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eines Lohenstein und die tändelnde Verseschmiedekunst der Pegnitzschäfer. Alles Einzelne in der Kunst ist immer nur Ausstrahlung eines Geistigen und trägt den Stempel des Allgemeinen.

So auch in der Architektur.

Aus den Aufgaben der einfachsten Ideen wuchs die Architektur zu den höchsten, idealsten empor. Sie bezeichnet zunächst die erste werkschöpferische Besitzergreifung der objektiven Welt durch den Menschen, wie Carriere sich ausdrückt; sie dient der Not, dem Bedürfnis, der Wohnung. Aber weiter gilt es, eine Stätte zu weihen für das Gedächtnis der nachkommenden Geschlechter; in das äußere Sinnbild trägt man den Stolz des Sieges, den Ruhm der Vorfahren hinein; der Grabhügel mit dem Stein wird ein Symbol. Mit dem Notwendigen und Zweckmäßigen verbinden sich ideelle Gesichtspunkte formaler Schönheit; vor allem den Göttern sucht der Mensch ein würdiges Haus zu bauen, ein Haus, das ihr Wesen symbolisch ausdrückt; und da der Mensch die Götter nach seinem Bilde schafft, so legt er sein höchstes und innerstes Wesen in dem Tempel, in dem Gotteshause nieder. Man denke nur, wie verschieden sie in Indien und in Griechenland sind und wie symbolisch den Gottesglauben der zum Himmel aufragende, in freien Linien emporschwebende gothische Bau wiederspiegelt, wie den Waldstämmen gleich die Strebepfeiler ragen, wie das magische Helldunkel, das dämmernd durch die farbigen Fenster bricht, der Stimmung religiöser Weihe entspricht, wie organisch das Einzelne die Idee des Ganzen verrät, sei es das in Blattwerk sich verwandelnde Kapitäl, seien es die Symbole der Rose und des Kleeblatts oder die nicht ein flaches Dachgesims bildenden, sondern schlank und spitz sich erhebenden Giebeln. Es ist eine Bewegung ohne Ende, wie die des Lichtes, das von allen Seiten reflektiert, doch eine ruhige Einheit bildet, wie die des Blutes, das in stetem Kreislaufe den Körper belebt, sagt Schnaase von dem gleichsam thätigen Kämpfen und Streben der Materie, das sich in gegenseitiger Spannung erhält und trägt, wo jeder Pfeiler wie ein Stamm erscheint, der seine Zweige nach allen Seiten ausbreitet, wie ein Mittelpunkt, der sich nach allen Seiten entfaltet, von den Wänden, die in mannigfaltig sich kreuzendem Verkehr gleichsam herüber- und hinüberströmen, in beständigen Repulsionen, welche den ganzen Raum bis an seine äußersten

Grenzen durchdringen. Das Schiller'sche Wort: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut" gilt auch von der Kunst; wie Leib und Seele in der Natur, so entsprechen sich, sagt Carriere, Geist und Technik, Idee und Material in der Kunst; und so giebt auch das Einzelne eine Grundstimmung der Zeit wieder, wie der gothische Dom als Ganzes den Aufschwung der Seele zum Ewigen, die Entfaltung des Gemütes im Reichtum der Welt.

Die architektonische Gliederung, die der Baukünstler nach allgemeinen Gesetzen beobachtet, ist durch und durch symbolisch. Er schafft im Geiste der Natur und im Geiste der Kunst. Wie die Helle, das Licht uns die Unschuld, das Glück, die Freude, wie das Dunkel das Böse und Traurige versinnbildlicht, so tragen wir durchaus anthropocentrische Begriffe auch in die Linien der Architektur hinein. Lotze führt „Über den Begriff der Schönheit" aus: Die räumlichen Verhältnisse der Baukunst, ihre strebenden Pfeiler und die breitgelagerten Lasten über ihnen würden uns nur halbverständlich sein, wenn wir nicht selbst eine bewegende Kraft besäßen und in der Erinnerung an gefühlte Lasten und Widerstände auch die Größe, den Wert und das schlummernde Selbstgefühl jener Kräfte zu schätzen wüßten, die sich in dem gegenseitigen Tragen und Getragenwerden des Bauwerkes aussprechen. So bildet also das leibliche Leben, mit Notwendigkeit Inneres durch äußere Bestimmungen auszudrücken treibend, einen Übergang zum Verständnis sinnlicher Gestalten und Umrisse. So deuten wir die Linien, als ob sie Charakter hätten, als ob sie ein inneres Leben anzeigten. In der geraden drückt sich Stetigkeit, in der gekrümmten bewegter Schwung aus. Die Thätigkeit des nacheilenden Auges wird in das Objekt selbst metaphorisch hineingesenkt. Die Vertikallinie versinnbildlicht das Aufstreben selbständiger Kraft, die Horizontale Ruhe und Gleichmäßigkeit, das Dreieck die Versöhnung der Gegensätze, die der rechte Winkel repräsentiert; der Kreis wird zum Sinnbild des in sich geschlossenen Unendlichen. So stellt uns die Architektur das Gleichgewicht zwischen Schwere und Kraft und die schöne Ordnung und sich wechselseitig bedingende Gliederung der Welt vor Augen; sie macht das Innere, das Gesetz der Dinge sichtbar, wie wir es nach Maßnahme unserer menschlichen Verhältnisse an Leib und Seele 5

Biese, Philos. des Metaph.

uns bilden; sie giebt dem individuellen Zuge des Künstlers weniger Raum als die anderen Künste; sie prägt mehr den allgemeinen Geist des Volkes und der Zeit aus, und diese Unmöglichkeit, das Streben nach Individualität zu erfüllen, vermählt, wie Kugler sagt, der unbedingten Konsequenz des architektonischen Werkes, die mit jedem Schritt höherer Entwickelung zunehmen muß, einen elegischen Hauch, einen Ausdruck der Sehnsucht, der unser persönliches Mitgefühl mehr, als es ohnehin der Fall sein könnte, in Anspruch nimmt.

In der Kunst ist immer ein Doppeltes zu unterscheiden: die Verkörperung des Geistigen und die Durchgeistigung des Körperlichen; und in beidem fanden wir ja das Wesen des Metaphorischen, wie es unserer geistig-leiblichen Natur entquillt. Der Mensch als die lebendige Ineinsbildung des Außeren und Inneren findet in dieser allein den Maßstab für alles Schöne, und der Künstler wiederholt nur in harmonischer Neubildung den Prozeß, den der Makrokosmos in dem Mikrokosmos des Menschen geschaffen hat.

In der Plastik ist vor allem der Mensch selbst der Gegenstand des Kunstschaffens; aber es gilt, nicht steingewordene Menschen oder menschgewordene Steine darzustellen, sondern der Stoff muß durchdrungen sein von Seele; der Marmor muß belebt scheinen, muß das Innere hindurchstrahlen lassen; er muß nicht nur ein Sinnbild, sondern eine Verkörperung des persönlichen Geistes oder (bei anderen Motiven) der Ideen sein, die der Phantasie des Künstlers entspringen. Der Höhepunkt der Plastik bezeichnet die Darstellung der Totalität des Geistes, des sicheren Insichselbstrubens eines Charakters. Keines Volkes Geist hat sich in der Plastik so harmonisch und ideal verkörpert als der der Griechen. Da waltet „edle Einfalt und stille Größe," Ruhe ohne Starrheit, inneres geistiges Leben und Symbolik der körperlichen Bewegung nud der Stellung der Glieder. Man denke nur an die drei Tauschwestern des Parthenon in in ihrer Anmut, der Abstufung ihrer Haltung: die eine ruht, der Botin zugewandt, die Kunde zu vernehmen; nur das angezogene rechte Bein deutet auf kommende neue Bewegung; die zweite ist durch und durch bewegt, der Oberleib ist vorgebeugt, beide Beine angezogen, die Arme leicht erhoben, während die dritte in vollkommener Ruhe

ausgestreckt ihr im Schoße liegt und nur durch eine leise Hebung des linken Armes bekundet, daß auch sie nicht teilnahmlos ist. Man denke an die Niobidengruppe mit ihrer auf das mannigfachste abgestuften Tragik, mit der Ausprägung von Leid und Angst und starrem Schmerz und mit der Wirkung der Furcht, des Mitleids, der Rührung und trotz alles Grausigen auch der Erhebung, welche die Würde und Hoheit dieser Leidensmutter selbst im Sturme des Grames erweckt. Man denke an die noch gesteigerter die Lebenswahrheit und schier pathologisch die Seelenregung wiedergebenden Pergamenischen Gestalten u. s. f. Welch ein

Leben umstrahlt auch den Apollo von Belvedere oder den Diskuswerfer, welche verhaltene, ja zusammengepreßte Bewegung und welch inneren Kampf zeigt uns der Laokoon! Wie schön spricht dies Wesen der griechischen Plastik Winckelmann in dem Worte aus:,,Sowie die Tiefe des Meeres allezeit ruhig bleibt, die Oberfläche mag noch so wüten, ebenso zeigt der Ausdruck in den Figuren der Griechen bei allen Leidenschaften eine große und gesetzte Seele." Es bedarf das keiner weiteren Begründung.

Das ist gerade das Wesen der Plastik, sagt Carriere a. a. O. S. 90, daß das ganze Innere im ganzen Äußeren völlig und deutlich erscheint, daß im Leibe nichts gleichgültig oder müßig, in der Seele nichts verborgen oder der Ahnung überlassen bleibt, sondern daß alles klar hervortritt und die Erscheinung ganz von der Idee durchleuchtet wird. Diese Sättigung der Idealität mit Realität, diese Verklärung der Wirklichkeit, dieses deutlich Entfaltete und dann abgeschlossen in sich Vollendete nennen wir mit bewußter Metapher das Plastische auch in den anderen Künsten. In der Plastik offenbart sich die naturwüchsige Harmonie des Leibes und der Seele, des Begriffs und der Erscheinung. Der Gedanke ist ganz in Erz oder Stein eingegangen, ganz und deutlich verwirklicht worden.

Sie ist die Gestalt gewordene Synthese von Innerem und Äußerem.

Wohl fehlt das Auge, aber die ganze Gestalt muß Auge sein; durch den ganzen Leib muß die Seele sprechen; so trägt denn das Antlitz die Ausprägung des Geistigen am deutlichsten; es ist die schweigende Seele; der Vorderkopf versinnbildlicht den Gedanken, der Hinterkopf den Willen, das volle Haar die Lust

zur That, das lockige den geistigen Schwung u. s. f.; es läßt sich die Symbolik ja leicht weiter führen, wie Herder die Stirne die Residenz des Geistes, eine leuchtende eherne Tafel genannt hat, den Mund den Kelch der Wahrheit, den Becher der Freundschaft und Liebe; und wie vermag der Mund, je nachdem er weich, voll, dünn, festgeschlossen u. s. w. ist, Sinnlichkeit oder Kraft oder Kargheit der Empfindung oder Energie u. s. w. auszudrücken! Wie kann Bitterkeit, Verbissenheit, Verachtung oder Süßlichkeit oder Scharfsinn in der Mimik des Mundes sich verraten! Wie kann selbst in der Hand die empfindende, sensible oder die harte, starre Seele sich wiederspiegeln, und nun gar wie viel Seelisches scheint durch den Blick hindurch, sei er nun lebhaft oder fest oder sanft oder unstet oder müde, versteckt, pedantisch, entzückt u. s. f., welche Sprache reden in der Plastik die Falten der Stirne, seien sie nun senkrecht oder horizontal, von Gedankenarbeit, von Leiden, von der Sinnesart!, Vgl. Piderit, Mimik und Physiognomik.

Da findet der Mut seinen Sitz in der Brust, der Heldenwille sein Organ in dem muskelstarken Arm; da pulsiert Macht und Frische des Lebensstromes freudig durch die Glieder und füllt mit aufquellender Kraft die vom Geist umschriebene Form aus (Carriere S. 91). Die echte Kunst, sagt Schelling, schafft gleich der Natur die Seele samt dem Leib zumal, und die Plastik erreicht das Höchste in dem vollkommenen Gleichgewicht zwischen Geist und Materie. In der Leibesschönheit offenbart sie den Adel des Geistes; das verklärende Licht des Geistigen adelt die Sinnlichkeit; die ganze Gestalt wird zum Spiegel des Geistes. - Hegel sagt von der Sculptur: „Sie faßt das Wunder auf, daß der Geist dem ganz Materiellen sich einbildet und diese Äußerlichkeit so formiert, daß er in ihr sich selbst gegenwärtig wird und die gemäße Gestalt seines eigenen Inneren darin erkennt. Er weiß dabei, daß die Beseelung, der Zauber der Lebendigkeit und Freiheit nur durch die redliche Treue und gründliche Genauigkeit in der Durchbildung alles Einzelnen erreicht wird."

In dieser Durchgeistigung des Stoffes und der Naturformen, in dieser Übertragung der menschlichen, leiblich-seelischen Harmonie auf die tote Materie, in dieser anthropocentrischen Beseelung des Stoffes liegt das Metaphorische der Plastik.

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