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seine Anwesenheit fte vergessen gemacht hatte. Die peinigenden Visionen kehren zurück, ihre Gedanken irren in hoffnungsloser Verworrenheit durcheinander, und ihr Verstand wird wieder verdunkelt und umnebelt:

,,Gib deine Hand! Es ist kein Traum!

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Und wie nun ihr Geist fortfährt, auf den Bildern zu verweilen, welche vor ihr aufsteigen, so wird ihre Vision gespannter und intensiver und sie treibt hoffnungslos auf einem Meer der wildesten Hirngespinnste hin und her. Sie steht ihr Kind im Wasser zappeln, sieht es untersinken und sich wieder an die Oberfläche erheben, und sie fordert ihn laut auf, es zu retten. Allein die höchste Höhe des Grausens und Entseßens wird erreicht, als sie mit einer zauberhaften realistischen Energie sich an der Mutter Tod erinnert:

,,Wären wir nur den Berg vorbei!

Da sigt meine Mutter auf einem Stein,

Es faßt mich kalt beim Schopfe!

Da sist meine Mutter auf einem Stein,

Und wadelt mit dem Kopfe;

Sie winkt nicht, sie nicht nicht, der Kopf ist ihr schwer,

Sie schlief so lange, fte wacht nicht mehr.

Sie schlief, damit wir uns freuten,

Es waren glüdliche Zeiten!"

Welch ein ergreifender grausenerregender Realismus liegt in diesem Bilde der Mutter, die auf einem Steine sitt und immer mit dem Kopfe wackelt!

Weil er nun all sein Bitten und Flehn vergeblich findet, beschließt Faust endlich, Gretchen mit Gewalt hinwegzuschleppen; allein sie sträubt sich dagegen und widersteht

mit der Kraft der Verzweiflung. Inmitten der Finsterniß die sich über ihre Seele gelagert hat, hegt sie noch iminer eine undeutliche aber nichts desto weniger unerschütterliche Ueberzeugung, daß die Strafe, welche ihrer warte, nur eine Buße und Sühne ihrer Verbrechen sei. Es gebe, sagt sie sich, auf Erden keine Hoffnung mehr, warum sollte fie fliehen? Man würde sie ja doch finden und in ihren Kerker zurückschleppen. Das Leben, welches er ihr anbietet, würde schlimmer sein als Tod, denn wie vermöchte sie liebend an der Seite des Mannes zu weilen, welcher der Genosse und die Ursache ihrer Schuld gewesen ist? und dann:

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,,Es ist so elend, betteln zu müssen,

Und noch dazu mit bösem Gewissen!"

Indem sie so den rettenden Arm zurückstößt, welcher nach ihr ausgestreckt wird, indem sie durch eine freiwillige aber halb bewußtlose Handlung die Buße wählt, welche fie sogar nach dem grausamen blutigen Strafgefeß ihrer Zeiten nur halb verdient hat, macht sie ihren Tod zn feiner Wiedervergeltung mehr, welche ihr von außen aufgezwungen wird, sondern zu einer freien und heroischen Selbstaufopferung. Dieser freiwillige Tod erhebt sie auf diese Weise, inmitten ihres Wahnwiges und ihrer Sünde, zu einer sittlichen Höhe, welche die Versicherung von oben am Schluffe, daß Gretchen gerettet sei, wie eine natürliche Bestätigung unserer eigenen Ueberzeugung erscheinen läßt, daß ihre Schuld niemals den innersten Kern ihres Wesens ergriffen habe, daß sie im Herzen noch immer gut und rein und unschuldig gewesen sei. Allein ist die That, wenn einmal begangen, ohne Rücksicht auf die Beweggründe, welche dazu getrieben haben und sie veranlaßt haben mögen, eine unerbittliche Thatsache, welche nicht hinweggeläugnet, nicht übergangen werden kann, ein Vergehen gegen die fittliche Ordnung der Gesellschaft, welche die

Gesellschaft, so wie sie nun einmal besteht, ahuden muß. Und durch alle diese Verirrungen ihrer Gedanken hindurch macht dieses tief eingewurzelte Bewußtsein sich fortwährend geltend, daß es für sie doch keine Ruhe und keinen Frieden mehr auf Erden gebe, selbst wenn sie auch im Stande wäre dem Arm der irdischen Strafgerechtigkeit zu entfliehen. In ihrem kindlichen Glauben besitzt sie überdies eine Quelle des Trostes, welche Faust versagt ist; sie ergibt sich vertrauensvoll in das Gericht Gottes und fleht ihn nur um Hilfe und Führung an:

,,Dein bin ich, Vater! Rette mich!
Ihr Engel, ihr heiligen Schaaren,
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
Heinrich! Mir graut's vor dir.“

Mephisto, welcher eingetreten ist um zu mahnen, daß der Morgen aufdämmert, fällt über sie den strengen Wahrspruch: "Sie ist gerichtet!" allein eine Engelsstimme von oben gibt dagegen die Versicherung, fie sei gerettet! In herrischem Tone befiehlt er nun Faust ihm zu folgen, allein während er verschwindet, hört man noch Gretchen von innen mit verhallender ängstlicher Stimme rufen: „Heinrich! Heinrich!“ Und hiermit schließt der erste Theil der Tragöbie. Das unglückliche Mädchen, welchem soeben sein letter Erdentag anbricht, ist noch immer voll zärtlicher Besorgniß um den Mann, welcher sein Verderben herbeigeführt hat, den es aber unwandelbar und ohne Aufhören lieben muß. Ihr ängstlicher Ruf voll Mitgefühl erweitert sich, wie Vischer so treffend bemerkt, gleichsam zu der Stimme des ungeheuren Unsichtbaren der zahllosen mitfühlenden Menschenherzen draußen; er wird ein Symbol der vielen ängstlichen Fragen, mit welchen wir dem schuldbelasteten Manne in seinen ungeheuren wichtigen Wirkungskreis, in die neue Laufbahn folgen, welche sich vor ihm aufzuthun anhebt. Der Gesang der Engel am Schluß

des zweiten Theils wird auf diese Weise doppelt wahr, „daß die Liebe von oben ihm immer_folgte.“*)

*) Anschließend an die schönen Gedanken, womit der Kommentator die Erklärung der Kerkerscene durchgeführt hat, möchten wir an dieser Stelle auch noch hinweisen auf den meisterhaft vollendeten, mustergiltigen dramatischen Aufbau dieser Scene. Es gibt, wie schon Rosenkranz, Kreyßig, Vischer und Kuno Fischer am geeigneten Orte hervorgehoben haben, vielleicht in der ganzen tragischen Dichtung aller Zeiten keine andere Stelle mehr, welche sich an dramatischer Kraft und Spannung mit der ganzen Kerkerscene messen kann. Hier ist kein Wort zu wenig und kein Wort zu viel, alles ist Handlung und Leben, alles von einer Klarheit und Wirkung, von einer Mark und Bein durchschütternden Wahrheit und Realistik, welche kein Shakespeare und kein Calderon übertroffen haben! Anm. d. Bearb.

**

Fauft.

Zweiter Theil.

1.

Es liegt nicht in meiner Absicht, auf irgend eine detaillirte Exposition des zweiten Theils von „Fauft“ einzugehen, sondern ich gedenke nur, so weit ich es zu thun im Stande bin, in großen, umfassenden Umrissen die Entwickelung und den organischen Zusammenhang der Ideen nachzuweisen, welche unter seiner verwirrenden Masse von Masken und dunklen Allegorien pulsiren und glühen.

"Faust" ist kein gewöhnliches Drama, ward wahrscheinlich von seinem Verfasser niemals zur Bühnendarstellung bestimmt und kann daher auch nicht nach den gewöhnlichen Regeln der dramatischen Kunst beurtheilt werden. So oft ich auch den "Faust" lese, so macht er mir doch immer den Eindruck, als sei er in diesem Augenblick so eben frisch aus seines Schöpfers Hand hervorgegangen. Es wird für mich ewig eine Art Offenbarung bleiben, eine unerschöpf= lich universale Enthüllung, welche jeder neuen Generation neue Probleme und immer neue Vorräthe von gewaltigen und tiefen Wahrheiten darbietet. Es ist im tiefften innersten Sinne die Epitome, der Auszug und Inbegriff, das edelste Ergebniß eines großartigen und edlen Lebens. Es ist ein gewaltiges Werk, weil sein Verfasser ein gewaltiger Mensch war. Er war (wie zu behaupten ich kein Bedenken trage), das vollkommenste, von der ganzen Geschichte aufzuweisende Beispiel von einem Menschen, welcher zur vollen Reife und Statur intellectueller Mannhaftigkeit her

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