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das Kind; dem Kinde ist nur das Kind verständlich; es kann daher nicht begreifen, weshalb Vater und Mutter und die älteren Geschwister nicht ebenso dasjenige bewundern und lieben, was sein eigenes Entzücken erregt. Was ist ja verstehen anderes als sich in ein anderes oder in einen anderen hineindenken, mit Willen und Empfinden hineinversetzen können, als metaphorisch dem anderen sich leihen, mit seinem Selbst sich versenkend in ein anderes bereichert zu sich zurückkehren? Und diesen inneren Prozeß bewirkt die Association und die Analogie. Je kleiner aber noch der Kreis der Anschauungen ist, je mehr er noch auf das eigene Erleben eingeschränkt ist, desto notwendiger nimmt das Metaphorische die Gestalt des Vermenschlichens, des Gleichsetzens von Ding und Person an.

So belebt das Kind Tische und Stühle; sie gehen im Zimmer spazieren, wenn es sie schiebt; sie müssen Schläge haben, wenn es sich an ihnen stößt, wie der kindliche Xerxes den Hellespont geißeln ließ, der mit seinen Wellen ihm zum Ärger die Brücken zerstörte, wie der Athener am Prytaneum Gericht halten ließ über leblose Gegenstände, die einen Menschen erschlagen hatten, wie noch im Mittelalter Tiere zuweilen ganz wie Missethäter behandelt und abgeurteilt wurden,1) und wie auch wir Modernsten wohl in Wut geraten über,,die Tücke des Objekts" und ein Werkzeug schelten, als sei es ein Mensch, und es zerbrechen, wenn es seinen Dienst versagt. Unablässig arbeitet die kindliche Phantasie, um allem Leblosen Leben zu verleihen, das Stück Holz in einen Hund oder in ein anderes Tier oder in einen Menschen zu verwandeln. Alles, was an Trieben und Empfindungen es in sich regsam fühlt, Hunger und Durst oder Zorn und Freude, wird auf das tote Objekt von dem kleinen lebensvollen Centrum aus übertragen. Nicht nur die schon menschenähnlich gestaltete Puppe muß alle Freude und Trauer mitempfinden, muß vom Semmel abbeißen und aus dem Becher trinken, muß die Masern mitdurchmachen, so daß Onkel Doktor auch sie betrachten muß; nicht nur der Hampelmann ist „so dos", weil er „,tüchtig Suppe dessen hat," oder der kleine Affe aus Draht und Wolle, der verloren gegangen ist, ist weggelaufen, weil er nicht da bleiben mochte", sondern das Gesetz der Association und die Kraft der Analogie

1) Vgl. v. Hellwald, Kulturgeschichte 1875 S. 616.

zwingt dazu, das Fremde durch das Bekannte sich umzudeuten, sich zurechtzulegen d. h. also gleiche Verhältnisse innerhalb verschiedener Sphären anzunehmen und das also als ähnlich, als verwandt Erkannte zu vertauschen, wofür eben der Ausdruck sich mit Notwendigkeit als Metapher ergiebt, den dann freilich der Rhetoriker sich bemühen wird in einer der hundert Unterabteilungen des Metaphorischen einzuschachteln als „poetische Figur"! Es wäre aber überhaupt Zeit, die ganze Maschinerie der ,,Tropen und Figuren" als unnützen Ballast über Bord zu werfen und das, was lediglich ein Prokrustesbett ist, auf dem der lebensvolle Organismus der Sprache und des Denkens und Dichtens so lange gedehnt und gezerrt wird, bis kein Atem mehr in ihm ist, als solches zu erkennen und dagegen dem, was wahrhaft wurzelhaft in unserer menschlichen Phantasie ist, wie das Metaphorische, Raum zu geben. Doch wo herrscht nicht die Schablone sieghafter als das wirklich Lebensvolle selbst? Wie wenige hören die Stimmen, mit denen die Außenwelt zu uns täglich und stündlich redet, wie wenige sehen überall Symbole des Ewigen durch die Erscheinungshüllen hindurchschimmern, und wie wenige belauschen die Urtöne des Menschenwesens, wie sie dem Vater tagtäglich aus dem Munde der Kinderchen entgegenschallen ! So fesseln naturgemäß die Sonne und vor allem der bequemer zu beobachtende Mond die Sinne des Kindes. Hat es am Abend vorher ihn leuchten sehen und sucht ihn nun vergebens am anderen Tage, so sagt es wie mein zweijähriges Mädchen -: ,,Mond verreist is! Zu Dosmutter!" Ein andermal sagte es, mit Bedenklichkeit zu dem in der Luft gleichsam schwebenden, etwas schiefen Halbmonde aufschauend: ,,O Papa, der Mond wird deich (gleich) sunterfallen"; sein dreijähriges Brüderchen meinte, wie der Mond von Wolken bedeckt ward:,,Der Mond ist ausgelöscht". Was es also aus seiner kleinen Erfahrung heraus von dem Stearinlichte wußte, daß es nicht mehr leuchtet, wenn es ausgelöscht wird, oder daß es ausgelöscht ist, wenn es nicht mehr leuchtet, übertrug es, mit zwingender Analogie resp. Proportion, auf die Leuchte am Himmel mit völlig sinnreicher,,poetischer" Metapher, und zwar in dem holden Kindesglauben an die Identität von Sein und Schein, welche der abstrahierende Verstand scheidet und deren Vertauschung dem Rhetoriker als kühne Poesie oder

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dem nüchternen Verstandeskritikus als sinnlose Phrase erscheint, wovon ja Proben in alter und neuer Zeit reichlich zu finden sind. Wird der Regen lästig, so daß das Kind nicht hinausgehen darf, so sagt es:,,Eischer (unartiger) Regen, Regen dau dau (Schläge) haben muß!" Und dasselbe kleine Mädchen brach, wie es, drei Jahre alt, ein Medaillon mit dem Bilde ihrer verstorbenen Mutter öffnete und auf das Glas hinwies, in die Worte aus: Klein Fenster, nich? Kann Mama immer ausgucken, nich, Papa?"

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Die Negerin, die es in einer illustrierten Monatsschrift sieht, wird natürlich mit dem Ausruf des unwilligen Erstaunens über die Unsauberkeit mit ,,äxe-bäxe" begrüßt und soll ins Wasser hineingelegt werden u. s. f. u. s. f. Schon reifer und kühner ist es, wenn die Fünfjährige beim Gewitter erklärt, der liebe Gott reiße aber auch gar zu viele Streichhölzer da oben an, und hernach, als das Blitzen vom gewaltigen Regen abgelöst ward: „O Papa, im Himmel ist die Wasserleitung geplatzt". Aber auch was es in sich selbst erlebt, deutet das Kind als ein Leben voll Willen; der Hunger ist ein Wurm, der im Magen beißt; auch die innere Stimme des Gewissens wird personifiziert und -- lokalisiert. So sagte mein dreijähriger Bube, offenbar im Anschluß an eine Erklärung, die tags zuvor der Schwester von dem Gewissen gegeben war: „Ich habe doch einen guten Geist in meinem Magen, Mutter!?" und dann weiter erklärend: „Der gute Geist sagt: thu's nicht!" und der böse,,thu's grad!"

Wenn das Kind Gegenstände oder Tiere benennt, so wird es dies nach einem bestimmten Merkmal thun und dieses auf das Ganze übertragen, so wird der Name ein Symbol, ein Zeichen. Wenn es also den Hund,,wau-wau", die Katze,,miau", die Kuh ,,muh-muh", den Hahn,,kikeriki" u. s. w. nennt, so findet also eine Synthese des Schalles und des sprachlichen Lautes statt, es wird also aus der Welt der Sinne (des Gehörs) direkt in die Welt des sprachbildenden Geistes übertragen, und dieser setzt den charakteristischen Eindruck des Dinges metaphorisch für das Ding selbst. Dies ist ein überaus wichtiger Prozeß in der Sprachbildung. Und so führt uns die Betrachtung des Metaphorischen in der kindlichen Phantasie von selbst in die schöpferische Wirkung desselben in der Sprache.

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Zweites Kapitel.

Das Metaphorische in der Sprache.

Die Sprache ist durch und durch symbolisch: das Wort ist ein Sinnbild des Innenlebens, ein Abbild des Empfundenen, ein Lautbild des Vorstellungsbildes; die Sprache teilt die formale Ausprägung einer Empfindung, eines Gedankens mit der Kunstschöpfung,1) so daß auf der Höhe der Sprachentwickelung das Wort Goethe's gilt (Einl. in die Propyläen): „Indem der Künstler irgend einen Gegenstand der Natur ergreift, so gehört dieser schon nicht mehr der Natur an, ja man kann sagen, daß der Künstler ihn in diesem Augenblick erschaffe, indem er ihm das Bedeutende, Charakteristische, Interessante abgewinnt oder vielmehr erst den höheren Wert hineinlegt." Die Sprache ist durch und durch metaphorisch: sie verkörpert das Seelische, und sie vergeistigt das Körperliche, sie ist ein analoges Abkürzungsbild alles Lebens, das auf einer Wechselwirkung und innigen Verschmelzung von Leib und Seele beruht; das Wort ist sinnlich wahrnehmbares Innenleben geworden; das Äußere ist verinnerlicht, und das Innerliche ist zu einem Äußerlichen gestaltet. Die Sprache ist also der gegliederte Ausdruck des Gedankens durch Laute; sie ist eine Fähigkeit der geist-leiblichen Natur des Menschen, die Ausstrahlung derselben inneren Mächte im Menschen, aus denen die Religionen, das Recht und die Sitte mit der Sprache eine wunderbare Einheit bildend erwuchsen.2)

1) Vgl. Gerber, die Sprache als Kunst Bd. I.

2) Vgl. v. d. Gabelentz, die Sprachwissenschaft S. 3 u. 15; wie die Sprache den Charakter wiederspiegelt z. B. S. 393 ff. 407.

„Die Sprache“, sagt Herder, „gebar sich mit der ganzen Entwickelung der menschlichen Kräfte". So ist sie in ihrer geheimsten Wurzel ebenso rätselvoll wie der Ursprung des Lebens selbst; denn was ist sie anderes als Ausstrahlung des Lebensgefühls, was anderes wird zu ihrer allmählichen Fortentwickelung aus einer Sprache der Empfindungslaute und Interjektionen und Gebärden zu einer lautbildlichen, symbolischen und metaphorischen mehr beigetragen haben als jener auf der Harmonie unseres inneren und äußeren Lebens, auf der Ineinsbildung von Organ und Empfindung beruhende Drang, die Thätigkeit, die Anspannung der Muskeln und die Erregung der Sinne mit Lauten zu verbinden und endlich diese als Zeichen von jenen zu verwenden, Lautbild und Wahrnehmungsbild (im weitesten Sinne) metaphorisch zu vertauschen? So werden die Laute Zeichen wiederholter Handlungen, wiederholter in eins gefaßter Sinneswahrnehmungen, entstehender Begriffe d. h. eben in der Erinnerung festgehaltener und aus der Vielheit auf Eins reduzierter Wahrnehmungsbilder; denn im Urdenken beruht alles auf Anschauung, auf der Thätigkeit der Einbildungskraft, kurz auf schöpferischer Phantasie. Und deren lebensvolle Bethätigung ist das Metaphorische.

Schon Quintilian sagt (inst. or. IX 3,1) paene iam quidquid loquimur figura est; und so sind auch alle Wörter in Bezug auf ihre Bedeutung an sich und von Anfang an Tropen (Gerber I, S. 333). Es ist grundverkehrt, der eigentlichen Bedeutung die uneigentliche als bildliche gegenüberzustellen; denn was dem unwissenden Menschen als eigentlich erscheint, ergiebt sich für den Forscher als durchaus bildlich. Streng genommen, darf man auch nicht von einer sinnlichen und unsinnlichen Bedeutung sprechen, sondern nur von einer bildlichen, welche ebensowohl zur Bezeichnung von sinnlichen wie von unsinnlichen Begriffen dient. Mit Recht freilich hat Locke schon erkannt, daß im historischen Laufe der Sprachentwickelung alle Wörter, welche geistige Begriffe bezeichnen, durch Metaphern von Wörtern, welche Ideen der empfindbaren Welt ausdrücken, herzuleiten sind. So sagt auch Grimm (D. Gr. II. S. 84): „Die sinnliche Bedeutung erscheint früher, die geistige später. Nur war aber jene weder rohleiblich, noch diese dürr verständig; beide hält und hielt ein geheimer Zug verbunden; zuerst wuchs das Sinnliche; in ihm

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