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eigenes Kind auf so entsetzliche Weise mordet! Und auch das ist Pflicht und durch das Alter geheiligte Sitte, und die Frau kann sonst oder vom Standpunkt der Radack-Insulaner auch im übrigen das Muster eines braven Weibes sein.

Und, wie hier, so war es auch bei den Rothautstämmen Nordamerikas1), wo es allerdings bei herumstreifenden Jägervölkern uns nicht Wunder nehmen kann, dass eine zahlreiche Schar kleiner Kinder das Umherziehen von Ort zu Ort behindert, auch die Frau in ihren Obliegenheiten als Arbeitstier des Mannes aufgehalten hätte.

Dieselben Gründe werden in Südamerika obgewaltet haben, WO LUBBOCK von den Paraguay-Indianern kurzweg berichtet: >> Bei mehreren dieser Stämme war der Kindesmord mehr eine Regel als eine Ausnahme, und da eine Frau nur ein einziges Kind gross zu ziehen pflegte und zu diesem Zweck dasjenige verschonte, welches nach ihrer Vermutung das letzte sein würde, so behielten viele überhaupt keines.<<

Aus Afrika mögen hier die Hottentotten erwähnt werden, bei denen es auch ein Recht der Eltern ist, das neugeborene Kind auszusetzen, wovon bei Zwillingen, Missgestalten und Krüppeln Gebrauch gemacht wird3).

Was nun die Hintertreibung der Geburt angeht, so sind wir gewohnt, an sie als Begleitung der Sittenverderbnis zu denken, wie wir sie zu Zeiten des traurigen Verfalles römischer Art in der Kaiserzeit sehen1). Es berührt sich aber hier das Raffinement der Überkultur mit dem naiven Egoismus und

1) Vergl. die Nachweise bei KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 368 ff. Bei mehreren Indianerstämmen sollen die Mütter ihre Töchter getötet haben, um ihnen ihr eigenes schweres Los zu ersparen (FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 10, S. 230), wahrlich ein schreckliches Zeugnis für das schwere Geschick, das die Frauen in der Urzeit zu tragen hatten!

2) Vorgeschichtliche Zeit, Bd. 2, S. 231.

3) FRITSCH, die Eingeborenen Süd-Afrikas, S. 334.

4) GELLIUS, noctes atticae 12, 1, 8.

der brutalen Zweckmässigkeit der Urzeit. Hüben wie drüben das Kind ein unnützes Übel, das nicht sein darf, weil es nicht gewollt ist. So zerstört man ohne Scheu das kommende Leben bei vielen Naturvölkern. Diese uns verbrecherisch erscheinende Sitte ist z. B. bei den Bantuvölkern Ostafrikas weit verbreitet1). In seltsamem Übergang zu späterer Rechtsbildung finden wir sie bei den Amaxosa-Kaffern; auch hier wird sie geübt, nur darf der Häuptling nichts davon wissen erfährt

er es, so muss er mit schweren Strafen (Busse von 4 bis 5 Viehstücken) einschreiten und kann es nur gestatten, wenn die Tat zur Vorbeugung der Geburt eines unehelichen Kindes geschieht 2). Aber nicht nur in Afrika, auch bei Indianern und Polynesiern, ebenso bei den Papuas auf Neu-Guinea finden wir diese grause Sitte vor3).

Hier sehen wir die Mutter über das neue Leben, das sich in ihr regt, verfügen; sie kann es vernichten, wie es ihr ward. Das Kind ist als Teil der Mutter gedacht. Anders naturgemäss zu Zeiten eines entwickelten Vaterrechts. Hier ist der Vater der Herr des Hauses und alles dessen, was innerhalb der vier Wände ihm zuwächst. Ihm gehört die Frucht des Feldes, wie die Frucht des Weibes, und er allein darf daher entscheiden, was zum Leben bestimmt ist und in seinem Haushalte heran wachsen darf. So ist bei den alten Germanen, wie bei den Römern der alten Zeit, das Niederlegen des Neugeborenen vor dem Hausherrn ein wichtiger Rechtsakt). Das Kind wird durch dieses äusserliche Zeichen der Gewalt des Hausvaters unterworfen; hebt er das Kind auf, so erkennt er es als ein

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 15, S. 35.

2) REHME ebenda, S. 54.

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 374, FRIEDRICHS ebenda, Bd. 10, S. 235; wegen der alten Kariben auf den Antillen, PESCHEL, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, S. 190; wegen Tahiti W. ELLIS, Polynesian Researches, Bd. 1, S. 129.

4) PLOSS, das Kind in Brauch und Sitte, Bd. 2, S. 243.

Glied der Familie an und es darf weiter leben. Sonst wird es als unnütz vernichtet, wie wir heutigen Tags junge Hunde oder Katzen ersäufen lassen.

Und auch hiermit ist noch nicht die Zahl der Gefahren erschöpft, die auf frühen Kulturstufen das Leben der Kleinen bedrohen. Wie man die Kinder in Zeiten der Hungersnot dahingibt, um den Stamm zu retten, so schlachtet man sie auch wohl als Opfer, um den Zorn der Götter zu versöhnen. Hier ist uns als typisches Beispiel vertraut das Opfer Abrahams, der Isaak, seinen einzigen Sohn, dem Herrn darbringen wollte. Es handelt sich vorwiegend um die semitischen Völker, bei denen das Kindesopfer, anscheinend aus religiösen Beweggründen, von Alters her heimisch war. Wir finden es nicht nur bei den Juden, sondern auch bei den Phönikern und ihrem Pflanzvolke, den Karthagern, bei Syrern, Ammoniten, Moabitern und nur vereinzelt bei anderen Völkern 1) 2). Arme Kleinen, die mit ihrem Blut in furchtbaren Todesarten die strenge Gottheit beschwichtigen sollten! Vielleicht liegt hier auch eine

1) Vergleiche die Nachweise bei FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 10, S. 225; auch JHERING, Vorgeschichte der indo-europäischen Völker, S. 313. Wegen der Kindesopfer bei den Inka-Peruanern: MARTENS, ein sozialistischer Grossstaat vor 400 Jahren, S. 82. Ja, man tötete die Kinder sogar, um den Zorn der Götter auf andere herabzurufen. So wird uns aus Indien berichtet: Wenn zwei Männer mit einander stritten und der Schwächere sich nicht mehr zu helfen wusste, so drohte er mit dem Mansami; er ging heim und zerschmetterte einem seiner Kinder den Kopf, damit das unschuldig vergossene Blut auf den Gegner käme. Hiermit hängt zusammen, dass man ein Lebendiges einmauert, um das Verderben abzuwenden. (Vergl. V. HEHN, Kulturpflanzen und Haustiere, 4. Aufl., S. 443, auch die schöne Erzählung von TH. STORM »der Schimmelreiter. <)

2) Über das ver sacrum der Römer, das nach FESTUS (s. v. MAMERTINI S. 158 und s. v. ver sacrum, S. 379, ed. MÜLLER; auch LIVIUS 22, 10) in der Urzeit an die Stelle der Kindesopfer getreten sein soll, vergleiche SCHWEGLER, römische Geschichte, Bd. 1, S. 241 u. JHERING, Vorgeschichte der indo-europäischen Völker, S. 309 ff.

Wurzel zu der fürchterlichen Sage von Medea, die ihre eigenen Kinder tötete. Das Blut der Kinder war wohlfeil in jenen alten Zeiten; das Recht zum Leben hatte nur, wer die Kraft dazu hatte, und das Dasein der kleinen Hilflosen gab man hin, um sich selber vor den Nöten und vor den zürnenden Göttern zu schützen.

Der Rechtsgedanke von der Heiligkeit des Menschenlebens gehört einer späten Kulturstufe an. Nicht der Lebende, wie heute, sondern nur der Vollkräftige, der seinen Bedroher bestehen konnte, hatte Anspruch darauf, dass man sein Leben achtete. Daher sind es in den alten Zeiten ganz konsequent nicht bloss die Kinder, sondern auch die wieder hilflos und dadurch unnütz gewordenen Alten, mit denen man aufräumt, weil sie die Lebensbedingungen der Übrigen erschweren. Das furchtbare Wort im König Lear1): »Diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsere besten Jahre ist die Devise vieler Naturvölker. Greise und Sieche, die durch ihre Gebrechlichkeit dem Stamme nur ein Hindernis sind, werden auf den Nomadenztigen zurückgelassen und dem Hungertode preisgegeben oder auch sofort getötet, bei manchen Völkern sogar lebendig begraben2). Ja, dies Begräbnis Leben

1) I, 2.

2) Zeitschrift, Bd. 12, S. 369, Bd. 14, S. 440; wegen der Hottentotten FRITSCH, die Eingeborenen Südafrikas, S. 334. Und auch hier finden wir die seltsame und der Menschheit eigentümliche Umbildung, dass später als Ehre und Recht beansprucht wird, was ursprünglich harter Zwang war. Auf den neuen Hebriden begrub man die Greise lebendig und zwar auf deren ausdrücklichen Wunsch, und, waren es Häuptlinge, unter feierlichen Zeremonien, denn lebendig ins Grab zu steigen, galt dem alten Manne als hohe Ehre. (JUNG, Weltteil Australien, Bd. 3, S. 30.) Und ganz ebenso berichtet die nordgermanische Sage, dass der hochbetagte Held sein Erbe austeilte und sich mit seiner Frau sodann, von den Kindern zu einem steilen Felsen geleitet, heiter und gelassen von ihm hinabgestürzt habe. (GRIMM, Rechts-Alterthümer, S. 486; auch KONRAD MAURER, die Bekehrung des norwegischen Stammes zum Christentum, Bd 2,

diger soll in dem altmärkischen Wendenland sogar noch zu Zeiten des grossen Kurfürsten vorgekommen sein1).

Doch ist der Greis noch in einer relativ günstigen Lage. Denn in der Urzeit weitverbreitet ist die Angst vor den Geistern, die Schaden bringen und den Lebenden, denen sie übel wollen, verderblich werden können. So finden wir häufig den Gedanken, dass, wer mutmasslich näher dem Tode steht, zu fürchten ist und besonders gute Behandlung erheischt, damit die Geister, von denen man ihn schon in Besitz genommen glaubt und die nach seinem Tode als ein unfassbar grässliches Etwas Verderben bringend umherschweifen können, nicht erzürnt werden. Und vielfach beruht auf dieser blinden Angst die Ehrfurcht vor dem Alter), die bei vorgeschrittener Kultur eine freie Huldigung der Kraft vor der reicheren Erfahrung ist. Der Nestor der Urzeit war ein Gegenstand unterwürfiger Scheu, weil man den Dämon fürchtete, der bald aus ihm entbunden werden musste; und wie veredelt ist dies Bild in der Dichtung einer höheren Kulturstufe der Hellenen! Nun aber zu den Kleinen, denen dieser Geisterglaube nicht zu statten kam; denn seltsamer Weise fürchtete man sich nie und nirgends, dass diesen geschlachteten Kinderleibern, wie denen der Greise, Geister, fürchterliche Gespenster entsteigen könnten. Wie gesagt, sentimental war man in den alten Zeiten nicht. Wie

S. 181.) Und scheint dies alte Nordlandsart gewesen zu sein; denn die Antike weiss von dem Scythen volk der Hyperboräer zu sagen: ihr Haus sei der Wald, nnd wie Zwietracht, so sei ihnen auch Krankheit unbekannt; seien sie alt und vom Leben gesättigt, so stürzten sie sich heiteren Sinnes und mit umkränztem Haupt von einem Felsen ins Meer (PLINIUS, histor. nat. 4, 12, (26), 89; POMPONIUS MELA 3, 5, 2).

1) SCHWEBEL, Geschichte der Stadt Berlin, Bd. 1, S. 26. So bei den Germanen, den Wenden, den alten Preussen und auch bei den Römern; vergl. GRIMM, Rechts-Altertümer, S. 486 ft., über die Inder ZIMMER, altindisches Leben, S. 328, JHERING a. a. O. S. 404, wegen der Polarvölker RATZEL, Völkerkunde, 2. Aufl., Bd. 1, S. 635.

2) GERLAND im Globus, Bd. 31, 1877, S. 332.

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