälte und Sturm und

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