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worden. Ich hatte es auch im Leben auf allerlei Weise versucht, und war immer unbefriedigter und gequälter zurückgekommen."

Und eben so ist in derselben Autobiographie ein sehr ergötliches Kapitel seinem Leipziger Studentenleben und den vergeblichen Versuchen gewidmet, welche er während seines Aufenthalts in Leipzig machte, um sich zu einem Interesse an den langweiligen Vorlesungen pedantischer Professoren der Philosophie und Jurisprudenz aufzuraffen. In seiner Ansicht von diesen Wissenschaften und in den Gründen für seinen geringen Erfolg im Studium derselben hören wir wieder ein Echo von Faust's Stimme. Allein es bedarf hier gar keiner Vervielfältigung der Beispiele, denn es gibt beinahe gar keine Scene im ganzen Drama, aus welcher nicht parallele Beispiele gezogen werden könnten.

Der Monolog beginnt in einem Ton vollständiger Entmuthigung:

,,Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medicin

und leider auch Theologie

Durchaus studirt, mit heißem Bemüh'n,

Da steh' ich nun, ich armer Thor!

und bin so flug, als wie zuvor“,

Worte, welche beinahe gleichbedeutend mit denen des Puppenspieles*), nur in eine rhythmische und vergeistigtere Form gebracht sind, und selbst der Schluß ist übereinstimmend: ,,E3 möchte kein Hund so länger leben,

Drum hab' ich mich der Magie ergeben."

Allein hier ergibt sich ein wichtiger Unterschied. Nicht um Ruhm zu erwerben, nicht um Wunder zu verrichten hat

*) Vergl. Karl Simrock's deutsche Volksbücher (Frankfurt a. M. 1846) Bd. IV, wo das Volksbuch von Dr. I hannes Faust und das vollständigste der bekannten Puppenspiele abgedruckt sind und der Monolog S. 159 unläugbar Goethe die Anregung zu seinem Monolog des Faust gab. Anm. des Bearb.

Goethe's Held sich dem Studium der Magie ergeben, sondern nur in der Absicht, die Welt in ihrem innersten Wesen kennen zu lernen, ihre Keime und zeugenden Kräfte zu erforschen, und damit ihm, als einem Lehrer der Jugend, hinfort die Demüthigung erspart werde, „in Worten zu framen, damit er nicht mehr mit saurem Schweiß zu sagen brauche, was er nicht weiß." So spricht nicht der vermessene übermüthige Hochmuth der Jugend, sondern die bittere Erfahrung eines langen Lebens, welches in ernsthaften aber fruchtlosen Bemühungen verbracht worden war, über die bloßen Untiefen der Wissenschaft hinauszudringen, welche dem Pöbel genügen, und zu den tiefsten Quellen menschlichen Wissens hindurchzudringen. Wie die schöne wehmüthige Anrede an den Mond zeigt, haben die vielen unter Retorten und staubigen Folianten verbrachten Jahre nicht den glühenden Geist des alten Gelehrten zu dämpfen vermocht; noch immer pulsirt das Blut kräftig in seinen Adern:

„Ach! könnt' ich doch auf Bergeshöhn
In deinem lieben Lichte gehn.
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen

In deinem Thau gesund mich baden!

Lauter Dinge, welche gichtbrüchige Gelehrte von fünfzig Jahren als unverzeihliche Excentricität betrachten würden. Es liegt eine erfrischende Natürlichkeit in Fausts nun folgender Schilderung seines „verfluchten dumpfen Mauerlochs“

eine gesunde Verläugnung oder Mißachtung aller Regeln akademischer Eleganz. Sein Hunger nach der nackten Naturbetrachtung, ungetrübt von „allem Wissensqualm", führt zur Beschwörung des Erdgeistes, der Personification des Naturlebens in seiner großen Gesammtheit. Allein sterbliche Augen vermögen dieses nackte absolute Anschauen nicht zu ertragen; Faust bebt vor

dem Anblick des Geistes zurück und wendet sein Angesicht von dem ab, was er zu sehen so lange und sehnlich verlangt hat. Der Mensch als ein endliches Wesen ist nicht im Stande, den Anblick der absoluten Wahrheit zu ertragen; nur durch manche verdunkelnde dämpfende Medien hindurch und in kurzen flüchtigen Blicken kann ihm die Wahrheit enthüllt werden. Allein — so könnte man nachdrücklich geltend machen der Mensch ist ja selbst nur ein Theil dieser großen Gesammtheit des Naturlebens, daher ein Theil des Erdgeistes und eben darum ihm gleich, und Gleiches wird, nach der Versicherung der griechischen Philosophen, nur von Gleichen erkannt. Dennoch ist Faust außer Stande, den Erdgeist zu kennen.

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„Du gleichst dem Geist, den du begreifft,
Nicht mir!"

Der Unterschied ist hier eher ein quantitativer, als ein qua-
litativer. Um uns eines Ausdrucks Vischers zu bedienen:
„wir müssen dem Wesen nach den Erdgeist begreifen kön-
nen, weil wir ihm gleichen, und ihm gleichen, weil wir ihn
begreifen können, denn das Kind ist doch gleichen Fleischs
and Bluts mit seinem Erzeuger. Allein dieser Erzeuger
ist so unendlich größer, als jedes einzelne seiner unzähligen
Kinder, daß die Wesensgleichheit vor der Quantitäts-Un-
gleichheit sich sehr zu bescheiden hat. Fauft hat Recht, das
Erkennen als ein qualitatives Gleichsetzen zu nehmen,
aber er hat sehr Unrecht, den unendlichen Abstand in Um-
fang und Macht überspringen zu wollen, welcher die ein-
zelnen Wesen von dem Wesen der Wesen trennt."*)

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Nach dem Verschwinden des Erdgeistes wird Faust in seinen ungestümen Gefühlsäußerungen durch den Eintritt seines Famulus Wagner unterbrochen, welcher wähnt, Faust lese ein griechisches Trauerspiel, und welcher eine derartige

*) Vischer, Goethe's Faust, neue Beiträge, S. 265.

Gelegenheit zu seiner Fortbildung nicht verlieren will. Wagner ist der köstlichste Typus des trockenen, sich abmühenden, grübelnden, gewissenhaften Pedanten, welchen irgend eine Literatur aufzuweisen hat, ein Typus, woran alle Universitäten, nicht blos die deutschen, einen Ueberfluß haben und welcher keineswegs schon ausgestorben ist, seit Goethe seine Züge der Welt bekannt gemacht. Kann es etwas Ergößlicheres geben, als den Contrast zwischen diesem staubigen, saftlosen alten Pergament und dem feurigen, strebsamen Faust? Der Eine so seicht und schaal, so redlich befriedigt von seiner Seichtigkeit; der Andere, der, bei aller seiner Tiefe und seinen glänzenden Gaben, sich durch die Beschränkung derselben so bekümmert und gedemüthigt fühlt. Was den Philister so ergötzlich und gleichzeitig so menschlich verständig macht, ist eben so sehr der Humor, mit welchem er gezeichnet ist, wie der gänzliche Mangel an Humor in seinem eigenen Charakter. Man verlacht ihn hinter seinem Rücken, aber er merkt es nicht. Schon die blose Ahnung, daß er im Stande sei, in einem humoristischen Lichte betrachtet zu werden, daß er in den Augen Anderer weniger ehrwürdig sei, als in feinen eigenen, würde ihn ausnehmend unglücklich machen. Seine gefeßte Freude beim Anblick eines echten Handschriften-Textes, sein gutmüthiger Eigendünkel, *) seine Werthschätzung der Rhe torik (der Kunst, ein Nichts in einer bewundernswerthen

*) Kreyßig mißt dem Famulus Wagner treffend ein „Selbst= gefühl handfester Mittelmäßigkeit" bet. (Vorlesungen über Goethe's Faust, S. 41.) Rosenkranz charakterisirt ihn folgendermaßen: „Wagner, dieser felige Reflex von Leinwand und Papter,' ist der trockene Empiriker, der um die Vermehrung der Kenntnisse besorgte Gelehrte, der nüchterne Verstand, der aber doch für die Aermlichkeiten seiner Forschung schwärmen kann, dem es in seiner Beschränkt, heit wohl ist. Die Wagnere lernen und lernen immerdar und kommen doch nicht zur Weisheit. Sie graben begierig nach Schäßen und find froh, wenn sie Regenwürmer finden. Da sie nichts aus sich hers aus zu ersinnen, zu erfinden vermögen, so müssen sie von außen her

Weise vorzutragen) und die naive, arglose, wenn auch gelehrte Albernheit auf Fausts vom Herzen kommende Ausbrüche von Skepticismus und Selbstvorwürfen auf dem Spaziergang, das sind lauter meistermäßige Züge und vollenden in ihrer Gesammtheit die geistige und phyfische Physiognomie einer der unnachahmlichsten Gestalten in der langen Galerie von Goethe's künstlerischen Schöpfungen!

Im ganzen Verlauf des Monologs nach Wagners Abtreten ist kaum eine einzige Zeile, welche nicht von tiefer philosophischer Bedeutung stroßt. Man muß sich, während man sich an der überströmenden Gedankenfülle ergößt, welche allenthalben Verstand und Sinne wie bezaubert fest= hält, verwundert fragen, mit was für einer Stimmung Emerson den "Faust" gelesen haben könne, wenn er ihn „etwas zu modern und verständlich“*) findet. Jede Seite wimmelt von kraftvollen epigrammatischen Kernsprüchen und Maximen, die wenn auch natürlich übertrieben, wie es des Helden Stimmung erfordert, gleichwohl Wahr

fich etwas herbeiholen. Ein ‚würdig Programm', das sich ihnen aufrollt. scheint den ganzen Himmel für sie herniedersteigen zu lassen. Der Famulus unfers Philosophen ist herbeigeschlichen, weil er glaubte, Faust declamire ein griechisch Trauerspiel, und er auch in dieser Kunst etwas profitiren möchte. So ein Wagner bleibt das ganze Leben über ein Primaner. Er ist in seinem Fleiß und in seiner Beschränkts heit eine komische Figur, die uns dann erst ve drießlich wird, wenn sie sich überhebt und die Wissenschaft und Kunst in ihrer genialen Production meistern, wenn sie ihre empirischen Kleinkrämereien für das eigentliche Wesen der Forschung ausgeben will. Erleben wir nicht noch alle Tage, daß so ein Wagner nach Rom oder Paris reist, dort Manuscripte, heuer nicht mehr blos griechische und lateinische, sondern auch altdeutsche und orientalische, abschreibt, die Abschrift mit einem nunc primum e codicibus manuscriptis edidit drucken läßt und nun glaubt, er habe eine epochemachende wissenschaftliche That vollbracht?" (Rosenkranz, Goethe und seine Werke, 2. Auflage. Königsberg, 1856. S. 338 ffg.)

...

*) Emerson, Ralph Waldo, Letters and social Aims, page 59.

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