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schaftlicher Entrüstung („Geh' hin und such' dir einen andern Knecht") gegen die von dem Director vertretene schmutzige, thatsächliche und rein praktische oder geschäftsmäßige Ansicht von seinem Berufe schöpft ohne Zweifel einiges von seinem Feuer und seiner Heftigkeit aus dem trozigen und grimmigen Gefühl, welches die kühle Aufnahme seiner eigenen größten Werke von Seiten des Publikums erfahren hatte. Das Faust-Fragment z. B. war zwar von einigen wenigen vertrauteren Freunden des Verfassers (Jacobi, Schiller, Steffens u. A.) nach seinem wahren Werthe geschäßt worden und mehrere der scharfblickenderen Kritiker wie Huber und A. W. von Schlegel hatten ihm einen mehr oder weniger bedingten und berechtigten Beifall gespendet. Allein auf das größere Publikum schien das Buch gar keinen Eindruck irgend welcher Art gemacht zu haben, und der Absatz der sehr kleinen Auflage war langsam und unbefriedigend gewesen. „Taffo“ und „Iphigenie“ hatten ein ähnliches Schicksal gehabt, und für seine wissenschaftlichen *Abhandlungen hat bekanntlich Goethe selbst zu der Zeit, wo sein Ruhm im Zenith stand, kaum einen Verleger zu finden vermocht.

Die Lustige Person im Vorspiel ist sehr nahe verwandt mit dem volksthümlichen Hanswurst, welchen die Neuberin Anno 1737 auf Gottsched's Veranlassung feierlichst von der deutschen Schaubühne verbannte. Im Puppenspiel und Kasperle- wie im Jahrmarkt-Theater der niedrigen Wandertruppen, die in Bretterbuden spielten, und von welchen Goethe im Vorspiel eine darstellt, war er zu jener Zeit, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, noch eines der hauptsächlichsten Anziehungsmittel. Die Auffassung der Lustigen Person vom Drama weicht nicht wesentlich von derjenigen des Directors ab; nur ist jene, weil für sie nichts auf dem Spiele steht, im Stande, die Lage von ihrer humoristischen Seite zu betrachten. Diese Lustige Person oder ihr Hauswurst ist der Vertreter der leichten, epikuräischen,

sich gehen lassenden, behaglichen Lebensphilosophie, welche von einem so großen Theil des Publikums getheilt wird und die, kaum weniger als die rohe unverfrorene Nichtigkeitstheorie des Directors, den Dichter herunterzieht und ihn durch einen schmußigen Compromiß mit dem Mammon in Versuchung führt, sein edelstes höchstes Streben zu opfern, in einer tiefern Region seiner Seele zu wohnen und um vergänglichen, kurzlebigen Erfolg zu buhlen.

Der Prolog im Himmel ist, wie jedermann erkennen wird, nach der Stelle im Buch Hiob gemodelt, wo GottVater die himmlischen Heerschaaren um sich ansammelt und den Satan mitten unter ihnen ftudet. Der Wechselgesang der Erzengel, welcher die Scene eröffnet, ist ein Wunderwerk von Rhythmus und Melodie, und muß besonders dem Nichtdeutschen auffallen, welcher die deutsche Sprache für herb und rauh zu halten gewohnt ist und kaum erwarten würde, daß sie derartige rhythmische Hilfsquellen habe Orgeltöne so tief und klangvoll und Silbenharmonien von solchem Reichthum, solcher Mannichfaltigkeit und doch von、 einer gewiffen stattlichen würdevollen Eintönigkeit, daß sie in uns Ahnungen von endloser Ausdehnung von Naum und Zeit anregt.*) Es liegt eine erhabene Reinheit in der Sprache und ein Gefühl von ruhigem Fluß in der

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* In Beziehung auf die Schlußworte des Vorspiels (,,Vom Himmel durch die Welt zur Hölle“) macht Vischer in seinen „Neuen Beiträgen“ S. 25 nachstehende Bemerkung, welche beinahe mit Bayard Taylor's Anmerkung zu derselben Stelle übereinstimmt: „Und schließlich macht fich Goethe den Spaß, ihn mit dem Scheine zu necken, als werde Faust am Ende zur Hölle fahren. Es ist oben gesagt, daß die Worte,,vom Himmel durch die Welt zur Hölle" eine andere Erklärung kaum zulaffen; Goethe, der gern mystificirte, wird lächelnd gedacht haben; „nun wollen wir sehen, ob fie darauf anbeißen.“

Boyesen unterläßt hierbei nicht, in einer Note auf die unvergleichlich schöne Verdolmetschung aufmerksam zu machen, welche Bayard Laylor in seiner englischen Faust - Uebersezung so meisterhaft gelun= gen ist. Anm. d. Bearb.

Abwechslung der männlichen und weiblichen Reime, welche wesentlich zur Erhöhung des Eindrucks der unendlichen Heiterkeit, Anmuth und Milde jener himmlischen Wesen beiträgt, deren Auge dieses große Panorama allgemeiner Harmonie und Ordnung inmitten allgemeiner Bewegung im Weltall zu ergründen vermag.

Der Dichter führt uns die drei Erzengel Raphael, Gabriel und Michael vor, welche auf unser Sonnensystem herunterschauen und die Sonne ihre vorgeschriebene Reise“ durch den Weltraum vollenden sehen — die Sonne umgeben von ihren Planeten, welche ihrerseits wieder um den Centralkörper kreisen und sich um ihre Achsen drehen und dabei bald ihre beleuchteten, bald ihre verdunkelten Hälften den himmlischen Beschauern zukehren. Raphael redet die Sonne an, welche tönt nach alter Weise:

Der Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise,
Vollendet sie mit Donnergang.

Die Idee, daß die Sonne einen Laut von sich gebe, wie sie so ihren „Donnergang" durch die Schöpfung hin thue, macht das ganze erhabene Schauspiel wunderbar lebendig und eindrücklich. Es ist ein meisterhafter Zug von Realismus, welcher gleichsam die Scene individualisirt und inmitten der überwältigenden Größe der kreisenden Unendlichkeiten einen Ruhepunkt für die Empfindung gewährt. Gabriel preist die Schönheit der Erde mit ihrem Wechsel von Tag und Nacht in ihrem Fortgeriffenwerden „in ewig schnellem Sphärenlauf". Michael concentrirt seine Aufmerksamkeit auf die gewaltigen Erscheinungen, welche rings um ihn her wüthend eine Kette der tiefsten Wirkung bilden"; er singt von der unzerstörbaren Harmonie, welche überall trotz der um die Wette brausenden Stürme", troß dem „Flammen - blizenden Verheeren" auf dem „Pfade des Donnerschlags", herrsche. Schließlich wiederholen alle drei im Chore den Kehrreim der ersten Stanze, welche besondern

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Nachdruck auf den Gedanken an die ewige Regelmäßigkeit und Ordnung legt, wie sie sich im „sanften Wandeln“ des Schöpfungstages darstellt:

,,Und alle deine hohen Werte

Sind herrlich, wie am ersten Tag".

Mitten unter diesen Scenen himmlischer Harmonie wird nun Mephistopheles, der Geist der Verneinung, der Sohn des Chaos, eingeführt. Für ihn ist die sittliche Welt, welche hauptsächlich seine Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, erbärmlich schlecht und er vermag nichts von dem allgemeinen Glanz und der strahlenden Helle zu sehen, welche die Erzengel preisen. Er versucht sogar ihren Gesang zu parodiren und fordert in humoristischer Weise Gott zur Rechtfertigung auf, daß er den hauptsächlichsten Bewohner seiner Erde zu einem solch armseligen Mißwesen geschaffen:

,,Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich, als wie am ersten Tag“.

Nun liegt der Gedanke nahe, daß der Dichter in diesem Gesang nicht bloß eine Verherrlichung des astronomischen Weltalls geben wollte, und die sehr ausgesprochene moralische Antithese, welche durch die Einführung des Mephistopheles hervorgebracht wird, macht den Schluß unvermeidlich, daß die ganze Scene, neben ihrem augenscheinlich an der Oberfläche liegenden Sinn noch eine tiefere symbolische Bedeutung hat und gewissermaßen der Schlüssel für die Auslegung des nachfolgenden Drama sein soll. Ist es nicht wahrscheinlich, daß Goethe gewissermaßen folgender Weise raisonnirte: In der physischen Welt wird eine unendliche Reihe von Himmelskörpern in ihren Sphären von ewigen unwandelbaren Gesetzen geleitet und ihre ungeheure verwickelte Ordnung von mannigfaltigen Umdrehungen ohne die geringste Störung oder Anstoß aufrecht erhalten; ist es da nicht eben so rationell zu glauben, daß eben so umfassende und unerforschliche Geseze inmitten des scheinbaren Wider

streits und der Unordnung des menschlichen Daseins walten, selbst wenn unsere Sehkraft zu beschränkt ist sie zu überschauen, und unsre Vernunft zu seicht, um sie zu begrei= fen?*). Wie die sanfte gleichmäßige Bewegung des Tages unberührt bleibt von der „tiefsten Wirkung“ von Bliz, Sturm und allen sonstigen augenblicklichen Störungen, sollte es da nicht im sittlichen Weltall auch inmitten alles individuellen Kummers, Elends und Verderbens eine stetige ununterbrochene Entwickelung zu einem bessern Zustand geben? Sollte nicht die Vielheit, d. h. das Geschlecht, Nußen ziehen aus der bittern Erfahrung oder sogar aus der anscheinenden Hinopferung der Wenigen?

Mephistopheles lenkt sodann die Aufmerksamkeit Gottes auf die armselige Lage und Beschaffenheit der Menschheit: ,,Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen

Ein wenig beffer würd' er leben,

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Hätt'st du ihm [dem Menschen] nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;

Er nennt's Vernunft und braucht's allein,
Nur thierischer als jedes Thier zu sein“.

Der Herr fragt dann Mephisto, ob derselbe Faust, seinen Knecht, kenne (und wenn irgend ein Mangel an Ehrfurcht darin liegt, daß an den Herrn eine derartige Frage gestellt wird, so mag der schon erwähnte Präcedenzfall in der biblischen Geschichte den Dichter entschuldigen); worauf der Teufel mit einer äußerst treffenden und überraschenden Charakterisirung, welche beweist, daß er schon seit einiger Zeit sein Augenmerk auf Faust gerichtet gehabt haben muß, weil er bereits seine Natur so gründlich kennt, entgegnet:

*) Vischer, Goethe's Faust; neue Beiträge. S. 207. „Jm Contrafte gegen das Chaos, das die moralische Welt dem Blicke des Mephistopheles darbietet, muß diesem Gesang schlechterdings die Bedeutung beigelegt werden, daß es die unverrückbare gesegliche Ordnung der Natur überhaupt ist, die er feiert."

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