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Comte wird unfreiwillig Metaphysiker; allein schon die Idee des Gesetzes stempelt ihn dazu; und seine Geschichtskonstruktion gemalint an die Hegels; der Mensch, den er zunächst dem All unterordnete, wird allmählich zum Herrscher des Alls.

Interessant aber ist es, daß auch bei Comte mystische Elemente nicht nur unter der Hülle nüchternster Erfahrungswissenschaft schlummern, sondern auch direkt ihr Recht fordern und alle Dämme der Empirie überfluten, daß sich an die positivistische eine subjektive und sentimentalische Periode anreihte, mit einer neuen Religion, einem neuen Katechismus, kurz mit allem Zubehör, den das Herz und das Gefühl nur irgend fordern. Vortrefflich bezeichnet Fr. Nietzsche Comte als „jenen klügsten Jesuiten, der seine Franzosen auf dem Umwege der Wissenschaften nach Rom führen wollte."

In England ist Herbert Spencer der größte Vertreter des Relativismus, aber so sehr er auch von der Unvollkommenheit, von der Relativität aller menschlichen Erkenntnis durchdrungen ist, so hält er doch die Existenz (nicht das Wesen) eines Trägers des Relativen und Phänomenalen für erkennbar; das Absolute ist ein notwendiges Korrelat zum Relativen; jenes manifestiert sich in diesem. Dem Menschen bleibt nur ein unbestimmtes Bewußtsein von der unbekannten Ursache, der universellen Kraft, welche auf allen Gebieten der Natur wie des geistigen und sozialen Lebens in Entwickelung und Auflösung (evolution and dissolution) wirksam ist. Freilich spürt man auch hier, daß die den Naturwissenschaften entnommenen Begriffe, ja dürren Formeln und Schemata, weder in ihrem geistigen Untergrunde erkannt sind noch auch in ihrer Übertragung auf die verwickelten Erscheinungen des geistigen Lebens selbst sich als mächtig genug erweisen. —

In Deutschland herrschte, seitdem die Spekulation ihr Äußerstes erreicht hatte, in der wirklich gelesenen Litteratur ein zügelloser Materialismus, auf den Kathedern der Eklektizismus ; man drängte zurück zu Kant; man suchte Fichte'sche Ideen weiterzuführen, vor allem aber galt es als Pflicht des Idealismus, den in dem Aufblühen der Naturwissenschaften immer neue Nahrung findenden Materialismus zu bekämpfen und einen Ausgleich zwischen den Geistes- und den Naturwissenschaften zu finden. Dies unternahmen in echt philosophischem Sinne vor allem

Biese, Philos. des Metaph.

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G. Th. Fechner (1801-1887) und Rud. Herm. Lotze (1817-1881). So exakt sie in ihrer Einzelwissenschaft sind, so groß bleiben doch immer ihre allgemeinen Gesichtspunkte, so ideal ihre Natur- und Geschichtsauffassung, so durchgeistigt ihr pantheistisches Weltbild. Fechner erhebt gleichsam das Anthropozentrische, die Analogie des Menschlichen, auf den Thron der Philosophie: die Beseelung des Menschen bildet den Ausgang und Stützpunkt für die Ansicht von der Beseelung aller anderen Geschöpfe, für die der Pflanzen, der Erde, der Gestirne, der ganzen Welt; der Mensch ist Maß und Messer der Schöpfung"; unser geistiges Sein deutet auf ein verwandtes, nur viel höheres göttliches Sein; Gott ist das All oder der Geist des Alls, je nachdem man es fassen will; die Verschiedenheit dieser Fassung betrifft bloß das Wort, nicht die Sache; wie man nämlich beim Worte Mensch auf die ganze einheitliche Verknüpfung von Körper und Geist oder bloß auf letzteren als das Wesentlichste dieses Ganzen reflektieren kann, so ist es mit dem Worte Gott; dem körperlichen Stufenbaue der Welt entspricht ein geistiger Stufenbau, der von dem körperlichen gespiegelt und getragen wird; das göttliche Sein durchdringt die ganze Welt, auch unser Empfinden und Fühlen und Handeln, nur mit dem Unterschiede, daß dies in Gott unermeßlich gesteigert ist; die Natur ist der Leib Gottes, Gott die Seele der Natur; überhaupt läßt sich das Verhältnis der Seele zum Leibe unter zwei Formeln bringen; man kann sagen, die Seele sei die Selbsterscheinung desselben Wesens, was als Körper erscheint, und die Seele sei das verknüpfende Prinzip des Leibes, seiner Zusammenstellung und Aufeinanderfolge; beide Formeln hängen dadurch zusammen, daß in der Selbsterscheinung sich einheitlich und vereinfacht zusammenzieht, was sich in der äußeren Erscheinung in eine Mannigfaltigkeit auseinanderbreitet.1) So ergiebt sich in diesem Monismus eines psycho-physischen Idealismus die Einheit von Mikro- und Makrokosmos, von Gott und Welt, von Körper und Geist, und der Stützpunkt ist das Selbsterleben unseres trotz der Zwiespältigkeit einheitlichen, psycho-physischen Wesens.

1) Vergl. „Über die Seelenfrage. Ein Gang durch die sichtbare Welt, um die unsichtbare zu finden," Leipzig 1861. Die Tagesansicht gegenüber der Nachtansicht," Leipzig 1879.

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Auch Hermann Lotze ist Vertreter eines idealistischen Monismus, in welchem er Leibniz und Spinoza, Fichte und Hegel, Mechanismus und Teleologie zu verschmelzen versteht. Das Sein der Dinge ist ein Stehen in Beziehungen";1) alles Werden ist ein Wirkungen Austauschen; die Korrespondenz der Dinge unter einander beruht darauf, daß alles Seiende nur ein unendliches Wesen ist, das in den einzelnen Dingen seine stets gleiche, mit sich identische Natur notwendig in zusammenpassenden Formen ausprägt; die übersinnliche Ordnung der Welt besteht nicht in einem Geflecht verschlungener, bald sich verkürzender, bald sich verlängernder Beziehungsfäden zwischen den Dingen, sondern nur in der Gesamtheit der in jedem Augenblick in der Welt geschehenden Wechselwirkungen der Dinge; diese sind Modi einer absoluten Substanz, Wirkungen dieser auf sich selbst; Realität und Fürsichsein der Dinge sind vollkommen gleichbedeutende Begriffe; das Fürsichsein ist der allgemeine Charakter der Geistigkeit; die Dinge zeigen diese in verschiedenen Abstufungen; die Substanz füllt sie mit inneren Zuständen, durchgeistigt sie. Mehr aber als sein eigenes Wesen kann dem Geiste nicht zu unmittelbarem Bewußtsein kommen. Erst der Glaube, erst die Religionsphilosophie gestaltet den Begriff des Absoluten zu der lebensvollen überpersönlichen Gottheit, die das höchste Gut, die allgemeine Weltidee ist, um.

Gegenüber dem lähmenden, ja entnervenden Pessimismus vertritt Lotze den ethischen Optimismus; er findet das Gute als den Grund und Zweck der Welt, und so sind seine Schriften von warmer Begeisterung für alles Edle und Schöne, das diese Welt bietet, und für ihre Zweckbestimmung, dem menschlichen Geiste Genuß und Erhebung zu gewähren, erfüllt, und so klingt sein,,Mikrokosmus" aus in dem schönen Worte: „Der Anblick des Weltganzen ist überall Wunder und Poesie; Prosa sind nur die beschränkten und einseitigen Auffassungen kleiner Gebiete des Endlichen."

Eine so ideale Weltanschauung ist längst nicht mehr Gemeingut der Gebildeten, sondern wer dem Satze beipflichtet, weiß sich im Gegensatze zu der Grundströmung unserer Gegenwart;

1) Vgl.,,Mikrokosmus" Bd. III, Buch 9.

denn diese steht nicht unter den Sternzeichen Fechner's und Lotze's, sondern Hartmann's und Fr. Nietzsche's.

Das Hartmann'sche System, wie es in der „,Philosophie des Unbewußten" niedergelegt ist, erweist sich so recht als ein Kind unserer eklektischen, gährenden, unzufriedenen Zeit. Schopenhauer's Lehre wird mit Hegel'schen und Schelling'schen Gedanken verbrämt; der kosmische Roman wird noch romantischer als bei Schopenhauer und Schelling; man kann ihn nicht treffender und kürzer wiedergeben, als Falckenberg es thut: der blinde Wille zum Leben tritt grundlos und zufällig aus dem Wesen in die Erscheinung, aus dem Übersein ins Sein und reißt in unvernünftigem Daseinsdrange den einzig realisierbaren Inhalt, die logische Idee, an sich. Diese sucht den vom Willen begangenen Fehler wieder gut zu machen, indem sie im Bewußtsein einen Kämpfer gegen den unersättlichen, ewig schmachtenden, nie befriedigten Willen ins Feld führt, der ihn dereinst in die Latenz, in den (vorweltlichen) seligen Zustand des Nichtwollens zurückzwingen wird. Das Ziel der Weltentwickelung ist die Erlösung von der Qual des Daseins u. s. f.

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Der Pessimismus bildet also auch in dieser metaphysischen Symphonie das Grundmotiv; auch der Schopenhauer'sche,,Wille" wird nur leise umgemodelt, indem statt des unbekannten x ein yz gesetzt und ein ,,Großer Unbekannter",,,das Unbewußte" mit den Attributen des Willens und der Vorstellung, die Weltbühne betritt, ,,Das Unbewußte" ist eine widerspruchsvolle, unvorstellbare, metaphorische Abstraktion; es ist das ins Übersein erhobene, entgeistigte menschliche Bewußtsein; wie aber ein Geistiges ohne Fürsichsein, ohne Rückbeziehung auf sich selbst vorzustellen ist, bleibt rätselvoll. ,,Das Unbewußte" ist ein Wechselbalg von Idealismus und Materialismus, eine Synthese von Geistigem und blinder mechanischer Kraft, ein mythisches Wesen, das aus psychologischen und physikalischen Momenten zusammengebraut ist.1) Will Hartmann daher das Bewußtsein aus dem Unbewußten erklären, so ist es unvermeidlich, daß er

Vgl. die treffende Kritik,,die Hartmann'sche Philosophie des Unbewußten" von R. Haym, Preuß. Jahrb. Band XXXI, 1873.

das zu Erklärende stets schon voraussetzt, daß er sich in die Netze des Metaphorischen unrettbar verstrickt, wie er sogleich ,,die Metaphysik des Unbewußten" mit den Sätzen beginnt:,,Das Unbewußte erkrankt nicht, ermüdet nicht, das unbewußte Denken kann nur unsinnlicher Art sein, das Unbewußte schwankt und zweifelt nicht, irrt nicht" u. s. f. u. s. f. Trotz aller dialektischen Gewandtheit vermag Hartmann doch nicht die Risse seines Systems zu überbrücken noch auch die Aufgabe der Gegenwart zu lösen, nämlich einen Ausgleich zwischen Geistes- und Naturwissenschaften, zwischen Platonismus und Darwinismus auf metaphysischem Wege zu finden, so sauber und scharfsinnig er auch die Einzelprobleme herausarbeitet.

Doch, wenn nicht alles trügt, hat das Modephilosophentum Schopenhauer's und Hartmann's bereits seinen Zenith überschritten und übt selbst der flache Materialismus eines Ludwig Büchner nicht mehr den herrschenden Einfluß auf die unfertigen Gemüter, sondern ein neuer Götze ist aufgerichtet, den die jüngstmodernen Stürmer und Dränger, die hohnlachenden Vertreter der décadence, des fin de siècle, des Europäertums von übermorgen, der Herrenmoral, und wie die Schlagwörter, diese Pest unserer nervös überreizten Zeit, immer lauten, mit glühendstem Fanatismus anbeten. Dieser Götze ist Friedrich Nietzsche (geb. 1844). Und wodurch bannt er seine Jünger mit seiner Philosophie des „Übermenschen" so, daß einer derselben sich zu dem frivolen Bekenntnis versteigen kann: „Es kam eine große Sehnsucht über mich nach einem neuen Gotte! . . Ich fand ihn in Friedrich Nietzsche"? Wodurch übt er eine geradezu narkotisierende Wirkung? Es ist das Metaphorische in seinen gefährlichsten Gestalten, es ist die schillernde dichterische Form, die Gewalt der Sprache, die nimmer sich in Analogien, die als Beweise dienen, und in Bildern und Gleichnissen erschöpfende Einbildungskraft, es ist die Frivolität einer ganz willkürlichen Geschichtskonstruktion, welche die Gegenwart in ihrer Überkultur und Schwäche, ja in ihrem logischen Nonsens dem Reckentum der geträumten Urzeit, der blonden Bestialität, der das schwächere ,,Herdenvieh" knechtenden Herrengewalt gegenüberstellt und in der Schilderung der ,,Herrenmoral" mit ihrer ungezügelten Entfaltung aller Instinkte nicht mehr ein Bild der Vergangenheit, sondern einen ,,soziologischen Roman",

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