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Einen noch weiteren Spielraum für das Metaphorische bietet die Malerei. Sie ist subjektiver d. h. sie trägt noch mehr von dem eigenen Empfinden des Künstlers in das Kunstwerk hinein; da dieses durch Licht und Farbe wirkt, scheint das Seelische viel deutlicher hindurch als bei der Plastik. „Die Zeichnung giebt den Dingen die Gestalt, die Farbe das Leben" ist ein viel citiertes Wort Diderot's. Licht und Schatten und Dunkel, Dämmerung, Zwielicht u. s. f. wirken symbolisch; sie sind Sinnbiler der Freude oder der Trauer oder des Ahnungsreichen; aber auch die Farben haben ihre Symbolik; wir verbinden mit dem Rot, der Farbe des Blutes, die Idee des Lebens, der Pracht, der Liebe, wir tragen in das Gelbe, die Farbe des trügerischen Goldes, den Begriff der Falschheit hinein, in das Blau den der Treue, in das Violette den der Sehnsucht u. s. w. Die Beleuchtung, die Lichtreflexe, die Farbenzusammenstellung, die Farbentöne, Tinten, Perspektiven u. s. w. werden Stützpunkte für Stimmungen, die der Maler mit dem Pinsel zu erzeugen weiß, wenn er selbst von ihnen durchdrungen ist und er das Stoffliche mit dem Ideellen zu vermählen vermag, worin ja alle Kunst besteht. Die Malerei bietet also Spiegelbilder der Wirklichkeit, wie sie sich dem Auge und der Seele des Künstlers darstellen; was er malt, muß der Reflex eines klaren, reichen Geistes sein, es muß durchströmt sein von Wärme des Lebens, Innigkeit des Empfindens, von Stimmung des Herzens.

Die in seinem Geiste umgewandelte Erscheinungswelt muß der Maler auf die Leinwand zu zaubern wissen, jenen „heimlichen Schatz des Herzens" ausprägen, wie Dürer in seinem Proportionswerk (III B. T. III b. Nürnberg 1528) sagt: „Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur; wer sie heraus kann reißen, der hat sie; nimm dir nimmermehr vor, daß du etwas besser mögest oder wollest machen, als es Gott seiner erschaffenen Natur zu wirken Kraft gegeben hat, denn das Vermögen ist kraftlos gegen Gottes Schaffen. Daraus ist beschlossen, daß kein Mensch aus eignen Sinnen nimmermehr kein schöneres Bildnis machen kann, es sei denn, daß er durch viel Nachbilden sein Gemüt vollgefaßt habe, das ist dann nicht mehr Eigenes genannt, sondern überkommene und gelernte Kunst geworden, die sich besamet, erwächst und ihres Geschlechtes Frucht bringt. Daraus wird der gesammelte

heimliche Schatz des Herzens offenbar durch das Werk und die neue Kreatur, die Einer in seinem Herzen schafft in der Gestalt eines Dinges". Wahrlich ein goldenes Wort für alles Kunstschaffen und speciell für die Malerei, wie auch, was Dürer an anderer Stelle einmal sagt: „Ein guter Maler ist inwendig voller Figur." Was soll dies anderes besagen, als daß Auffassen und Wiedergeben des Schönen, das sich uns in der Welt bietet, auf einem inneren Prozesse beruht, bei welchem das äußere Bild zu einem geistigen umgeschaffen wird, bei welchem wir Seelisches auf die Erscheinungen übertragen, bei dem wir das heimlich im Herzen Verborgene vermählen mit der den Dingen immanenten (d. h. doch wieder von uns metaphorisch geliehenen) Idee, welche wir in ihnen ahnen und reproduzieren. Wer nicht im Einzelnen das Allgemeine erschaut, wer in der Flucht der Dinge und der Zeiten nicht die ewig bleibenden Gedanken und Anschauungsbilder erkennt, der wird auch nicht ein Gemälde voll Harmonie und Schönheit schaffen können, in dem die Linien und Farben ein geschlossenes Ganzes bilden und aus dem uns ein geistiger Gehalt entgegenschaut. Aus dem Portrait muß uns der Geist, die Sinnesart des Dargestellten entgegenschauen; das Gesicht muß sich als „Gebilde der Seele" erweisen. Das Geschichtsbild muß uns lebendig in den Moment hineinversetzen, den der Maler als den charakteristischsten festgehalten hat; der geistige Vorgang muß hindurchschimmern; das Genrebild zeigt uns die ewig typischen Scenen des Menschenlebens. Kurz und gut, wie über der Blume der Schmelz, muß über dem Bilde der Bezug zum Geistigen liegen, muß sich in ihm eine Idee wiederspiegeln.

Wie sehr aber die Malerei metaphorisch sein kann und der Künstler nicht nur seiner Seelenstimmung sichtbaren Ausdruck verleihen, sondern auch das Gegenständliche beseelen kann, das bekundet vor allem die Landschaftsmalerei. Sie ist ohne den „ahnungsvollen Dämmerschein des Geistes" und ohne die künstlerische Durchdringung des Einzelnen unter einem allgemeinen Gesichtspunkte unmöglich. Wessen Blick nur ins Weite, Ferne rastlos schweift wie der Sinn der Hebräer, wer nur das Einzelne in enger Begrenzung ohne Beziehung auf ein landschaftliches Ganzes erfaßt, wie der Sinn zumeist im Altertum und Mittelalter, der wird kein Landschaftsbild erzeugen.

Die Landschaft muß um ihrer selbst willen betrachtet und geliebt werden, ehe die Landschaftsmalerei erstehen kann. Sonst bleibt sie auf Hintergründe eingeschränkt. Wohl hat es die Kunst im Altertum und im Mittelalter verstanden, die Naturumgebung mit dem dargestellten Vorgange gleichsam auf einen Ton zu stimmen; aber die Natur um ihrer selbst willen ist erst in den Niederlanden gemalt worden. In dem daseinsfrohen, behaglichen und beschaulichen Volksgeist ward die Landschaftsmalerei geboren. So sagt Carriere sehr hübsch von den niederländischen Malern: Sie haben nicht nur in der liebevollen Betonung des Individuellen zugleich die Seele des Volkes veranschaulicht, sondern sie haben auch das Wesen und Walten der Naturseele belauscht, die Stimmung der Landschaft empfunden, das Gefühl des eigenen Herzens in ihr wiedererscheinen lassen. Und hierin besteht der Zauber des Metaphorischen in der Landschaftsmalerei; unter diesem Zauberstabe des seelischen Leihens wird die Natur bei dem einen Maler eine leidenschaftliche Macht, welche im stürmischen Kampfe ihr Lebenselement findet, so daß die Wogen wütend gegen die Granitfelsen anprallen, den Strand peitschen, die Dünen bedrohen, gierig an ihnen nagend, so daß die aufgeregte See immer gewaltiger anschwillt und sich aufbäumt, Schiffe verschlingend, so daß mit dem Aufruhr der Elemente der Zorn des Himmels sich verbindet, Wolken sich zusammenballen, der Regen herabstürzt, so daß die Gletscherfirnen in starrer Wildnis emporragen, dräuend und doch wieder majestätisch erhaben inmitten der grandiosen Natureinsamkeit. Bei den anderen ist alles in das Licht der Anmut und Lieblichkeit getaucht, so daß nicht nur Italiens sonnenbeglänzte Gefilde von Heiterkeit strahlen, sondern daß selbst auf unscheinbare Gegenden, schilfbewachsene Sümpfe, flache, von wenigen Bäumen belebte Ebenen ein Lichtblick des Geistigen fällt, daß heimliche Stimmung webt und waltet über dem sonnigen Walde, über der Mondlandschaft, über der Haide, über dem Meer.

Immer und immer wieder können wir den Eindruck der Landschaftsmalerei nur durch Analogie mit unserem Inneren, nur durch metaphorisches Leihen unserer Seele erkennen und schildern, und immer nur wirkt der Künstler, wenn er den Widerschein seiner eigenen Stimmung auf das Landschaftsbild hat fallen lassen, das dann neugeboren, durchgeistigt, beseelt ersteht aus dem heim

lichen Schatze seines Herzens. Und worin liegt der Zauber der Musik? Auch diese Frage löst uns das Prinzip des Anthropocentrischen und des Metaphorischen.

Was wir an uns und in uns erleben, giebt uns den Maßstab für alles von außen auf uns Eindringende. Wie wir also an uns selbst, an unserem gesamten Körper- und Gliederbau harmonische, symmetrische Verhältnisse wahrnehmen, wie Muskeln und Nerven in einander greifen, wie das Klopfen des Pulses, das regelmäßige Atmen rhythmisch bewegt ist, so ist es immanente Nötigung, ein Gleiches, wo es uns entgegentritt, als harmonisch, als angenehm zu empfinden. So erzeugt also die regelmäßige Folge, das Zusammenklingen verwandter Töne ein Wohlgefühl, während uns das Ungleichmäßige teils in Unbehagen, teils in Unruhe versetzt. Aber weiter! Nach der Analogie unserer übrigen Wahrnehmungen können wir auch die Aufeinanderfolge der Töne nur metaphorisch bezeichnen als ein Fallen und Steigen und Sinken.

Wie das Blut zum Herzen strömt, auf und nieder wallt, wie die Gedanken und Empfindungen in unserer Seele hinundherwogen, so wird das Steigen und Sinken der Töne ein Spiegelbild äußeren und inneren Lebens. Die Musik wird die Verkörperung des bewegten physischen und psychischen Seins, der Einheit in der Mannigfaltigkeit des Wechsels, sie verkündet, wie Carriere ausführt (S. 332 f.), den Rhythmus der Bewegung, das innere Wogen, Treiben und Drängen der bildenden Lebenskräfte in ihrer Entfaltung, in ihrem Ringen nach Gestaltung. Sie erfreut durch die Versöhnung der Gegensätze. Der Schall ist ein Ausdruck von der Bewegung der Dinge; er verhallt sogleich und ändert sich mit ihr; das innere Erzittern der Gegenstände pflanzt sich durch die Luft, durch unser Ohr und unsere Nerven in uns selbst fort und versetzt uns in ähnliche Bebungen, die in uns zur Empfindung werden.

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Was thut also der Musiker? Er macht das Reich schwingender Töne zum Träger der inneren Bewegung seines Gemütes und zum Spiegelbild der Bewegung der Außenwelt. Es ist ein ewiges Entstehen und Vergehen, ein Sichentzweien und Sichversöhnen, welches das Klingen und Verklingen der Töne malt; es ist ein Werdeprozeß von Schallgebilden, in die der Künstler sein inneres Leben versenkt hat und die wir Hörer nun nach unseren

eigenen Erfahrungen und Empfindungen mannigfachster Art umdeuten. Die kurzen, faßlichen Sätze rascher Tanzmusik sagt Schopenhauer (I 344 Gr.), scheinen nur von leicht zu erreichendem gemeinen Glück zu reden; dagegen das Allegro maestoso, in großen Sätzen, langen Gängen, weiten Abirrungen, ein größeres edleres Streben nach einem fernen Ziel und dessen endliche Erreichung bezeichnet. Das Adagio spricht von Leiden eines großen und edlen Strebens, welches alles kleinliche Glück verschmäht. Aber wie wundervoll ist die Wirkung von Dur und Moll! Wie erstaunlich, daß der Wechsel eines halben Tones, der Eintritt der kleinen Terz statt der großen uns sogleich und unausbleiblich ein banges Gefühl aufdrängt! - Und so wird die Musik uns durch und durch symbolisch; wir deuten ihr Auf und Ab durchaus metaphorisch, die rein musikalische Stimmung, also den Wechsel des Tempos, des Taktes, des Rhythmus, als seelische Stimmung des Heiteren, Ernsten, Traurigen, Leidenschaftlichen u. s. f.

Unsere ganze Organisation, nach Stimme und Bewegung, zwingt uns die Musik analog aufzufassen. Der von außen an Ohr und Herz schlagende Rhythmus wird zu einem inneren, beseelten. So findet man in der Musik das Bild der von einem Mittelpunkte aus sich entfaltenden, im Kampfe sich versöhnenden, zum Ganzen sich formenden Kräfte der Natur und des Geistes, ein Bild der Vielheit, des Widerstandes und des Streites der einzelnen Lebensmächte, des Friedens, der aus dem Kampfe hervorgeht. So nennt Wagner die Musik,,die zweite Offenbarung der Welt, das unaussprechlich tönende Geheimnis des Daseins", sie stellt uns die Freude, die Betrübnis, den Schmerz, das Entsetzen, den Jubel, die Gemütsruhe, kurz alles Menschliche in Tönen dar. Und so legt denn der Musiker seine Seele hinein in den Schwall der Töne und formt sie zu belebten, in der Luft dahinschwebenden und verwehenden Gestalten; er weiß mit wenigen Akkorden einem Gedanken, einer Empfindung Ausdruck zu verleihen; freilich vernehmlich nur für den Empfänglichen und mannigfach deutbar, je nach der wechselnden Stimmung des Hörers; er stellt das Thema hin, das sich aus der unruhig wogenden Fülle der Motive und mannigfach sich verschlingenden Klänge heraushebt; er läßt es wieder versinken und dann reicher und voller stets wiederkehren, wie die gewaltige Welle des Meeres schon in

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