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Allein zurück zu unserm Texte: Nachdem Gretchen abgegangen, treten Faust und Mephistopheles in ihr Schlafftübchen und stellen ein Kästchen mit kostbarem Geschmeide in ihren Schrank. Faust fühlt sich halb unbewußt tief ergriffen von der Atmosphäre von Reinlichkeit, Ordnung und Zufriedenheit, welche in dem Stübchen herrscht, wirft sich in einen ledernen Seffel und redet diesen in einem Rede-Ergusse an, welcher des empfindsamsten Liebhabers würdig wäre. Er vergegenwärtigt sich sein Liebchen „mit den vollen Kinderwangen, das, dankbar für den heil'gen Christ dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt;" er hebt mit ehrfurchtsvoller Hand den Bettvorhang auf und fährt fort:

,,Hier lag das Kind, mit warmem Leben

Den zarten Busen angefüllt,

Und hier mit heilig reinem Weben

Entwirkte sich das Götterbild!

Und du! Was hat dich hergeführt?

Wie innig fühl ich mich gerührt!

Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
Armsel'ger Faust! ich kenne dich nicht mehr."

Es ist die Macht einer reinen und zarten Liebe, so unendlich weit entfernt von der blos sinnlichen Anziehung, die sich nun zum ersten Male in ihm geltend macht. Mephisto hat kein Mitgefühl für diese Empfindung, weil sie so weit jenseit seines Gesichtskreises ist, daß er sie nicht begreifen kann. Er nimmt daher seine Zuflucht zu seiner gewohnten Ironie und macht den Liebhaber in seinen eigenen Augen lächerlich; der Professor sei offenbar in ihm noch nicht erloschen, sagt er, denn:

,,Ihr seht drein,

Als solltet ihr in den Hörsaal hinein,

Und stünden grau, leibhaftig vor euch da
Phyfit und Metaphysika!"

Man muß sich dann ins Gedächtniß rufen, was auch die sämmtlichen folgenden Scenen genugsam darthun, daß Faust hinfort nicht mehr nur auf Befriedigung der Sinnesluft ausgeht. Seine Irrthümer und Fehltritte und sogar ein Theil seiner Schuld werden wieder einigermaßen gefühnt durch die Thatsache, daß all die stürmischen Kräfte seiner starken Natur durch eine tiefe überwältigende Liebe wachgerufen sind. Die Neuheit dieser Empfindung macht ihn verwirrt; blindlings und irre zappelt und wankt er weiter und verfällt immer von einem Irrthum in einem noch schlimmern. In diesem fortdauernden Aufruhr seines Gefühls ist er sich nicht länger mehr seines frühern Wunsches und Vorsatzes bewußt, in seinem eigenen Busen der Menschheit Freud und Leid und Schuld zu ergründen; er verwirklicht seinen eigenen vergessenen Vorsaß in einer Weise, welche er niemals vorausgeahnt hatte. Allein wir müssen hier auch in Erwägung ziehen, daß eine blos schwächlich contemplative Natur nicht so irren könnte, wie Fauft irrt; ein falter vorbedachter Plan würde seinen Fehltritt zu einem gemeinen und doppelt hassenswerthen machen. Dieses warme allumfassende menschliche Empfinden verleiht jedoch selbst Fausts Schuld jenes reiche lebensfrische Erglühen, durch alles hindurch den vollen, kräftigen Herzschlag darunter zu verspüren. Man kann sich nicht dem Eindruck entziehen, daß es gewissermaßen, wenn nicht das Ergebniß alles des Besten und Edelsten in seiner Natur ist, so doch mit demselben organisch zusammenhängt. Fauft fündigt, nicht klug und vorbedacht, sondern mit einer heißblütigen Lebenskraft und Kraftfülle, welcher wir unser Mitgefühl nicht ganz versagen können. In seinem schlimmsten Vergehen, z. B. dem Todtschlag, den er an Valentin begeht, und indem er Gretchen überredet, der Mutter das Schlaftrünklein zu geben, ist er nur halb verantwortlich, denn Mephistopheles spielt in beiden Fällen die hervorragendere Rolle, und hauptsächlich im letztern Fall dürften wir es wohl als

ficher annehmen, daß Faust mit der tödtlichen Wirkung des Gifts nicht bekannt. Allein noch immer bleibt auch selbst dann seine Schuld noch eine schwere.

In den darauffolgenden Scenen schreitet die Handlung rasch vorwärts; Gretchens fromme Mutter schenkt das ge= heimnißvolle Schmuckkästchen der Kirche; sie hat nach einem Pfaffen" geschickt, wie Mephisto erzählt, und

,,Der hatte kaum den Spaß vernommen,“ so
,,Strich er drauf ein Spange, Kett' und Ning,
Als wären's eben Pfifferling,

Dankt' nicht weniger und nicht mehr,
Als ob's ein Korb voll Nüfse wär',
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn
Und sie waren sehr erbaut davon.“

Und die salbungsvolle Feierlichkeit in dem Rathe, welchen der Geistliche zum Abschied ertheilt, ist in der That köstlich; man weiß mit einem Male, daß Seine Hochwürden ein Doppelkinn und ein Bäuchlein von stattlichem Umfang hatte; doch ermangelte er nicht des Humors und man meint ihn in sich hinein lachen zu hören, sobald die Thür hinter ihm ins Schloß gefallen war:

,,Der hatte kaum den Spaß vernommen,

Ließ sich den Anblick wohl behagen.
Er sprach: So ist man recht gesinnt!

Wer überwindet, der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen,

Und doch noch nie sich übergeffen."

Als jedoch das zweite Schmuckkästchen in derselben unerklärlichen Weise erscheint, gibt Gretchen den Ueberredungskünften ihrer Nachbarin Marthe Schwerdtlein nach und behält es. Hierauf folgt die rasche Entwickelung von Mephisto's kleiner List, um Faust und das junge Mädchen zusammenzuführen, und endlich das Stelldichein in Frau Marthe's Garten. Mit freimüthiger, kindlicher Geschwätzigkeit schildert Gretchen dem verliebten Faust ihre kleinen täg

lichen Pflichten und Sorgen, und er hört ihr mit einer ernsthaften, des Liebhabers würdigen Hingebung und Andacht zu, als ob ihre Worte die tiefste Weisheit enthielten. Von dem Standpunkte seiner eigenen stubenhockerischen Erfahrung aus erscheint ihm alles ganz wunderbar und schön. Gretchens beschränkter Ideenkreis, ihre bescheidene Meinung von ihrem eigenen Werth und selbst die Ungeschultheit und Unrichtigkeit ihrer Sprache überraschen ihn im Lichte reizender und erfrischender Neuheit. Er hat niemals geahnt, daß eine solch schlichte, einfache, ungekünstelte Existenz, so durchaus unberührt und ungequält von Zweifeln und Bestrebungen, in einer Welt möglich wäre, welche so viele verwickelte Probleme darbietet. Seine Liebeserklärung läßt daher nicht lange auf sich warten und ihr unverschanztes, weiches Herz ergibt sich ihm leicht. Dann folgt der erste Kuß und das Versprechen des Wiedersehens. Wie reizend, wie köstlich naiv ist dann das kleine Selbstgespräch Gretchens, nachdem Fauft von ihr weggegangen ist:

,,Du lieber Gott! was so ein Mann

Nicht alles, alles denken kann!
Beschämt nun steh' ich vor ihm da,
und sag' zu allen Sachen ja.

Bin doch ein arm unwissend Kind,
Begreife nicht, was er an mir find't.“

Nachdem Faust seine unrühmliche Eroberung vollendet hat, zieht er sich wieder einmal in seine alte Veste erhabenen Nachdenkens und stiller Betrachtung zurück, oder, wie Mephistopheles es ausdrücken würde, der Profeffor erwacht wieder in ihm. Er fühlt undeutlich, daß seine Beziehung zu Gretchen dieser niemals irgend ein dauerndes Glück bringen kann, und er zaudert daher, ehe er ihr Verderben vollendet. Wenn er sich nun von ihr zurückzieht, während ihre Liebe zu ihm noch nicht mehr ist als eine zärtliche mädchenhafte Empfindung, wird ihr Leben bald wieder seinen gleichartigen ebenen Verlauf nehmen; ihre Begeg=

nung und ihr Stelldichein werde zu einem bloßen Zwischenfall zusammenschrumpfen, verblaffen und mit der Zeit vergeffen werden. „Der Gott in ihm," sagt Kreißig, *) „ist noch nicht unterlegen im Kampf mit dem Thiere," der Keim seines Wesens ist noch unverdorben. Die Stimme des Gewissens ist noch nicht durch die Stimme der Leidenschaft übertäubt und zum Schweigen gebracht worden; seine beffere Natur macht sich mit erneuter Kraft wieder geltend.

An hoher und erhabener Energie des Ausdrucks und Tiefe des Sinnes steht die Scene in „Wald und Höhle“ im ganzen Drama unübertroffen da. Fauft ruft den Erdgeist an, welcher ihm, wie er sagt, alles gegeben, um was er ihn gebeten habe. Die Natur, welche ihm früher den Eindruck einer Wildniß voll vereinzelter und räthselhafter Erscheinungen machte, liegt nun in ihrer großartigen Einheit und Ganzheit enthüllt vor ihm da. **) Er kann „nun in ihre tiefe Bruft wie in den Busen eines Freundes schauen“. Er hat die fortschreitende Entwickelung aller lebenden Ge

*) Kreißig, Vorlesungen über Goethe's Faust, S. 97.

**) Soret (der damalige Erzieher des Erbgroßherzogs von Sachfen-Weimar) gibt in Edermanns Gesprächen mit Goethe eine sehr intereffante Schilderung des Besuchs, welchen der Naturforscher und Anatom d'Alton (1803-1854) bet Goethe machte. In Verbindung mit der vorliegenden Scene ist das Folgende ganz besonders werthvoll:,,Goethe, der in seinen Bestrebungen, die Natur zu ergründen, gern das All umfaffen möchte, steht gleichwohl gegen jeden einzelnen Naturforscher von Bedeutung, der ein ganzes Leben einer speciellen Richtung widmet, im Nachtheil. Bei diesem findet sich die Beherrs schung eines Reiches unendlichen Details, während Goethe mehr in der Anschauung allgemeiner großer Geseze lebt. Daher kommt nun, daß Goethe, der immer irgend einer großen Synthese auf der Spur ift, bem aber aus Mangel an Kenntniß der einzelnen Facta die Bestätigung seiner Ahnungen fehlt, mit so entschiedener Liebe jedes Verhältniß zu bedeutenden Naturforschern ergreift und festhält. Denn bei ihnen findet er was ihm mangelt; bei ihnen findet er die Ergänzung dessen, was ihm selber lückenhaft geblieben. Er wird nun in wenigen Jahren achtzig Jahre alt, aber des Forschens und Erfah.

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