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Sognefjord, lebte. Hier verbrachte der Knabe den größten Theil seiner Kindheit inmitten der herrlichsten und großartigsten Scenen norwegischer Natur und Landschaft, inmitten des eigenartigen und ursprünglichen nordischen Volkslebens, welches er in verschiedenen seiner Erzählungen so anziehend und fesselnd zu schildern verstanden hat. Als Hjalmar ungefähr elf Jahre alt war, verlor er seine Mutter und blieb nun ganz der Aufsicht des Großvaters von Mutterseite überlassen, welcher ihn auf das Gymnasium schickte und ihn später die Universität Christiania besuchen ließ. Während seiner Studienjahre auf dem Gymnasium und der Universität verbrachte Hjalmar die Ferien immer bei seinem Großvater, und machte die Reise hin und her gerade in der für jene Gegenden besonders günstigen Jahreszeit zu Lande und troß der ziemlich beträchtlichen Strecke von zwanzig deutschen Meilen - immer zu Fuß und mit dem Ränzchen auf dem Rücken, um Land und Leute besser kennen zu lernen und sich mit dem Charakter des norwegischen Bauernstandes genau vertraut zu machen. Wegen seiner Vorliebe für Sprachen und der merkwürdigen Leichtigkeit, mit welcher er dieselben erlernte, hatte er sich dem Studium der Philologie gewidmet und seine Studien im Jahre 1868 absolvirt und wollte sich soeben in Christiania dazu vorbereiten, die erworbenen Kenntnisse auf einer Lehrerstelle praktisch zu verwerthen, als er von seinem Vater einen Brief erhielt, wel-. cher seinem Schicksal eine andere Wendung gab. Sein Vater, welcher eine Zeit lang in den Vereinigten Staaten gelebt und sich für dieses Land begeistert hatte, rieth nämlich in diesem Brief dem Sohne, sich lieber in jenem Lande der Freiheit und der großartigsten Entwickelung einen umfangreichen Wirkungskreis zu suchen, als in dem „kleinen arktischen Winkel" seines Heimatlandes zu versauern. Demgemäß entschloß sich Hjalmar, einstweilen versuchsweise ein Jahr in den Vereinigten Staaten zu verbringen, und landete zu diesem Behuf im Frühjahr 1869 in New-York, be

reiste zunächst während einiger Monate Neu-England und die westlichen Staaten und kam nach Chicago, wo er ¡u Anfang des Jahres 1870 eine Stelle in der Redaktion einer dort erscheinenden norwegischen Zeitung „Fremad“ (Vorwärts) annahm. Diese vertauschte er aber schon im folgenden September mit der Stelle eines Lehrers für lateinische und griechische Sprache an einem kleinen Colleg in Ohio, welchem Posten er darum den Vorzug gab, weil derselbe ihn ganz unter Englisch-Redende versette und ihm die längst ersehnte Gelegenheit bot, sich so sehr mit der englischen Sprache vertraut zu machen, daß er sie in Wort und Schrift wie seine Muttersprache handhaben könne. Zu diesem Behuf versuchte er schon im darauf folgenden Winter, seine reizende norwegische Dorfgeschichte „Gunnar“ sogleich in englischer Sprache zu schreiben. Dieser Versuch gelang; die Erzählung erschien im „Atlantic“, fand großen Beifall und ist auch in einer deutschen Ueberseßung erschienen. Seither hat Boyesen noch verschiedene andere Werke in englischer Sprache und in einem so guten Styl veröffentlicht, als man ihn nur bei irgend einem amerikanischen Schriftsteller finden kann; und Boyesen hat als einer der anmuthigsten modernen amerikanischen Erzähler verdientes Aufsehen gemacht.

Zu Ende des Jahres 1872 erhielt Boyesen einen ehrenvollen Ruf als Docent an die Cornell-Universität, welchen er unter der Bedingung annahm, daß er vor Antritt jener Stelle noch eine Reise zur Vollendung seiner Studien und Kenntnisse mache. Diese Bedingung ward ihm gewährt, und demgemäß reiste er im Frühjahr 1873, noch vor Erscheinen seiner Dorfgeschichte „Gunnar“, nach Europa, verweilte das Sommersemester hindurch zur Förderung seiner deutschen Studien in Leipzig (wo, wie er in der Vorrede zu seiner Goethe-Schiller-Biographie sagt, ihm „die tiefere Bedeutung von Goethe's Leben und Wirken aufging, welche ersten Eindrücke seitdem durch das fortgesetzte Studium von

Goethe's Schriften nur noch klarer gemacht und verstärkt worden sind“), machte dann einen Besuch in Norwegen und kehrte über Frankreich und England nach den Vereinigten Staaten zurück. Während seines Aufenthalts in Paris machte er die Bekanntschaft von Iwan Turgenjeff, erwarb fich dessen Freundschaft und steht seither mit demselben in Briefwechsel. Nach der Heimkehr trat Boyesen seine Professur an der Cornell-Universität an, welche er noch immer bekleidet und in welcher er emsig bemüht ist, in seinen empfänglichen Zuhörern Sinn und Verständniß für deutsche Sprache und Literatur der Vorzeit und Gegenwart zu wecken und zu nähren.

Der Einfluß der deutschen Literatur auf Boyesen's eigene Dichtungen und Schriften, obwohl sie englisch geschrieben sind, ist unverkennbar: in seinen Novellen und Erzählungen ist etwas von Goethe'scher Klarheit und „Lust zum fabuliren"; in seinen prächtigen schwungvollen nordischen Balladen, welche zugleich seine für einen Ausländer ganz ungewöhnliche Gewalt über die englische Sprache bewundern lassen, werden wir Einflüsse von Schiller und Uhland gewahr; und in allen seinen Schriften finden wir uns ungemein angemuthet durch etwas Geistig-Verwandtes, durch deutsche Gesinnung und Bildung, welche auch seinem Buche über Goethe und Schiller ihren anheimelnden Reiz verleihen.

Ein Kommentar zu Goethe's "Faust" von einem solchen Schriftsteller hat an sich seine Berechtigung und verdient das Bürgerrecht in unserer Literatur, wenn auch die zünftige akademische Kritik vielleicht daran mäkeln möchte. Jedenfalls aber darf ein Buch über Goethe's "Faust", welches als Frucht liebreicher und gründlicher Studien in einer fremden Sprache erschienen ist, bei uns nicht todtgeschwiegen, sondern muß als Zeichen von der Weltwanderung dieser kostbaren Perle deutscher Dichtung und der kulturhistorischen Mission der deutschen Literatur nur freudig begrüßt werden. Hiermit dürfte die Existenzberechtigung dieser vorliegenden deut

schen Bearbeitung eben so triftig nachgewiesen sein, wie diejenige der deutschen Uebersetzung der Lewes'schen GoetheBiographie, zu welcher der Boyesen’sche Kommentar gewissermaßen (wie zu allen Goethe-Biographien) eine wesentliche Ergänzung bildet, denn die Faust-Dichtung steht ja im innigsten Zusammenhang mit Goethe's eigenstem innerem und äußerem Leben. Der vorliegende Kommentar verdient daher gewiß wegen seiner Kürze und Faßlichkeit die allgemeinste Verbreitung und wird sich besonders dem größern Leserkreise und der Jugend nüßlich erweisen. Da aber in beiden Theilen der Goethe'schen Dichtung eine Menge Fremdwörter und dunkler Stellen oder mythologischer und anderer Gestalten vorkommen, deren Bekanntschaft eine genaue Vertrautheit mit der klassischen Mythologie und Literatur voraussetzt, so haben wir es für zweckmäßig erachtet, unserm vorliegenden Kommentar noch ein alphabetisches Wörterbuch von Erklärungen der mythologischen und sonftiger Fremdwörter, Allegorien und sonstigen dunklen Stellen anzufügen, welches gewiß für den großen Leserkreis eine willkommene und nügliche Zugabe sein wird. Und so werden wir uns denn keiner Illusion hingeben, wenn wir auch diesem Faust-Kommentare eine günstige Aufnahme und weite Verbreitung prophezeien!

Stuttgart, Juni 1881.

Otfrid Mylius.

Fauft.

Erster Theil.

1.

Ein Kunstwerk kann, nach Goethe's eigenen Worten (Niemer's Mittheilungen über Goethe, I. Thl. S. 487), nur unter dem Beistand des Herzens vom Kopfe begriffen werden. Die Augen des Herzens sehen tiefer und schärfer als diejenigen des Kopfes; sie entdecken die verborgenen Lebensströmungen, welche dem Werke des Dichters den lebendigen Pulsschlag und Bewegung verleihen. Auf kein literarisches Erzeugniß ist diese Maxime des Meisters eigentlich anwendbarer, als auf seinen eigenen „Faust“.

Betrachtet man den „Faust“ auch nur als eine intellektuelle Erscheinung, so ist er in der That wunderbar, eigenthümlich anreizend, eine Encyklopädie weiser und geistvoller Aussprüche. Er hat aber gleich den heiligen Schriften der Nationen noch einen tiefern symbolischen Charakter; er umschließt einen geheimen Schaß, ein aufgespeichertes Geheimniß, welches nur ehrfurchtsvollem und theilnehmend mitfühlendem Studium sich erschließt. Er hat eine oberflächliche Bedeutung für den Oberflächlichen (und zwar eine sehr schöne und werthvolle Bedeutung), und eine reichere und kostbarere Lehre für denjenigen, welcher tief genug gräbt, um sie zu finden.

Die Dichtung selbst ist mit des Dichters Leben so unauflöslich verwoben, daß man das letztere eigentlich als einen fortlaufenden lebendigen Kommentar zu ersterem betrachten lann. Die erste Anregung dazu datirt zurück in Goethe's

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