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dargestellt, welche so weit von der heitern, gedankenlosen, unüberlegten Sinnlichkeit der Griechen differirt. Helena selbst ist anfangs verwirrt und außer Stande, diese Huldigung zu verstehen, und wird beinahe schmerzlich berührt von derselben. Die Bethörung des Lyncäus macht ihr durchaus kein Vergnügen, sondern erfüllt sie mit Mitleid sowohl mit sich selbst als mit ihm. Sie bedauert, daß das Schicksal sie mit einem solch unwiderstehlichen Neize ausgestattet hat, daß sogar Halbgötter und Helden alles Andere in ihrer Gegenwart vergessen und Verderben über sich und Andere heraufbeschwören, nur um sie zu besitzen. Auf dem Throne sigend, welcher für sie hergerichtet worden ist, winkt sie nun Faust an ihre Seite heran und bietet ihm ihre Hand an, während der Chor der Mädchen dies Gebahren von ihrem eigenen finnlichen Gesichtspunkt aus erklärt und damit unbewußt noch größern Nachdruck auf den Contrast zwischen dem antiken und dem romantischen Liebesbegriff legt. Helena andererseits fühlt ihren Busen von einer seltsamen wonnevollen Empfindung durchglüht; ihr Herz schlägt als Erwiderung auf Fausts Liebesglut:

Ich fühle mich so fern und doch so nah,

Und sage nur zu gern: da bin ich! da!

Faust: Ich athme laum, mir zittert, stockt das Wort;
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Helena: Ich scheine mir verlebt und doch so neu
In dich verwebt, dem Unbekannten treu."

Es ist bedeutsam, daß diese Verbindung des romantischen mit dem griechischen Ideal in Arkadien, also auf griechischem Boden, stattfindet. Die romantische Kunst muß, wenn ich den Dichter richtig lese, zu dem gesunden Glauben des Homer und Aeschylus zurückkehren, die Natur nach ihrem wahren Werthe schätzen lernen, wenn sie sich irgend zu den höchsten Leistungen erheben will, deren der gothische Geist fähig ist. Wir müssen den Unterschied zwischen Natur und Prüderie erkennen, wir müssen verstehen lernen, daß der menschliche Körper schön und daß Geistigkeit sich wohl

verträgt mit Gesundheit und Kraft und einer vollen Entwickelung unserer physischen Natur. Nicht eher, als bis unsere literarischen Kunstler ebenso gut als unsere plastischen diese alte Lehre sich wieder angeeignet haben werden, dürften sie im Stande sein irgend etwas zu leisten, was sich überhaupt mit den Meisterwerken der antiken Welt vergleichen läßt. Die Stärke und Tiefe der geistigen Einsicht, worin die Kraft der Gothen liegt, muß vermählt werden mit dem den Griechen eigenen Sinn für Plastik und der gefunden Werthung der sinnlichen Natur, und aus dieser Verbindung wird eine neue Kunst geboren werden, welche die edelsten Kennzeichen und Eigenschaften der beiden vorbildlichen Rassen der Welt mit einander verbinden wird.

Das Ergebniß dieser symbolischen Vereinigung wird uns finnbildlich vorgeführt in Euphorion, dem geflügelten Sohne Fausts und Helena's. Er ist der Genius der modernen Dichtkunst in ihrer vollendetsten Form, romantische Leidenschaft, gekleidet in die Vollkommenheit und Vollendung classischer Schönheit. Mit der Leier in der Hand, erhebt er sich singend von der Erde, und die Eltern lauschen voll Angst den fremdartigen, volltönenden, herzergreifenden Klängen seiner Stimme. Bekanntlich beabsichtigte Goethe in diesem eigen- und muthwilligen Spukgeschöpfe das Leben Byrons zu feiern, des Dichters, welchen er unter den Neueren vor allen anderen bewunderte und hochschätzte. In Euphorions toller Verfolgung der Mädchen des Chors, deren Herzen alsbald zu ihm hingezogen werden, erinnert er an die leidenschaftlichen Ausschreitungen von Byrons Jugend. Und wie er nun in den Gebirgswildnissen von Arkadien von Fels zu Fels aufwärts klimmt, nimmt sein Gesang eine immer wildere Jnnigkeit und Glut an, allein seine Gestalt erscheint denen, welche ängstlich seinen Flug. von unten beobachten, immer kleiner; und wie er endlich den höchsten Gipfel des Peloponnesos erreicht, von wo aus er das ganze schöne Land der Griechen überschauen kaun,

da begeistert ihn ein heiliger glühender Drang für menschliche Freiheit, und er singt von Krieg und Sieg und von der Helden Ruhm:

„Nein, nicht ein Kind bin ich erschienen,

In Waffen kommt der Jüngling an!
Gesellt zu Starken, Freien, Kühnen,
Hat er im Geiste schon gethan.
Nun fort!

Nun dort

Eröffnet sich zum Ruhm die Bahn
Und hört ihr Donnern auf dem Meere?
Dort Widerdonnern Thal um Thal?
In Staub und Wellen, Heer dem Heere,

In Drang um Drang, zu Schmerz und Qual.

Und der Tod

Jst Gebot,

Das versteht sich nun einmal."

Er wirst sich in die Lüfte, die Gewande tragen ihn einen Augenblick, aber bald stürzt ein schöner Jüngling zu der Eltern Füßen.

Lord Byrons Begeisterung für die griechische Freiheit, seine thätige Mitwirkung unter den Häuptern des griechischen Aufstandes und sein früher plöglicher Tod zu Missolunghi sind hier unverkennbar angedeutet; allein um gleichsam die Angabe doppelt sicher zu machen, fügt Goethe als Bühnen-Anweisung noch in Parenthese hinzu: „Man glaubt in dem Todten eine bekannte Gestalt zu erblicken; doch das Körperliche verschwindet sogleich, die Aureole steigt wie ein Komet zum Himmel auf."

Helena folgt ihrem Sohne in das Reich der Schatten; Faust sucht sie in seiner Umarmung festzuhalten, sieht sie aber in seinen Armen vergehen, so daß nur ihr Kleid und Schleier ihm zurückbleiben. Allein diese sind, wie Phorkyas-Mephisto ihm erklärt, an sich schon unschäzbar, und an diese müsse er sich halten:

Halte fest, was dir von Allem übrig blieb!
Das Kleid, laß es nicht los! Da zupfen schon

Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!
Die Göttin ist's nicht mehr, die du verlorst,
Doch göttlich ist's. Bediene dich der hohen
Unschäzbarn Gunst und hebe dich empor!
Es trägt dich über alles Gemeine rasch

Am Aether hin, so lange du dauern kannst.

Was dies alles bedeuten soll, ist nicht zu verkennen. Der wirklich belebende Geist der griechischen Cultur, welchen Faust (wie Goethe selbst) sich wieder erobert hatte, vermochte es nicht, lange bei ihm auszuhalten. Nur in den begeistertsten Augenblicken seiner schöpferischen Periode, als er „Actäon gleich, auf die nackte Lieblichkeit der Natur schaute“, vermochte er ihre volle Bedeutung zu ergründen; allein der halb durchsichtige Schleier, durch welchen der Geist durchschimmert, und das Gewand, welches im Verhüllen doch des Körpers Schönheit enthüllt, d. h. die edle classische Form, welche uns in der Bildhauerkunst und Literatur der alten Griechen vererbt worden, diese dürfen wir noch immer behalten und zu neuen Verwandlungen gebrauchen, ihnen den neuen Geist der modernen, germanischen Cultur einhauchen. Mit welchem nachdrücklichen Ernst fordert uns nicht Goethe hier auf, das große Vermächtniß seines èigenen Lebens, die edle classische Form, zu bewahren und zu pflegen! Ist es auch nicht die Göttin selbst mehr, sagt er, so ist es doch göttlich. Das beharrliche Studium derselben, das unaufhörliche Werben um ihren Besitz haben ihn über die Gemeinheit und Armseligkeit der kleinlichen reactionären Periode erhoben, in welcher er lebte, und werden jeden, welcher nach ihm sich würdig um deren Besitz bewerben will in eine hehrere, edlere Daseinssphäre emporheben.

Ich glaube kaum, daß Goethe hier beabsichtigte, einer absoluten Nachahmung der classischen antiken Form das Wort zu reden, wie Winckelmann gethan hat. Als das lebendige Resultat einer Bildung, welche unwiderruflich vorüber ist, kann sie niemals wieder lebendig reproducirt wer

den; oder würde, wenn reproducirt, ihrem Urbild nur etwa so gleichen, wie eine sorgfältig copirte Wachsblume der lebenden Blume im Felde gleicht. Allein Wachsblumen find nur Erzeugnisse der Fertigkeit, nicht der Kunst. Das Gewand Helena's, welches Goethe wiedereroberte, hat noch immer etwas von ihrem Geiste, welches, wie eine Art gespenstiger Duft, demselben anhängt und es umschwebt; es erzählt uns, wie irgend eine köstliche Reliquie der Vergangenheit, eine schöne Geschichte von der Seele, welche einst darin wohnte, und nur in so weit, als wir im Stande sind, diesen flüchtigen Odem des Geistes zu begreifen, find wir auch sicher, wenn wir die Form zu reproduciren und wieder zu beleben uns bemühen.

5.

Fauft hatte in einer tiefen und liebevollen Versenkung in die Natur Zuflucht vor der Herrschaft seiner Leidenschaften und vor dem Gram gesucht, welchen das Bewußtsein seiner Schuld über ihn gebracht hatte. Am Busen der Natur ruhend, hatte er Heilung für seine Wunden gefunden und mit ihrer Hilfe war ihm das große Reich der Schönheit erschlossen worden. Allein seine ästhetischen Vergnügungen hatten ihm keine dauernde Befriedigung gewährt; sie hatten keinen Zweck und Ziel außer ihm selbst, und das Ideal, in deffen Besiß er absolutes Glück zu finden gehofft hatte, war vor ihm geflohen. Dem rührigen thätigen Menschen in der vollen Manneskraft ist die Beschäftigung mit dem Schönen nicht ein Endziel, sondern nur ein Erziehungsoder Bildungs-Proceß, ein vorübergehender, ein transitorischer Zustand, welcher naturgemäß über sich selbst hinaus weist. Um das Resultat seiner ästhetischen Erziehung nußbar zu machen, muß Faust wieder in seinen natürlichen heimischen Boden versezt werden, wo der umfaffendere Wirkungskreis, nach welchem er sich nun sehnt, sich vor ihm entfalten und ihm eröffnen soll. Dies wird treffend sym

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