Im J. 1851 schreibt er an seine Gemahlin (1. c. S. 111): ....Ich begreife nicht, wie ein Mensch, der über sich nach„denkt und doch von Gott nichts weiss oder wissen will, sein „Leben vor Verachtung und Langeweile tragen kann. Ich weiss nicht, wie ich das früher ausgehalten habe; *) sollte ich jetzt leben wie damals, ohne Gott, ohne Dich und die Kinder ich wüsste doch in der That nicht, warum ich „dies Leben nicht ablegen sollte wie ein schmutziges Hemde." Im J. 1861 tröstet er einen Schwager über den Verlust eines Sohnes und bemerkt: .. Wir sollen uns an diese Welt nicht hängen und nicht in ihr heimisch werden" (S. 114). Im J. 1883 äusserte er zu Busch: .. Von meinem Glauben losgelöst, bin ich matt und schwach" (S. 125). Im Juni 1847 sagt er im vereinigten Landtage (S. 117): .....für mich sind die Worte: ,Von Gottes Gnaden,' welche christliche Herrscher ihrem Namen beifügen, kein leerer Schall, denn ich sehe darin das Bekenntnis, dass die Fürsten „das Scepter, welches ihnen Gott verliehen hat, nach Gottes Willen auf Erden führen wollen.... Entziehen wir diese religiöse Grundlage dem Staate, so behalten wir als Staat nichts, als ein zufälliges Aggregat von Rechten, eine Art Bollwerk gegen den Krieg aller gegen alle, welches die ältere Philosophie aufgestellt hat.“ Im J. 1870 sagt Bismarck in offener Sitzung (1. c. S. 120): Für jemand, der des Glaubens nicht ist zu dem ich mich vom Herzen bekenne der Tod sei ein Übergang von „einem Leben in das andere, - für jemand, der diese Überzeugung nicht theilt, müssen die Freuden dieses Lebens einen solchen Wert haben, dass ich ihn fast um die Empfindungen, die sie ihm machen, beneide; er muss in einer Beschäftigung leben, die für ihn so befriedigende Erfolge aufweist, dass ich *) Dieser Ausspruch erinnert auffallend an zwei Stellen der Selbstgespräche Marc Aurels: (II. 11.) „Gibt es aber keine Götter oder kümmern sie sich nicht um die menschlichen Angelegenheiten, was soll mir dann noch das Leben ohne Götter und ohne Vorsehung" und VI. 10., „ist die Welt ein Gemisch von Dingen, die sich bald miteinander mischen, bald voneinander lösen (ohne dass Einheit und Vorsehung walten), warum sollte es mich verlangen, in einem ordnungslosen Gewirre, in solch einem Gemengsel zu verweilen, was könnte mir dann erwünschter sein, als einst wieder Erde zu werden!" " seinen Gefühlen darin nicht zu folgen vermag, wenn er mit ,,dem Glauben, dass seine persönliche Existenz mit diesem leiblichen Tode für ewig abgeschlossen sei, wenn er mit diesem Glauben es überhaupt der Mühe wert findet, weiter zu leben." Mit Bezug auf die Verarmung, welche die Verbreitung der socialdemokratischen Lehren über Deutschland bringen würde, wenn man nicht gesetzliche Hemmung beschlösse, sagte Bismarck 1876 im Reichstage (p. 121): Wenn diese Zustände fortwirken, dann wird das ihr Heilmittel sein, die „Zuchtruthe, die Gott über diese Excesse verhängen wird.“ Moltke und Auch der grosse Mitarbeiter Bismarcks an der NeuReligion. gestaltung Mitteleuropas, Moltke, ringt, ungleich seines Genossen mehr christlicher, ja sogar confessioneller Haltung, nach religiöser Erleuchtung, doch in mehr philosophischer Deutung und Sprache. Dieselbe gelingt ihm zwar in den Trostgedanken" nicht immer, sieht sogar hie und da etwas unbeholfen aus, beweist aber nichtsdestoweniger in seinen schönen Gedanken das hohe geistige Streben des Helden. Wie sehr ihm diese Richtung am Herzen lag, geht schon daraus hervor, dass er seine Trostgedanken" in verschiedenen Jahren viermal umarbeitete. (Zur Lebensgeschichte des General-Feldmarschalls Grafen Helmuth von Moltke, Berlin 1892; Gesammelte Schriften S. 337 ff.) Der Ausdruck „Trostgedanken" mag Moltke wohl durch ähnliche Trostschriften der „Alten“, z. B. Seneca's und Plutarch's, eingegeben worden sein. Wir wiederholen, dass wir glauben, den Beweis erbracht zu haben, dass gänzliche Abwesenheit von religiösen Gefühlen bei tiefstehenden Völkerschaften und Individuen kaum je und dann nur unter den ausserordentlichsten Verhältnissen vorkomme, und alles darauf hindeute, dass in civilisierten Staaten die weitaus grösste Menge sogar confessionellen Ansichten huldige, und dass auch in den der Zahl nach äusserst beschränkten Kreisen ausnahmsweise Hochgebildeter sich eine gänzliche Abweisung religiöser Gefühle, bei den Führern wenigstens, kaum finde. " Ausnahmen von der heit des Doch gibt es ohne Zweifel scheinbare Ausnahmen Scheinbare bei solchen, die den sogenannten höheren Classen, den soge-1 nannten Gebildeten" angehören. Nicht wenige haben sich Algemeinin unserer nervösen, überhastenden Zeit im Drange für sie Religions. wichtiger Geschäfte entwöhnt, anderen Gedanken, als eben gefühles. den mit jenen Geschäften in Verbindung stehenden nachzuhängen. Eine gewisse Mode, Associationen verschiedener Art, hängen hiemit zusammen. Die Welt anderartiger Gedanken wird ihnen eben fremd und es bedarf ganz besonderer Umstände und Erinnerungen, um ihnen ihr eigentliches,,ich" wieder ins Gedächtnis zu rufen. Recht ergötzlich ist bisweilen, wie bei Menschen, die solchen Gefühlen, besonders religiösen, abhold sein wollen, der Aberglaube, der Glaube an den ,,Stern", die Furcht vor dem Freitag, der Zahl 13 und Ähnlichem eine grosse Rolle spielt. Was ist aber der Glaube an die Wirksamkeit solcher Dinge anderes, als die Überzeugung von der Kraft und dem Einflusse ausser dem Menschen gelegener und doch nicht physischer Agentien.*) Belege. Einige Begebenheiten der jüngsten Zeit liefern hierzu interessante Verschiedene Gattungen von Aber Angaben Bisher war es seit der ersten allgemeinen Weltausstellung in London (1851) Sitte gewesen, Veranstaltungen dieser Art am 1. Mai, der überall als glauben. Festtag des hereinbrechenden Lenzes gefeiert wird, selbst dann zu beginnen, Hesiod's ausführliche wenn sie noch sehr unfertig waren. Zwei Ausstellungen harren ihrer Eröffnung, jene zu Budapest und die in Antwerpen; doch der 1. Mai fällt auf den über Unglückstag (Freitag), man wagt nicht, dem Aberglauben entgegenzutreten, glückliche und somit ist um mit Laubes Karlsschülern zu sprechen erster Mai, und die Eröffnung beginnt mit dem zweiten. zweiter Mai Doch kann der Freitag auch ein Glückstag sein. Das soll besonders hinsichtlich des Nägelschneideus an den Fingern der Fall sein, das am Freitag geschehen muss und dann vor Zahnschmerzen bewahrt. Der Bischof Martin von Bracara (Spanien) rügt noch am Ende des 6. Jahrhundertes, dass die Frauen als Überbleibsel des Heidenthumes zum Eingehen von Ehen den Freitag (dies Veneris) bevorzugen. (Schultze, Untergang des griechischrömischen Heidenthumes, Jena 1887, I. Seite, 404. Note.) Nach Mittheilung französischer Zeitungen baten mehrere Hauseigenthümer in Paris noch vor einigen Jahren, ihre Häuser nicht mit der Unglückszahl 13, sondern mit 12bis“ bezeichnen zu dürfen! Das Gleiche geschah auch in Frankfurt a. M. (1893). Verfasser wohnte im Herbste 1887 in einem der ersten Hôtels im Haag, und sah mit einiger Verwunderung, dass die Nachbarzimmer die Zahlen 12 und 14 führten. Auf seine Anfrage wurde und unglückliche Tage. Kurze Zwei Dinge unterscheiden den Menschen. von dem Zusammen- Thiere: Es gibt kein sprachloses Volk und der Mensch sucht fassung. ihm die Aufklärung, dass die Zahl 13 nicht überall als gutes Vorzeichen gelte! Der 13. jeden Monates ist hinwieder jungen Mädchen zum Kürzen des Haares sehr zu empfehlen und diese Wahl wird hier (in Wien) eifrig eingehalten. Man wird sich erinnern, welche Furcht das „mal' occhio“ in Italien noch immer verbreitet. Wer um das Jahr 1858 in Rom gelebt hat, dürfte kaum vergessen haben, dass zwei Männer, von denen der eine auf schwindelnder Höhe... in dieser Beziehung grosse Besorgnis erregten. Die später so unglückliche Kaiserin Charlotte von Mexiko, gewiss eine ehrerbietige Dienerin der Kirche, erzählt uns im Januar 1865, dass der letztere sich „oft" scherzend einen Gettatore genannt habe. (Maximilian and Charlotta, a stony of Imperialiom, by John M. Taylor, New-York und London, 1894.) Interessant ist, dass die erste Anweisung, bestimmte, nach ihren Zahlen hervorgehobene Tage zu gewissen Verrichtungen auszuwählen und sie als Glücks- oder Unglückstage zu betrachten, schon bei dem alten, ehrlichen Hesiod (er wird von einigen für gleichzeitig mit Homer, hie und da sogar für älter gehalten, nie aber später gesetzt, als 800 v. Chr.) vorkommt. Er sagt: (Werke und Tage, V. 765 ff.) : „Merke die Tage von Zeus dir wohl, nach völliger Ordnung, spöttliche Reden, sich mit dem Übersinnlichen in Beziehung zu setzen, und diese reflectiert wieder auf sein Fühlen, Denken und Handeln. Weil die Geistesthätigkeit des Menschen selbst auf der niedersten Stufe über die Sinnesempfindungen hinausgeht, d. h. weil er Mensch ist, darum ist er im Besitze von Religion (Roskoff 1. c. S. 35). Wenn Religion allgemein unter den Menschen verbreitet ist, so muss selbstverständlich Empfänglichkeit für religiöses Gefühl vorhanden sein, wobei wir uns aber nicht nothwendig ein eigenes hiefür bestimmtes Organ zu denken brauchen. In diesem Sinne sagt Goethe (Einl. z. Farbenlehre), sich an Plotinus (Vom Schönen, Cap. VI.) anlehnend: Brüllenden Stier; am zwölften das arbeitduldende Maulthier. Wenn sich der Morgen erhebt; noch kläglicher ist er am Abend. |