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steigt die Sonne herauf, und nun vollzieht sich Wunder auf Wunder. Die starren Bande des Todes lösen sich, die Erde wird weich und warm, als ob sie atmete und wie eine Lebendiggewordene aus dem Grabe stiege. Wie eine Königin kleidet sie sich in eine Pracht, wie nur Gottes Hand sie schaffen kann, und was wie eine Wüste war, wird ein Paradies um uns her. Das alles macht der Sonnenschein. Was für eine Wunderkraft! Erde und Sonne sind für einander geschaffen, ohne den Sonnenschein ist die Erde ein Grab und wir alle verloren. Und doch, wie manches Herz hat in diesen herrlichen Tagen dennoch keinen Frühling! Es geht still und elend, arm und traurig durch die schöne, sonnige Welt, hat keine Freude, keine Blüte, keinen warmen Hauch, kein Singen und Klingen. Es ist Winter im Herzen, der Tod im Herzen. O, Gott sei Dank, es giebt auch eine Herzenssonne, die den Frühling ins Herz bringt, an die auch diese leuchtende, sonnige Zeit uns erinnert, von der sie uns predigt, zu der sie uns zieht. Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ! Das, was mich fröhlich machet, ist, was im Himmel ist! Davon, von dieser lieben Sonne und ihrem Sonnenschein im Herzen, von dieser Frühlingspracht unter der Gnade Jesu laßt mich zu euch reden; dann wird es erst recht klingen: O Sonnenschein! o Sonnenschein, wie scheinst du mir ins Herz hinein!"

Ist das nicht Poesie? Ist das nicht Religion?

Und wenn einer der edelsten Geister dieses Jahrhunderts, Paul de Lagarde, das religiös-sittliche Ideal zu zeichnen sucht, wenn er, frei von den Fesseln eines engen Dogmas, den Glauben in den Willen und in das Handeln und vor allem in das Empfinden des Waltens einer höheren Macht verlegt, die an unserem eigenen Inneren erzieht, die da leitet, tröstet, stark macht, da formt sich das Tiefste und Höchste, wie von selbst, zum hehrsten Bilde. Es giebt Augenblicke in jedes Menschen Leben

heißt es in den „Deutschen Schriften", in welchen er eines Planes gewahr wird, der durch sein Dasein hindurchgeht, eines Planes, den nicht er entworfen hat und den nicht er ausführt, dessen Gedanke ihn gleichwohl entzückt, als habe er ihn selbst gedacht, dessen Ausführung ihm Segen und allereigenste Förderung däucht, obwohl nicht seine Hände an ihr arbeiten. Er ist frei, wie der Schachspieler für jeden seiner Züge frei ist; er ist gleich

wohl nicht sein Herr, wie der Schachspieler von einem überlegenen Gegner gezwungen wird: er hat das Bewußtsein, daß das Ende der Partie für ihn nicht ein Matt, sondern in einer Niederlage Sieg sein werde, und je näher dies Ende rückt, desto ungeduldiger wartet die Freude an dem nun kaum noch miẞzuverstehenden Willen dessen, der den Freien dahin gezwungen, wo ihm höchste Freiheit, weil unbeschränkte Ausgestaltung und Darlegung seines eigensten Wesens, beschieden sein wird. Der Meißel thut weh, der aus dem empfindenden Blocke den Gott herausschlägt: je weiter aber der Stahl in seiner Arbeit vorgeschritten, desto stiller hält der Marmor, der sich schon über die aus der Natur erstehende Geistesgewalt freut.

Doch dies herrliche Bild genügt ihm noch nicht; die Rückerinnerung der Seele an das Ewige und die Sehnsucht, die Hoffnung und Ahnung der Ewigkeit prägt er in den wunderschönen Vergleich:

Wie ein Vogel nachts, wenn durch seine Träume die Strahlen des neuen Tages leuchten, im Schlafe wenige klagendfrohe Töne dem warmen Glanze entgegen singt, um danach, den Kopf unter den Flügeln, weiter zu schlafen, so ahnt der Mensch im Erdenleben dann und wann der Ewigkeit Freuden, und das unbewußt dem Herzen entflohene Entzücken spricht lauter für diese als das lange Schweigen, aus dem es sich emporringt, gegen jenes. Aber der eigentliche Beweis für die Ewigkeit der Seele liegt nicht in Ahnungen, sondern in dem Plane, welcher im Leben jedes die Richtung auf das Gute einschlagenden Menschen sichtbar wird. Diesen Plan zu erkennen, ihm nachsinnen und seiner Verwirklichung sich hingeben, das heißt fromm sein und verbürgt ewiges Leben.

Und so wird Religion, wird die Anbetung des Ewigen und die Sehnsucht nach dem Ewigen, der diesen göttlichen Funken in unsere Seele gelegt hat, zu Poesie, wie in dem schönen Liede Lagarde's „Wir sind auch seines Geschlechts", das in metaphorischer Hülle dem erhabensten religiösen Gefühle Ausdruck leiht und unsere nach der Heimat verlangende Seele dem Mövchen vergleicht, das unflügge gefangen wurde und nun voll Wehs des freien Meeres gedenkt, um endlich frei gegeben, in seliger Lust aufzujauchzen:

Und wie die Möve dann die See erblickt, die Well' auf Welle nach dem Strande schickt, die draußen Well' auf andre Welle bauet, stürzt sie geschwind,

der See heimkehrend Kind,

dem vor der See nicht grauet,

auf jenes allgewalt'ge Meer

mit einem Schrei der Lust, und schaut

und schwebet, schwebt und schauet.

Mein Herz ist solche Möve tief im Land: die Sehnsucht steht ihm nach fremdliebem Strand, nach einem Meer, das jenen Strand bespület, an dessen Flut

wie wohl die Heimat thut!

es seine Heimat fühlet.

O einen Schrei der Lust zum Himmel auf,

wenn erst die so erwünschte Luft

mir Stirn und Wangen kühlet!

Fünftes Kapitel.

Das Metaphorische in der Kunst.

Das Metaphorische, welches statt des Nächstliegenden ein durch Analogie der Sphären Verwandtes setzt, welches das Fremde und Neue durch Übertragung des Bekannten sich verständlich macht und daher besonders das intensiv Menschliche, die Verbindung des Psychischen und Physischen, zum Maßstabe nehmen muß, durchdringt alles Kunstschaffen. Und das nicht nur in dem Sinne, daß wie das Wort im Grunde genommen ein Tropus ist und wie die Sprache ein Merkmal statt des ganzen Begriffs setzt, so auch der Künstler einen charakteristischen Moment aus der Fülle der möglichen auswählt, sondern: der Künstler stellt Bilder vor die Seele, Bilder, welche Verkörperungen des geistigen Erlebens sind, Bilder, in die er sein Denken und Empfinden, seine äußere und innere Erfahrung hineingesenkt hat. Die Kunst bietet Bilder menschlichen Seelenlebens in Stein oder Erz, in Ton oder Wort dar; und diese Übertragung der Empfindung, des Geistigen auf das Stoffliche ist das Metaphorische in der Kunst.

Es ist dasselbe Ausgestalten des Inneren wie bei der Sprache. Sprache und Kunst sind eben nur Mittel, um das geheimnisvolle Seelenleben in sinnliche Gestalt umzuwandeln. Was so rätselvoll im Inneren lebt, was das Herz füllt, was den Geist bewegt: es drängt nach Gestaltung, es muß ausströmen und das ist das Metaphorische der Kunst.

„Das Symbolisieren", sagt Fechner (Vorschule der Ästhetik II S. 132), „setzt die Kunst überhaupt in den Stand, nicht nur Abstrakta des Verstandes und Konkreta des Glaubens, sondern auch sinnliche Gegenstände, deren Anschauung über die Trag

weite unserer Sinne oder deren Darstellbarkeit den Rahmen eines Kunstwerkes übersteigt, doch in dasselbe aufzunehmen und dadurch das Gebiet der Kunstanschauung über das der natürlichen Anschauung hinaus zu erweitern, endlich in einfachen Symbolen Verhältnisse zur leichten und deutlichen Anschauung zu bringen, die bei direktem Ausdruck sich durch ihre Komplikation mit anderen Verhältnissen einer gleich leichten und deutlichen Auffassung entziehen."

So kann die Kunst, vor allem die bildende, auch das Höchste, was die Phantasie und der denkende Geist des Menschen sich vorstellen oder nur ahnen kann, sinnlich andeuten und nicht minder durch Hervorkehrung eines charakteristischen Momentes das Ganze, sei es ein Gedachtes oder ein Wahrnehmbares, wiederspiegeln.

Man hat somit auch alle Kunst symbolisch genannt. Das Symbolische fällt aber in Erweiterung seines Begriffes mit dem Metaphorischen zusammen. Denn was ist sinnbildlich? Das, was in äußerem Bilde einen inneren Sinn, einen geistigen Inhalt darstellt. Ein Kreuz, ein Anker, ein Herz sind äußere Dinge, in die eine innere Idee hineingetragen ist, sie sind vergeistigt, und also reden diese Zeichen, diese Symbole, von Glauben, Hoffnung, Liebe. Das Lamm ist ein Symbol der Unschuld, Eselsohren der Dummheit u. s. f. Aber andererseits ist auch das Lachen Sinnbild der Fröhlichkeit, Weinen Sinnbild der Traurigkeit, ja alle Mimik als äußere Darstellung eines inneren Lebens ist symbolisch und beruht, wie der allgemeinere Begriff des Metaphorischen, auf der harmonischen Ineinsbildung von Leib und Seele, auf jener den Leib organisierenden Macht, die der Seele innewohnt. Und so kommen wir nimmermehr darum herum, daß wir alles Kunstschaffen nach der Richtschnur unseres eigenen Wissens messen und beurteilen d. h. also daß wir das Verhältnis von Innerem und Äußerem, von Geist und Gestalt zum Prinzip erheben. Das Schöne ist nichts anderes als die harmonische Durchgeistigung des Stoffes. Darin liegt die metaphorische Bedeutung des, künstlerischen Schaffens; und darin liegt die beseligende Kraft des Schönen, denn was stimmt den Menschen glücklicher und froher als der Einklang seines Inneren mit der Welt?

Wir sahen, es ist metaphorisch, es ist einfach innere anthropocentrische Nötigung, dem Leblosen unsere Seele zu leihen, unsere Empfindungen und Stimmungen mit dem Objekte, mit dem Stoffe zu

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