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heiten von vorzüglichem, die Grenzen der Erfahrung übersteigendem Werthe enthält. Gerade in dieser mächtigen Begabung, die Ergebnisse abstracter Speculation in eine Welt von Gefühls-Conflicten, von wallender und lohender Leidenschaft umzuwandeln, gibt sich ja der Genius des Verfassers am glänzendsten zu erkennen. Trocken und dogmatisch im Hörsaale einer Universität vorgetragen, würden diese philosophischen Postulate allerdings ziemlich harmlos erscheinen; allein unter der belebenden Berührung des Dichters glühen und pulsiren sie mit dem Pulsschlag und Leben von menschlichem Schmerz und Pathos.

Kaum noch vor einem Augenblick im Begriff, die Schranke niederzureißen, welche ihn von der Betrachtung der abso= luten Wahrheit trennte, ist Fauft sich nun desto bitterer der Vereitelung seiner theuersten Bestrebungen bewußt:

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,,Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
Ganz nah' gedünkt dem Spiegel ew'ger Wahrheit.
Sein selbst genoß, in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;

Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen

Und, schaffend, Götterleben zu genießen

Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich's büßen!

Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft

Ach, unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,

Sie hemmen unsres Lebens Gang.

Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beff're Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erftarren in dem irdischen Gewühle."

Er sieht sein emsiges Bestreben, die Quelle alles Seins zu begreifen, durchkreuzt, er sieht sich betäubt und geblendet durch die nackte Anschauung, nach welcher er so lange vergeblich gehungert hatte, er sieht sich auf allen Seiten

beschränkt und umschlossen von den engen Schranken seiner
irdischen Beschaffenheit, und so hat das Leben länger keinen
Werth für ihn und er beschließt es zu endigen. Er hegt
keine kindische Furcht vor dem Geschick, das seiner wartet:
Ein Feuerwagen schwebt auf leichten Schwingen
An mich heran! Ich fühle mich bereit,

Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,
Zu neuen Sphären reiner Thätigkeit!"

Mit „heiterem Entschlusse“ ergreift er die Schale mit dem Gift und setzt sie an den Mund, da ertönen plöglich Glockenklang und Chorgesang, wie sie in deutschen Städten den Ostermorgen begrüßen und hemmen seine Hand; er hält inne, horcht, und eine Flut von zärtlichen Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend, vereint mit der festlichen Stimmung der Auferstehungstage des Herrn, drängen sich ihm auf, er muß gestehen:

,,Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder,"

der Chorgesang dauert fort, und tief erschüttert, in ehrfurchtsvoller feierlicher Stimmung, hört er den Chor der Jünger:

Hat der Begrabene
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben,

Ist er in Werdelust
Schaffender Freude nah;
Ach! an der Erde Brust

Sind wir zum Leide da.

Christ ist erstanden

Aus der Verwesung Schoo3.
Reißet von Banden

Freudig euch los!

Gleichviel ob die Stimme opernhaft ist oder nicht (und manche deutsche Kommentatoren stimmen darin überein, fie des ernsten Zwecks des Drama für unwürdig zu erklären),

so ist doch nicht zu läugnen, daß sie schön, voll zarter Empfindung, und, bei der Aufführung auf der Bühne, von wunderbarer Wirkung ist. Die sanfte, menschlich anmuthende Melancholie Fausts in der nächsten Scene vor dem Stadtthore, am folgenden Tag, ist nur die natürliche Ausdehnung und Verlängerung der Stimmung, welche sich seiner im Verlauf der Nacht bemächtigt hatte. Noch klingt der Wiederhall der Osterglocken in seiner Seele nach, und die Gesänge der Engel, der Jünger und der Büßerinnen haben ihn zu wehmüthigem Einklang mit der Fröhlichkeit und Tollheit und dem Treiben der gedankenlosen Menge gestimmt. Der Philosoph, in der hehren Einsamkeit seiner abstracten Speculation, fühlt, daß es noch Bande gibt, deren Zerreißung er ungern sehen würde, welche ihn an die gemeine Heerde der Menschheit mit all ihren kleinen Zielen und Sorgen und ihrer glücklichen Unkenntniß jener Region des Gedankens anknüpfen, worin er sich bewegt und sein Wesen hat. Wie ganz anders schaut Wagner sich die bunte Menge heiterer Sonntags-Genüffe an! Mit geistigem Hochmuth zieht er gleichsam die Schöße seines Gewandes an sich, aus Furcht dieselben durch Berührung mit dem ignobile vulgus, dem gemeinen Pöbel, beschmußt zu sehen:

,,Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren,
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;

Doch würd' ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.

Das Fiedeln, Schreien, Regelschieben,

Ist mir ein gar verhaßter Klang;

Sie toben, wie vom bösen Geist getrieben,
Und nennen's Freude, nennen's Gesang."

Der saubere glatte Realismus, womit jede Gruppe im Vorüberziehen sich selber charakterisirt, ohne gegenüber vom Leser und angesichts desselben „Pose" zu machen, ist eben so glücklich und gelungen, als (im französischen Sinne) unakademisch. Besonders schön, von glücklichster Lokalfarbe

und gleichsam von echtem Bodengeschmack ist der behäbige feiste Bürger, der sich nichts Bess'res weiß an Sonn- und Feiertagen,

,,Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschret,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,

Die Völker auf einander schlagen."

Die heftigen Selbstanklagen Fausts in dem darauffolgen= den Gespräch mit Wagner sind die schließliche Reaction nach der gehobenen Stimmung der vergangenen Nacht, und als solche kaum mit absoluter Buchstäblichkeit zu verDolmetschen. Wie er so auf sein vergangnes Leben, mit seiner langsamen Müh’ ́und seinen ehrlichen Verblendungen, von jenseit der Fülle der Geister-Gegenwart“ zurückschaut, so hat dies etwas von dem Aussehen einer Bankethalle am Morgen nach dem Fest, wenn die Kerzen ausgelöscht und die Fensterläden geöffnet sind. Das einschneidende Gefühl der Vergeblichkeit all seiner Mühen verbittert sein Urtheil über seine vergangene Thätigkeit und läßt sie grotesk und sogar verrucht erscheinen. Und gerade diese Stimmung ersieht sich der Sendling Satans und ist nun im Stande sich ihm zu nähern und ihn mit seinen Neßen zu umgarnen. Wie in der alten Sage erscheint er ihm in Gestalt eines schwarzen Pudels, welcher hier seine immer enger werdenden Kreise um das gelehrte Paar zieht. Faust erkennt sogleich etwas Ungewöhnliches an dem Thiere, während Wagner in seiner selbstgefälligen Geschwäßigkeit über die Befürchtungen seines Herrn leicht hinweggeht und harmlose Abgeschmacktheiten und Gemeinpläge über die Vorzüge des Hundes „ wenn er gut gezogen", zum Besten gibt.

Die Schatten senken sich tiefer herab, abendlicher Friede legt sich über die Landschaft und Faust kehrt nun, gefolgt vom Pudel, in sein einsames Studirzimmer zurüd:

,,Verlassen hab' ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,

Mit ahnungsvollem heil'gem Grauen
In uns die bess're Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungestümen Thun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun.

Ach! wenn in unfrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird's in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen
Und Hoffnung wieder an zu blüh'n;
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin."

Es liegt in diesen Zeilen ein glückliches Ruhegefühl, welches ein Gelehrter werthen kann, der, nach einem Tage voll fremder Anblicke und Töne, zu dem Frieden seines eignen traulichen Studirzimmers zurückkehrt. Die Gemüthsbewegungen, welche durch die Oster-Chorgesänge in Faust angeregt worden waren, werden wieder belebt durch das Gefühl der Gemeinschaft mit seinen Mitmenschen und durch jenes feierliche Hochgefühl, welches auf irgend welche Weise die Atmosphäre der alten Welt an den großen geschichtlichen Festen durchdringt, denn auch der Philosoph, selbst wenn er kein gläubiger Anhänger des überlieferten Christenglaubens ist, vermag sich nicht jenen ungreifbaren Einflüssen zu entziehen, welche ihn von Kindesbeinen an umgeben und in einem christlichen Lande die Luft selbst bilden, die er athmet. Ist er eine mitfühlende und eindrucksfähige Natur wie Faust, so muß die rein menschliche Seite des Gottesdienstes nothgedrungen schon an ihn appelliren; höchst wahrscheinlich tauchen Hunderte von Jugenderinnerungen in ihm auf und hängen sich an ihn, und er vermag ihnen gegenüber keine gänzlich unparteiische und kritische Stellung einzunehmen, wie er es z. B. dem Islam

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