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wie Vieles und wie Großes für den Menschen erreichbar ist. Mit diesem Entschluß tritt er nun in den weiteren Lebenskreis ein, in welchen, dem geschlossenen Pakt gemäß, Mephistopheles ihn einführen sollte:

Wir fehn die Heine, dann die große Welt."

2.

Die eröffnende Scene des zweiten Theils führt uns Faust vor, wie er, auf blumigen Nasen gebettet, sich unruhig hin und her wirft und vergebens den Schlaf sucht. Viele Jahre sind seit Gretchens Tode verflossen, und die heilenden Einflüsse von Zeit und Natur, äußerlich sinnbildlich dargestellt durch eine Schaar lustiger kleiner Elfen, welche ihn umschweben und durch ihren Gesang in den Schlaf zu lullen versuchen, haben ihm zwar nicht die Erinnerung an seine Schuld, aber die vergeblichen lähmenden Gewissensbiffe, welche ihn so lange spukhaft verfolgten, einigermaßen verwischt. Eine wunderschöne Landschaft um= gibt ihn; die frische stärkende Luft der ersten Morgenfrühe weht ihm ins Gesicht. Mit dem nahenden Tagesanbruch verschwinden die Geister; Faust ermuntert sich und begrüßt den werdenden Tag mit den Worten:

,,Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
Aether'sche Dämm'rung milde zu begrüßen,
Du, Erde, warst auch diese Nacht beständig,
Und athmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,

Du regst und rührstein kräftiges Beschließen,
Zum höchsten Dasein immerfort zu streben.“

Wir athmen hier in einer neuen Atmosphäre. Anstatt sich einem nuß- und thatlosen reuevollen Bedauern des unwiderruflich und unwandelbar Geschehenen hinzugeben, wird Faust hier von einem mannhaften Entschlusse durchglüht, nach des Daseins höchsten und edelsten Dingen zu streben. Er fühlt, daß die einzig wirksame Buße seiner

Sünde in einer Hingabe an beffere und würdigere Ziele für die Zukunft liegt, nicht in Empfindungen des Bedauerns, sondern in einer werkthätigen Reue:

Säume nicht, dich zu erdreisten,

Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,

Der versteht und rasch ergreift."

Die unheilvolle Erfahrung des ersten Theils hat ihm gezeigt, daß das Glück nicht in gehorsamer Hingabe an die selbstsüchtigen Triebe der Leidenschaft zu finden ist. Wo aber ist alsdann das Glück zu finden? Der nächstliegende Schluß, die nächste „umfassendere Verallgemeinerung“ würde ihm nahe legen oder einflüstern, daß in der Hingabe an unsere edleren Triebe und Impulse, in der harmonischen Entwickelung aller Kräfte, womit die Natur uns ausgestattet hat, eine höhere Verheißung von Glück liege. Zu diesem Schluffe gelangt auch Faust. Wie Goethe selbst beginnt er seine neue und ausgedehntere Laufbahn mit der strebsamen Pflege der Bildung. Er hat einen bedeutenden Schritt vorwärts gethan: er ist nicht mehr der Sklave seiner finnlichen Natur, sondern ihr Gebieter. Er ist zwar immer noch ein Eudämoniker, aber von einem weit edlerem Typus, als er zuvor war. Sein Ziel ist zwar nicht das höchste, deffen ein Mensch fähig ist, allein doch immerhin ein gutes und würdiges; es entspricht genau und ftreng demjenigen Stadium der Entwickelung, welches er nun erreicht hat; allein wie das häufig — oder ich möchte fagen, immer bei einem Menschen der Fall ist, welcher gewissenhaft an seiner eigenen Fortbildung und Verbesserung arbeitet, er wächst allmählich über sich hinaus, sein gemischter Beweggrund wird geläutert und sein Eudämonismus weicht einer hehren, erhabenen, uneigennützigen, selbstlosen Begeisterung für die Wohlfahrt seines Geschlechts.

Faust sehnt sich nach einem weiteren Kreise gemeinnüßiger wohlthätiger Wirksamkeit und wird von Mephistopheles an

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den kaiserlichen Hof geführt. Die wildeste Unordnung herrscht überall im ganzen Reiche. Der junge, kaum erst zur Thronfolge gelangte Kaiser lebt nur seinem Vergnügen und findet keinen Geschmack an den ernsten Staatsgeschäften. Der Schatzmeister, der Kanzler, der Heermeister und all die anderen hohen Würdenträger des Reiches treten auf und schildern die hoffnungslose Lage ihrer betreffenden Geschäftskreise: der Schatz ist leer, das noch seiner Löhnung gewärtige Heer der Miethsoldaten steht im Begriffe aus einander zu laufen; die Gerichtshöfe find bestechlich und käuflich; Raub, Plünderung und Gesezlosigkeiten aller Art treiben offen ihr Unwesen kurzum, das ganze Reich ist in einem Zustand vollständiger Auflösung. Hier ist Mephisto in seinem Element und bedient sich geschickt der allgemeinen Verwirrung, um seinen Einfluß geltend und fühlbar zu machen. Der Hofnarr ist so eben in bewußtlosem Zustande hinweggetragen worden und er hat sich geschickt in die erledigte Stelle eingedrängt. Der Monarch hat mit schlecht verhehlter Ungeduld die langathmigen Klagen und Beschwerden seiner Minister angehört und wendet sich nun scherzend an den neuen Hofnarren mit der Frage: „sag, weißt du, Narr, nicht auch noch eine Noth?" Mephisto erwidert artig, er könne in des Kaisers erlauchter Gegenwart nichts als Glück fühlen, und nimmt in dem darauf folgenden Gespräch Veranlasfung, eine Abhilfe für die finanzielle Noth vorzuschlagen. Er enthüllt dann einen sehr scharfsinnigen Plan zur Ausgabe von Papiergeld und bietet als Sicherheit dafür all die verborgenen Schäße an, welche nach dem Glauben des Mittelalters in der Erde vergraben liegen. Dieser Vorschlag wird freudig angenommen und es folgt ein kurzer trügerischer Wohlstand, welcher später (wie uns der vierte Act zeigt) das Reich abermals in erneuerte Anarchie und Verlegenheit stürzt.

Aufgebläht, stolz gemacht und entzückt von der anscheinenden Wiederkehr von Wohlstand und Gedeihen, ordnet der

Kaiser einen Fastnachts-Mummenschanz an, welcher in allegorischer Weise den Zustand der Gesellschaft und der Negierung veranschaulichen soll. Der seither unthätig gebliebene Faust übernimmt die Rolle des Plutus und will sinnbildlich das wirkliche Gedeihen, wie es sich auf Ordnung und die allmähliche stufenweise Entwickelung der Hilfsquellen des Landes gründe, veranschaulichen, im Gegensatz zu dem trügerischen Scheinwohlstand und vorgespiegelten Reichthum, welche Mephisto's unheilvoller Vorschlag hervorgerufen hat. Er beschwört das zerstörende Element des Feuers, welches erscheint und um ein Haar den Kaiser und sein Gefolge verzehrt. Goethe wollte wahrscheinlich hierdurch andeuten, daß Faust mit wirklicher staatsmännischer Einsicht das unvermeidliche Ergebniß des Finanzplanes voraussicht, deffen plötzlicher Erfolg den leichtsinnigen Monarchen und seine Räthe verblendet hat.

Nachdem der Kaiser einen Beweis von Fausts Macht gesehen hat, verlangt er von ihm, er solle die Schatten des Paris und der trojanischen Helena heraufbeschwören. Faust theilt dem Mephistopheles des Kaisers Befehl mit und bittet ihn um Beistand, allein der Teufel sieht sich zu dem Geständniß gezwungen, daß er über die heidnischen Geister keinerlei Macht befigt. Als Geist der Verneinung hat er keine Sympathie für die lebenvolle ideale Schönheit der alten griechischen Bildung. Unter den grotesken, ungeheuerlichen Wahngebilden der Walpurgisnacht, unter den monströsen Schöpfungen der nordischen Einbildungskraft ist er zu Hause, aber seine Herrschaft erstreckt sich nicht auf das Gebiet der idealen Schönheit. Um jene Geister heraufzubeschwören, sagt er, müsse Faust selber zu den „Müttern“ (den geheimen schöpferischen Kräften der Natur) hinabsteigen, dort allein werde er die Zauberkraft gewinnen, mittelst deren er Paris und Helena ans Licht des Tages bringen möge. Mit anderen Worten: das Gefühl für ideale Schönheit ist kein Ding, welches plötzlich erlangt werden kann; es ist nur

durch eine vertraute Kenntniß der eigensten geheimnißvollen Gesetze der Natur zu erlangen. Schönheit ist Ordnung, freiwillige Uebereinstimmung mit dem Gesetz. Faust muß selbst, ohne Mephisto's Führung, ins Herz der Natur hindurchdringen und durch wirkliche Betrachtung des Wirkens ihres ungeheuren schöpferischen Haushalts jenes Schönheitsgefühl erlangen, durch welches er dessen äußere Symbole heraufbeschwören soll. Diesem Rathe folgend, steigt Faust in die Region hinab, wo die „Mütter“ wohnen, und kehrt, Lorbeergekrönt und begleitet von den unsterblichen Schatten, wieder zurück. Allein, berauscht von Entzücken und ganz außer sich beim Anblick der wunderbaren Harmonie von Helena's Wohlgestalt, stürzt er auf sie zu, um sie in seine Arme zu schließen, da erfolgt eine furchtbare Explosion, die Geister gehen in Dunft auf und Fauft ftürzt bewußtlos zu Boden. Eine Verlegung des Gesetzes, ein plöglicher Ausbruch der Leidenschaft wird niemals zur Erreichung des Ideals führen; es kann nur durch ein stufenweises ordent= liches Wachsthum, durch eine harmonische Entwickelung aller Kräfte des Verstandes und des Herzens erlangt werden.

Wir müssen hier daran erinnern, daß dieses Hinuntersteigen zu den „Müttern“ und ebenso auch die anderen symbolischen Handlungen, welche Fauft zugeschrieben werden, einen weit größern Zeitraum einnehmen, als wir beim Lesen dieser Allegorie oder bei dem Anschauen ihrer Aufführung auf der Bühne anzunehmen geneigt sind, denn lange Proceffe intellectuellen und geistigen Wachsthums könnten nicht dramatisch vorgeführt werden. Der einzige Weg, auf welchem der Dichter, unter gleichzeitiger Beibehaltung der dramatischen Form, dieselben dem Leser verständlich zu machen vermochte, bestand darin, daß er sich der Allegorie bediente und die Arbeit und Erfahrung vieler Jahre in eine einzige symbolische Handlung zusammendrängte. Und gleichwohl war diese Methode eher ein Nothbehelf als eine wirkliche Lösung der Aufgabe, und Goethe selbst war, wie aus sei

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