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von ihnen überliefert, ist schon überreife Frucht; Erwin Rohde hat deutlich gezeigt, wie neben uralten Vorstellungen ganz rationalistische herlaufen inbetreff des Seelenkultus und der Götterverehrung; und welch tiefes Ethos in der Griechenreligion liegt, das hat vielleicht keiner tiefer erfaßt als Lehrs in seinen Populären Aufsätzen aus dem Altertum!

Und sodann ist es ein Wahn Max Mueller's, die Mythologie als einen „krankhaften Zustand, eine Ohnmacht der Sprache“ aufzufassen, die „in metaphorische Ausdrücke das einkleiden mußte, das kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herz kommen ist." Das heißt doch, von dem kindlichen Geiste eines Naturvolkes schon die Reife eines sittlichen, religiösen Menschen fordern! Und ferner setzt er zugleich den Monotheismus als erste Stufe voraus, während es in der geschichtlichen Entwickelung die letzte, die höchste ist, und leitet die Mythen aus ausgesponnenen Appellativen ab, die nur dem einen Gott zukommen, aus Hypostasierungen seiner Prädikate. Mit Recht sagt Tylor (S. 293), für dieMythen keine andere Quelle als metaphorische Redeweise (im Sinne Mueller's!) annehmen, hieße, eine der bedeutendsten Phasen der Geschichte des Geistes ignorieren.

Es ruht also der Mythos nicht auf einer erkrankten Sprachform, wofür Mueller (und z. T. auch Tylor S. 296) solche ,,metaphorische Redeweise" erklärt, sondern auf einer durch die Analogie gebotenen, naturgemäßen Auffassungsweise, die alles Außermenschliche nach dem Schema des physisch-psychischen Menschenwesens begreift d. h. umsetzt und so naturgemäß anthropocentrisch, also metaphorisch im Ausdruck verfahren muß. -Und ebenso naturgemäß war es, daß die Sprache auch weiter ,,dichtete", auch Anstoß zu neuen Bildungen gab, wie z. B. die Umwandlung der Epitheta in selbständige Wesen sie zeigt, so daß z. B. quédov, das ursprünglich Beiwort des Helios war, eine eigene Person, ein Sohn des Sonnengottes wurde; aber das ist doch keine „Krankheit der Sprache", sondern es ist ebenso natürlich, als wenn mit der geschlechtlichen Differenzierung der Erscheinungen (der Tag, die Nacht u. s. f.), oder überhaupt mit dem grammatischen Geschlecht (der Sommer, der Winter u. s. f.) sich nun die weitere Personifizierung der Jahreszeiten ergab, so daß die eine die Wärme und die Vögel und das Grün und die andere

die kalten Winde und das Eis und den Schnee bringt, so daß der Frühling als ein junger Herrscher seinen Einzug hält und den alten griesgrämigen Winter hinauswirft, daß er seine Boten voraussendet, daß er sein Zelt aufschlägt, daß er den Wäldern ihr Sommerkleid anlegt u. s. f. u. s. f.

Und warum,,dichten" wir, auch die wir nicht Dichter sind, so in der Sprache? Warum ist diese Ausdrucksweise auch in der Prosa, im alltäglichen Gespräche gebräuchlich? Weil wir eben nicht blosser Verstand, sondern auch Phantasie sind, weil die Sprache auch Kunst ist! Freilich, wer nur mathematisch und physikalisch die Welt anschauen könnte und der Mensch soll erst geboren werden, der sähe in der Sonne nur den Glutball, im fallenden Wasser nur das Gesetz der Schwere, kein Eilen, Rennen, Lachen, Kichern, Klagen u. s. f., im Wipfel- und Wellenrauschen nur ein einförmiges langweiliges Geräusch, das durch die Wirkung des Windes hervorgerufen wird. Es treibt die Sprache, wie wir schon oben sahen, mit Notwendigkeit dazu, daß durch den bestimmten Artikel die Naturerscheinung und das Abstraktum Leben gewinnt und der Stufe des Menschlichen genähert wird; die Sprache kann, als geistiges, menschliches Produkt, als Spiegel eines Inneren, eines leiblich-geistigen Wesens, garnicht anders als menschliche, wirkliche, sinnliche Zustände den Dingen zu leihen. Wir sind heutigen Tages nur ketzerisch geworden, für uns ist nur schöner Schein, was einst einzig und allein ungetrenntes Glauben und Wissen war, und daher kommt es, daß das Metaphorische überhaupt als Trugbild, als eitle Rhetorik, als gleißender Schein gescholten wird, daß immer wieder Menschen mit Gottsched'schem Pedantismus erstehen und die freischaffende Phantasie, welche wie in alten Zeiten, so auch heute noch in den Dichtern wirksam ist, zu schulmeistern sich erdreisten. In wem eben nicht selbst etwas vom Dichter lebt, in wem die Sprache als Kunst nicht zugleich mit der Phantasie lebendig und schöpferisch ist, wer in den Ernst und Zwiespalt modernen Lebens nicht die Phantasie des Kindes hineingerettet hat, wer alles nur mit dem Maßstabe des Verstandes messen will, für den existiert die innere Wahrheit der Mythenbildungen alter und neuer Zeit nicht.

Und auch heute noch können und müssen wir fragen: Ist denn das Metaphorische lediglich Trug oder auch nur poetischeṛ

ästhetischer Schein? Ist nicht in der Hülle ein Kern ewiger Wahrheit? Und ist nicht auch das Verstandesmäßige nur ein Gleichnis? Sind die Metaphern nicht vielleicht ebenso wahr wie die Begriffe? Denn was heißt wahr im Menschenmunde? Es ist doch immer nur Stückwerk, immer nur ein Abbild des Ewigen, ein Gleichnis für das Unvergängliche, Unwißbare. Wo hört der fromme Trug, wo hört der ästhetische Schein auf, und wo beginnt das Wissen, das engumgränzte menschliche Wissen? Und was

ist Wahrheit?

Alle diese Fragen führen uns zunächst zu der Betrachtung des Metaphorischen in der Religion.

Viertes Kapitel.

Das Metaphorische in der Religion.

Das Gemeinsame in Mythologie und Religion bildet jene Sphäre des Metaphorischen, in welcher der Mensch das Walten von Mächten außer sich ahnt und die Naturerscheinungen menschlich belebt. Aber wie es Mythologie ohne jede religiöse Empfindung geben kann, wie der Naturmensch weitab von Religion sich befindet, wenn er in der Frübe Eos aus den Armen des Tithonos sich entwinden läßt, wenn er im Sturm einen gewaltigen Aar sein rauschendes Flügelpaar heben oder wenn er im Gewitter eine Jagd auf ein Untier sich abspielen sah, so natürlich auch Religion ohne Mythologie; denn was ist die tiefste Form der Religion? Ist es nicht jenes unsagbare, tief im Herzen wühlende Schaudern in der Sehnsucht, in dem Ahnen des Ewigen?

Doch wie entstand Religion? Und was ist, allgemein genommen, Religion?

Bei solchen Fragen spürt man erst so recht eigentlich, wie wir das Tiefste und Höchste nicht deuten, sondern nur metaphorisch umschreiben können. Und doch ist nur abstrakt etwas damit gewonnen, wenn Max Mueller als Ursprung der Religion den „Druck des Unendlichen" bezeichnet und den Satz aufstellt: „Ein Begriff des Unendlichen hebt sich weit früher ab als der des Endlichen" (Urspr. der Rel. S. 42). Dieser „Begriff des Unendlichen" kann doch füglich auf einer niederen Kulturstufe nur ein sehr dunkler, verschwommener sein, und die Abstraktion pflegt immer erst das Resultat langer weitschichtiger Anschauung des Konkreten zu sein. Aber sicherlich ist das Abhängigkeitsgefühl, das Bewußtsein der Gebundenheit an etwas Fremdes, Unsichtbares, Mächtigeres eine wichtige Quelle der Religion. Um aber dies Gedankenhafte in Fluß zu bringen und in Anschauung zu verwandeln, wird jene innere, dem Menschen eingeborene Nötigung, sich zur Richtschnur der umgebenden Welt zu machen, die Bewegung als Bethätigung eines wirkenden Lebens zu fassen, und mit ihr im Bunde die Scheu und Angst vor den Seelen der Verstorbenen zur Weiterentwickelung der Keime des

denn

Religiösen in der Seele der Menschen gedient haben. „Alles Unverständliche in der Natur wird Gespensterspuk." Der Mensch fühlt sein Schicksal weit weniger abhängig von seinem eigenen Thun als von den wechselnden Launen geheimnisvoll-tückischer Mächte um ihn her.') Religion d. i. der Glaube an aussermenschliche Wesen, welche den Menschen in irgend einer Weise beeinflussen, wird in erster Linie das Bewustsein der eigenen Seele voraussetzen, auf daß eine dieser ähnliche auch ausserhalb des Menschenleibes, in Baum und Fluss, in Stein und Berg, in Sonne und Mond und den Sternen u. s. f. gedacht werden könne. Und was am lebendigsten die Anschauung fesselt, was am drohendsten und furchtbarsten erschien man denke an das Gewitter, an das Feuer, an Vulkane, an Wasserhosen, an Dürre und Hitze das wird zu Gewalten, die man besänftigen, beschwichtigen mußte. So wird die Welt von einem Netze von Gespenstern umsponnen, die je nach der Landschaft, dem Klima und nach der Eigenart, dem Temperament des Volkes, ja des Einzelnen von einer Einheit der Anschauungen kann bei den Naturmenschen keine Rede sein einen freundlich milden oder feindlich wilden Charakter tragen. Was er gerade am meisten fürchtet oder wovon er die kräftigste Hülfe erwartet, das verehrt der Naturmensch. Es ist daher vor allem das Außergewöhnliche, nicht täglich Wiederkehrende, das die Aufmerksamkeit fesselt, die Furcht und Angst weckt. Erst in zweiter Linie wird, was unabänderlich wiederkehrt, sei es nun Segen spendend, sei es in Schrecken versetzend, zu einem freundlichen oder feindlichen Wesen umgewandelt, menschenähnlich, aber übermenschlich an Kraft, an Macht, an Dauer. Welche Fülle metaphorischer Anschauung verrät es, wenn z. B. die Polynesier das Wort für „Mark des Baumes," dann auch,,Stärke", endlich das Beste eines Dinges, ihrem Gott als dem Starken, dem Herrn beilegen! Und dieser Mächtige waltet zumeist in der Höhe, auf den Bergen, im Luftkreise, in den Wolken.

Welche Wichtigkeit die Naturbelebung, die Personifikation der wichtigsten Naturerscheinungen in allen Religionen gespielt hat, wie bei den Indogermanen der Vater Himmel der höchste der Götter wurde, wie bei den Griechen diese ursprünglich auf 1) Vgl. Waitz, Anthropol. I 460 f.

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