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Studentenzeit, ins Jahr 1770, und das ganze Werk ist nur wenige Monate vor seinem Tode 1832 vollendet worden; es überspannt also seine lange und ereignißreiche Laufbahn wie eine Regenbogenbrücke und enthält in glänzenden Farben die stürmische Leidenschaftlichkeit seiner Jugend, die Kämpfe und Bestrebungen seines Mannesalters und die Weisheit seiner heitern Greisenjahre. Eine eingehende und vertraute Bekanntschaft mit Goethe's Leben ist daher zum vollständigen Verständniß des „Faust" unerläßlich; und wie viele haben wohl da Zeit und die Geduld, sich durch die unaufhörlich aufwachsende Literatur von Biographien, Kommentaren, Briefwechseln, Gesprächen u. s. w. hindurch zu arbeiten, welche jedes Jahr in solch erstaunlichem Ueberfluß hervorruft! Und gleichwohl ist unter die en vielen Veröffentlichungen kaum eine, welche der Gelehrte ungestraft ignoriren darf, kaum eine, welche nicht neues Licht auf irgend eine unerforschte Ecke von Goethe's labyrinthischem Dasein wirft. Denn ihr Dasein in seiner Gesammtheit war eine Prophezeiung von nahezu allem dem, was dieses Jahrhundert geleistet hat, eine Prophezeiung, welche unser eigenes Zeitalter bereits zum Theil bewahrheitet hat, und welche von künftigen Zeitaltern noch weiter bewährt werden wird. Es bedarf daher einer Menge Augen, um den vorwärts schreitenden Verlauf der mannichfaltigen Gedankenströmungen zu verfolgen, deren Urquell er war; jede neue Entdeckung scheint irgend eine Beziehung auf ihn zu tragen und durch ihr rückstrahlendes Licht irgend ein Wort von ihm, irgend eine Stelle in seinen Schriften zu erhellen, welche seither dunkel oder unverständlich erschienen sein mögen. Wie fruchtbar sind z. B. in der Wissenschaft seine Vermuthungen, wie anregend seine Winke gewesen? Und waren nicht sogar seine Irrthümer unwandelbar auf irgend eine Wahrheit von allzu kolossaler Tragweite basirt, als daß die verblüfften Specialisten unserer Tage sie ergründen fonnten? Seine vielgeschmähte Lehre von der Einheit aller

Naturerscheinungen, von der fundamentalen Identität alles Seins weist ja deutlich den Weg zu der modernen Lehre von der Entwickelung, von welcher sie etwas mehr als ein unklares Vorgefühl ist. Durch sein starres Festhalten an diesem selben Gedanken und durch die Anwendung desselben auf alle Reiche der Natur entdeckte er (durch einen reinen a priori-Schluß) den Intermaxillar- (Zwischenkiefer-) Knochen und stellte seine Theorie von der Metamorphose der Pflanzen auf, welche ihm zu bestreiten sich heute kein Mann der Wissenschaft mehr beifallen lassen würde; und noch vieles Andere, was der scharf- und hellsehende Dichter, welcher die Natur in all ihrer großartigen Gesammtheit ins Auge faßte, einst voraussah oder dunkel ahnte, das strebt heutzutage die Wissenschaft auf ihre eigene unparteiische Weise zu beweisen und schreitet dabei langsam aber sicher auf dem Pfade fort, welchen er nachwies. Denn Goethe war, gleich Faust,,selbst in seinem dunkeln Drange sich stets des rechten Wegs bewußt.'

Betrachten wir ferner, um nur einen annäheruden Begriff von dem Allumfasseuden seines Genies zu bekommen, sein tiefes Verständniß der Kunst, seine umfassenden Studien über die Literatur der Vergangenheit und Gegenwart, seine praktische Geschicklichkeit und Thatkraft in der Erfüllung der Pflichten, welche seine amtliche Stellung ihm auferlegte. Und die intellectuellen Ergebnisse dieser vielseitigen Thätigkeit legte er während nahezu sechzig Jahren in Büchern nieder, welche sämmtlich gewissermaßen autobiographische Schilderungen eines großartig angelegten und ausgestatteten Geistes von herrlichen Proportionen sind und ein königliches Vermächtniß an die Menschheit bilden, welches niemals seinen Werth einbüßen kann. Niemand vermag jene Bücher zu lesen und in ihren Sinn und ihre Bedeutung einzudringen, ohne an sich ein geistiges Wachsthum, eine Beseitigung geiftiger Spinnweben, eine entzückende Erweiterung des Horizonts zu erfahren; er mag gegen manche Dinge Einwand

erheben und seinen Vorurtheilen wird gelegentlich übel mitgespielt werden; allein er wird sich zum Denken erweckt und aufgefordert finden und binnen Kurzem tiefer und gründlicher zu sehen und besonders vieles zu sehen lernen, für welches er seither blind war.

Ich möchte nicht behaupten, daß dieser Sporn zum Forschen der hauptsächlichste Neiz des „Faust“ sei. Ich weiß aber, daß ich niemals die die ganze Seele aufregenden Selbstgespräche Faust's oder seine Discussionen mit Mephistopheles las, ohne eine entschiedene Abneigung zu verspüren, mir forthin an den gewöhnlichen seichten Lösungen von Alltags- Problemen genügen zu lassen, ohne den Wunsch auf selben hinunterzusteigen in den Maschinenraum der Schöpfung und das Wirken und Getriebe ihrer verborgenen Maschinerie zu beobachten. Der ethische Hauptwerth dieser Dichtung liegt in ihrer symbolischen Bedeutung als einer typischen für den Geist und die Tendenz der neueren Zeiten; fie ist die feinste Effenz des Jahrhunderts, welche sich in den leidenschaftlichen Seufzern, Betrachtungen und der Verzweif= lung dieses prometheischen Geistes krystallisirt hat, der so gierig war die Grenzen menschlichen Wissens zu überschreiten. Es ist die Herzensgeschichte des Jahrhunderts, welche Goethe geschrieben hat; und es bedurfte einer Verstandeskraft wie der seinigen, von weitem Umfang und athletischer Gestalt und eines Auges, welches den gesammten geistigen Horizont des Zeitalters überschaute, um einen Typus zu schaffen, welcher, obwohl deutlich individuell, doch in dem Bereich wie in den Begrenzungen seines Wesens so vieles vereinigt was, weil es allgemein menschlich ist, alle Nationen als typisch anzuerkennen gezwungen waren.

Es war zu Straßburg, in den frühesten Tagen seiner Begeisterung für das Mittelalter, daß Goethe's Aufmerksamkeit zuerst auf die Faustsage hingelenkt wurde. Die Geschichte selbst, welche in Gestalt eines Puppenspiels während der deutschen Jahrmärkte häufig auf den öffentlichen Pläßen aufgeführt

wurde, war ihm ohne Zweifel schon von Kindheit auf bekannt. Allein in Straßburg, dessen enge und finstere Gassen noch immer das Gepräge des Mittelalters und dessen eigenthümliche stimmungsvolle Lokalfarbe tragen und dessen prachtvolles Münster noch immer seine Geschichte vom Glauben und der Hingebung des Mittelalters erzählt, begann die Faustsage für ihn eine frische Bedeutung anzunehmen, und es drängte sich Goethe der Gedanke auf, sie zu einem Drama zu verarbeiten, welches den Ausdruck der tiefsten Nöthen und der glühendsten Sehnsucht seiner eigenen romantischen Natur werden sollte. Damals hatte er noch keine hellenischen Kunstideen, um ihn aufzuregen, und die majestätische Nuhe seines höheren Alters war vor seinem geistigen Auge noch nicht aufgetaucht als ein des Anstrebens werthes Ideal; er hatte noch keine allegorischen Masken, welche ihn wie Gespenster heimsuchten, noch keine crborgte Mythologie, um seine schöpferische Thätigkeit, seine Gestaltungsgabe in fremde Kanäle zu zwingen. Mit der heitern Ueberzeugung einer jungen und feurigen Seele schaute er auf sich selbst als den Typus seiner Art und auf seine eigene Erfahrung als eine für die Erfahrung der ganzen Nace typische. Er schrieb blütenreiche Neden über Shakespeare und eine in glühenden Lobeserhebungen sich ergehende Abhandlung über die gothische Baukunst. Er war ein Gothe und vermochte als ein solcher die ganze dunkle Tiefe der Bedeutung in einer mittelalterlichen gothischen Sage zu ergründen und all das Pathos und die Leidenschaft, welche durch deren rohen, ungeschlachten und chaotischen Stoff hindurch nach Ausdruck rangen, in warme und energische Sprache umzugestalten. Seiner Gewohnheit gemäß vertraute er jedoch seine Idee nicht alsbald dem Papier an, sondern trug sie noch mehrere Jahre lang mit sich herum, bis sie eine greifbare und bestimmte Gestalt annahm.

Das erste Selbstgespräch, Faust's erste Unterhaltung mit Wagner und die Ballade vom „König von Thule“

wurden in den Jahren 1774 und 1775 geschrieben; die erste Begegnung mit Gretchen, der Auftritt in ihrem Stübchen und Faust's und Mephistopheles' Spaziergang entstanden wahrscheinlich in der gleichen Periode. In der Ausgabe von 1790, dem sogenannten Faust-Fragment, sind die sämmtlichen vorerwähnten Scenen und außerdem die Scene im Dom, die Herenküche und der zweite Dialog mit Faust, welcher mit den Worten beginnt:

„Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,

Will ich in meinem Innern selbst genießen."

die Unterredung mit dem Schüler und die Scene in Auerbachs Keller enthalten. In der vollständigen Ausgabe, welche 1806 erschien, sind daher nachstehende Scenen neu: die beiden Prologe, der Monolog Faust's nach Wagners Abgang („Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet“ 2c.), der Selbstmordsversuch und seine Unterbrechung durch die Ostergesänge, der Spaziergang vor dem Thor, die erste Beschwörung des Mephistopheles und der zweite Dialog bis zu den obenerwähnten Worten; ferner das kurze Auftreten Valentins und all der Uebrigen, was auf die Scene im Dom folgt. Das Fragment von 1790 endet mit Gretchens Ruf: „Nachbarin! Euer Fläschchen!“ und ihrer Ohnmacht. Es ist bemerkenswerth, daß die Scene: Wald und Höhle (,,Erhab'uer Geist, du gabst mir, gabst mir Alles" 2c.) in dem Fragment unmittelbar hinter die Scene „Am Brunnen“, also hinter Gretchens Fall gestellt ist. Wie wir in un erer späteru Exposition des Dramas sehen werden, ist es nicht schwer zu muthmaßen, weshalb Goethe die Stellung derselben in der vollständigen Ausgabe abänderte.

2.

„Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten" deutet auf die Empfindung hin, mit welcher der Dichter (etwa ums Jahr 1797) wiederum an das Lieblingswerk seiner

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