Prosadichtungen Die Leiden des jungen Werthers / Volksverband der Bücherfreunde Harr 6-9-25 8921 Einleitung Die Leiden des jungen Werthers 1. Zu Anbeginn der Goetheschen Prosadichtung steht die kleine und doch so duftschwere Wunderblüte des „Wer= ther". Von allen epischen Werken Goethes das am wenigsten epische. Ein Kapitel aus „Dichtung und Wahrheit" in jugendlich überströmendem Gefühl vorwegge= nommen und zu grausem Schlusse emporgetrieben. Und doch vollkommen zur Dichtung erblüht, alle Erdenschwere hinter sich lassend. Neben dem „Göß“ hat gerade dieses Werk Goethes Ruhm begründet. Die äußere Geschichte des Romans ist einfach und in den Hauptzügen in „Dichtung und Wahrheit“ nachzulesen, wenn auch einige Irrtümer in diesem Bericht richtiggestellt werden müssen. Im Sommer 1772 weilte Goethe in Wetlar, wo er mit dem im Roman poetisch gestalteten Brautpaar Kestner und Lotte in freundschaftlichen Beziehungen stand, ohne daß von einer verzehrenden Leidenschaft zu Lotte Buff die Rede sein konnte. Nicht lange nach seiner Abreise, am 30. Ottober 1772, erschoß sich in Wetzlar der junge Jerusalem, |