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cher der Stimme des Versuchers wie ein Echo antwortet und uns anspornt, die Lage von einer kaltblütigen und unsentimentalen Seite aufzufassen, welche uns gegen jedes Uebermaß von Edelmuth verwarnt, das uns ja im Grunde nur den Fluch der Lächerlichkeit oder mitleidiges Achselzucken eintragen würde. Gerade in dieser Eigenschaft, als Personification des gesunden Menschenverstandes, ist Viephisto am allergefährlichsten. Und was für eine bewundernswerth scharfe Einsicht von Seiten des Dichters bekundet es, daß er diesem gewandten, vielseitigen und wandelbaren Dämon in die innersten Herzensfalten hineingeschaut und ihn gezwungen hat, sich selbst in seinen mannigfaltigen Vermummungen zu entlarven. Wenn er ja nur die Verkörperung einer abstracten Idee wäre, wie lebensvoll und organisch consequent ist er! Wie lebhaft und deutlich taucht seine scharfgeschnittene, dunkelhäutige, farblose Physiognomie mit ihrem höhnischen Lächeln vor der Einbildungskraft auf!

Es gibt eine natürliche Ehrerbietung (die Deutschen nennen sie Pietät), welche es uns zuwider macht, eine le= bendige künstlerische Schöpfung zu seciren und der analytischen Sonde zu unterwerfen; Kritiker find allerdings sehr zu dieser psychologischen Vivisection geneigt. Allein es bleibt troy Buckle und Taine noch immer etwas halb Wunderbares um einen großen Mann und sein Werk, welches keine Summe von Analyse zu erklären oder zu zerstören vermag. Goethe hat übrigens in seiner Autobiographie den Kritikern viele Winke gegeben, aus welchen diese den möglichsten Nutzen zu ziehen nicht ermangelt haben. So gibt er eine Andeutung, daß Mephistopheles, wenn er nicht ganz nach seinem Freunde Merck modellirt worden sei, doch wenigstens einige seiner auffallendsten Charakterzüge von diesem entlehnt habe. Merck (1741-91) war zu der Zeit, wo Goethe seine Bekanntschaft machte, Kriegsrath und Kriegskasster in Darmstadt, er war ein Mann von der

vielseitigsten Bildung, namentlich genau vertraut mit der modernen Literatur und ein umsichtiger und gewandter Geschäftsmann. Getäuschte Hoffnungen und Erwartungen hatten ihn bitter gemacht gegen die Welt, und er pflegte seinem Cynismus frei den Zügel schießen zu lassen und nichts zu schonen, was der Menschheit theuer, gleichviel ob es heilig oder profan war. Sein augenfälligster Charakterzug scheint eine gewisse verhängnißvolle Unzugänglichkeit für Illusion gewesen zu sein. Seine literarischen Arbeiten, von welchen Goethe nach seinem Geständniß noch mehrere besaß, waren wegen ihrer schonungslosen, mit kauftischem Witz gewürzten Zerstörungswuth merkwürdig. Für einen Genius von Goethe's überwuchernder Fruchtbarkeit muß seine schonungslose Kritik eher eine gesunde Anregung und Anspornung wie niederdrückend und hemmend gewesen sein, und sicherlich dürfte das halbverfehlte Intereffe, welches Merck an den Arbeiten seines jungen Freundes nahm, eher sehr ermuthigend auf diesen gewirkt haben. Riemer erzählt, Merc habe einen Theil der Kosten des Drucks von „Göt von Berlichingen“ bestritten, ein genügender Beweis, daß es dem wohlhabenden Manne bei aller seiner Verbitterung nicht an Freigebigkeit und freundschaftlicher Hingebung fehlte. Aus dem im Druck erschienenen Briefwechsel Merd's mit Goethe ist ersichtlich, daß dies nicht der einzige Fall war, in welchem jener sich, obwohl in seiner eigenen rauhen Weise, als den aufrichtigen und wohlmeinenden Freund des jüngern Dichters bewährte. Allein es lag, wie Goethe über ihn bemerkt, ein eigenthümlicher Dualismus in seiner Natur, und er fand, wie so viele Andere, eine gewiffe Genugthuung darin, der Welt gegenüber seine rauhe Seite herauszukeh= ren. Es ist daher leicht zu ersehen, wie Goethe, indem er nur die negativen Züge eines derartigen Charakters nachdrücklich hervorhob und dessen humane und wohlwollende Seite überging, eine passende äußere Form fand, welcher er die Seele des kühnen verneinenden Geistes einhauchen konnte.

Goethe bedurfte jedoch, wie Julian Schmidt und Kreyßig bereits bemerkt haben, kaum Merck's zum Modell für seinen Mephistopheles, denn derselbe Dualismus des Charafters war auch in ihm selbst vorhanden, nur mit dem Unterschied, daß in ihm die nach oben strebende ideale Faustnatur überwog und die Grundlage seines Wesens und Seins bildete, während die negative Mephistophelische Tendenz sich nur als ernüchternde, zurückhaltende Reflexion geltend machte und ihn vor den Ausschreitungen bewahrte, in denen sich sein Titanenthum soust verrathen haben würde. Beinahe in allen seinen Werken finden wir diese psychologische Antithese zwischen kühlem praktischem Verstand und himmelstürmendem Idealismus nachdrücklich hervorgehoben und ausgeprägt; so in Antonio und Tasso, Werner und Meister, und ich könnte sogar hinzufügen in Weißlingen und Göß, wo er seinen eigenen Charakter in dessen wesentliche Bestandtheile zerlegt und uns dessen beide Pole zeigt. Diese Charaktere weisen alle den verschiedenartig modificirten Typus von Mephistopheles und Fauft auf.

Die Bedeutung des Einschläferungs- oder Schlummerliedes, womit die gegenwärtige Scene schließt, ist von Bayard Taylor in den Anmerkungen zu seiner vortrefflichen FaustUebersetzung so klar dargelegt worden, daß ich wohl am besten seine Erläuterung hier citire:

-

„Faust merkt kaum (obgleich Mephistopheles es sehr gut weiß), daß ein Theil seiner beinahe verzweifelnden Ungeduld aus seinem Entbehren alles physischen Lebensgenusses entspringt; die erste Aufgabe dieser dienenden Geister ist daher, vor seinen bezauberten Augen eine Reihe von undeutlichen Nebenbildern zu entfalten, dämmernde Bilder voll süßer, phantastischer und deshalb nur desto gefährlicherer Verlockung. Die Bilder sind undeutlich, verwaschen wie ein Halbtraum; sie bieten nichts Positives dar, woran Fausts Geist haften oder wodurch er überrascht werden könnte; allein sie laffen doch einen Eindruck zurück, welcher sich all

mählich zur Gestalt ausarbeitet. Das Echo der wilden, gespenstigen, kettenartig verschlungenen Melodie bleibt in seiner Seele zurück, und man darf annehmen, er sei sich der Einwirkung derselben nicht bewußt, selbst wenn er in der folgenden Scene dem Mephistopheles zuruft:

Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit

Uns glühende Leidenschaften stillen!"

Der kleine kabbalistische Kunstgriff mit dem Pentagramma, welches den Mephistopheles am Hinausgehen hindert, ist ein Ueberbleibsel von Goethe's ehemaligen mystischen Studien in Gemeinschaft mit Lavater und Fräulein von Klettenberg, über welche er in seiner Autobiographie so ausführlich berichtet. Es ist natürlich nur ein Theil der sagenhaften Draperie, welche den philosophischen Zweck des Drama anmuthig umhüllt und ihn für die Sinne faßbar macht, aber er hat sonst nur sehr geringe Bedeutung; und in gleicher Weise darf man Mephisto's Entweichung mit Hilfe eines Rattenzahns, nach des Dichters eigenem Ausdruck, füglich nur ebenfalls als ein Stück „dramatischen Unfinns" bezeichnen.

5.

Der zweite Dialog zwischen Faust und Mephistopheles variirt und entwickelt noch weiter das Thema, welches in dem Eröffnungs-Monologe den centralen Gedanken bildet. zum Beispiel:

„Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,

Der jedem an die Ohren klingt,

Den, unser ganzes Leben lang,

Uns heiser jede Stunde singt."

Fausts Lebensphilosophie ist wesentlich eine eudämonistische; sein vornehmstes Ziel ist Glück, und unter Glück versteht er Genuß, Vergnügen, persönliches Wohlbefinden. Es ist daher nicht zu verwundern, daß er in seinen philosophischen und wissenschaftlichen Studien so wenig Genug

thuung gefunden hat. Wäre er, wie er sich selbst einbildet, von einem tiefen heißhungrigen Seelendrang nach Wahrheit getrieben worden, so würde er nicht einzig auf das endliche unerreichbare Ziel geblickt, sondern jeder Schritt auf dem Wege würde für ihn sein eigenes unfehlbares Bergnügen herbeigeführt haben. In dieser Hinsicht ist Wagner, in seiner engherzigen, unverdrossen sich abmühenden Pedanterie, viel weiser als er.*) Von den Segnungen, welche aus bewußter Nüßlichkeit in einem beschränkten Wirkungskreise fließen, hat Fauft bis jetzt noch keinen Begriff. Seine eigenen Talente und Fähigkeiten schäßt er nicht wegen ihrer Nüglichkeit für Andere, sondern nur wegen der Befriedigung und Freude, welche sie ihm selber bringen sollten; und weil es diesen nicht beschieden ist, ihm das Glück zu gewähren, welches er so glühend ersehnt, so verwirft er sie als werthlos. Sich selbst als einen der Millionen Arbeiter an einem großen universalen Zwecke, welcher bis jetzt noch außerhalb seines Gesichtskreises liegen mag, unterzuordnen, ist seiner Natur zuwider. Sogar die Tiefe seiner Einsicht ist seinem Glücke verhängnißvoll, weil sie ihn der Illusion beraubt, aus welcher im Grunde der größere Theil unseres Glückes in dieser Welt entspringt. Der ungeheure Umfang seines intellectuellen Horizonts sett ihn in den Stand, sich selbst und seine eigenen Leistungen annähernd in ihrem wahren Verhältnisse zu dem allgemei= nen Weltleben zu erschauen, und dies ist für ihn eine weitere Quelle des Elends. Wäre er minder großartig ange= legt und ausgestattet, so wäre er ohne Zweifel ein glücklicherer Mann. Die analytische Tendenz seines Geistes verführt ihn, schon im Voraus jedes Vergnügen zu seciren und zu zergliedern, welches ihm vorbehalten sein mag, und wenn er nun sich von dessen Hohlheit überzeugt, so wirft er es weg.

*) Krepßig, Vorlesungen über Goethe's Faust. S. 49.

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