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mit ihm begraben oder, wie die Hütte, nach seinem Tode zerstört oder dem Zerfall preisgegeben wurde. Genau dem entspricht bei den Schuldverhältnissen die Anschauung, dass die Verbindlichkeit am Leibe des Schuldners haftet und mit seinem Tode erlischt; so finden wir im alten Wales den Grundsatz, dass alle Vertragsverhältnisse unvererblich sind 1). Dies ist aber offenbar eine sehr ursprüngliche und uralte Vorstellung der Menschheit; denn sie begegnet uns ebenso bei den semitischen Völkern. Die älteste Kunde haben wir von den Sumeriern, die in der Urzeit Mesopotamiens lange vor dem Reich Babylon bereits ein Kulturleben führten; auf den schon so oft in diesen Blättern angezogenen Täfelchen aus der Bibliothek Sardanapals ist uns auch der Rechtssatz erhalten, dass das Darlehn mit dem Kaufmann sterbe2). Und ganz untergegangen ist diese Auffassung bei den Semiten niemals; denn noch im islamitischen Recht tritt sie, wenn auch bereits abgeschwächt, so doch deutlich erkennbar in der Satzung entgegen, dass die Schuld durch den Tod des Schuldners zur Fälligkeit gebracht wird und daher sofort aus seinem Nachlass bestritten werden muss 3). Die natürliche, derbsinnliche Vorstellung, die dem zu Grunde liegt, springt in die Augen; das Schuldverhältnis hängt am Leibe des Schuldners und kommt daher mit seinem Hinscheiden zum Abschluss. Wie beim Aktivvermögen es zur

1) POST, Ethnologische Jurisprudenz, Bd. 2, S. 623.

2) OPPERT et MÉNANT, Documents juridiques, S. 19. Wenn JHERING, Vorgeschichte der Indoeuropäer, S. 243 ff. die Stelle auf das Seedarlehn deuten will, das mit dem im Schiffbruch umkommenden Schiffsherrn untergehe, so entbehrt dies ebenso wie seine Hypothese, dass diese Völker Seeschiffahrt und Seehandel getrieben hätten, jeder tatsächlichen Unterlage. Auch das seitdem aufgefundene Gesetzbuch des Königs HAMMURABI um 2250 v. Chr. tut zwar häufig der Schiffahrt Erwähnung; da aber dabei des Fährschiffs gedacht ist (daselbst § 240, 275), kann nur die Flussschiffahrt auf den Strömen Mesopotamiens gemeint sein.

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 218, Bd. 12, S. 27, 42, 43; TORNOUW, ebenda, Bd. 5, S. 161.

Bestattungspflicht des nächsten Verwandten gehört, Waffen, Kleider und Schmucksachen ins Grab zu tun, so erstreckt sich die gleiche Pflicht bei der Schuld auf die Lösung dieses Verhältnisses, also die Befriedigung des Gläubigers. So sehen. wir, wie die Bestattungspflicht deren Wichtigkeit bei der

ganz ungemeinen Sorge, die man in alter Zeit für Begräbnis und Totenopfer hegte, gar nicht zu überschätzen ist1) — die Wurzel für den Übergang der Schuld auf den Erben bildet. Und wir finden dies auch z. B. im birmanischen Recht direkt ausgesprochen, dass, wer den Toten bestattet, für dessen Schulden einzustehen hat3). Dies konnte soweit führen, dass der Erbe, dem die Bestattungspflicht oblag, unbedingt für die Schuld aufkommen musste; wie eine solche unbeschränkte Haftung sich aber andererseits auch aus alten hausgenossenschaftlichen Vorstellungen, nach welchen die ganze Genossenschaft für ihren einzelnen Genossen einzustehen hat, herleiten kann 3).

Der Gedanke, dass die Schuld am Leibe hängt, führt aber noch zu weiteren wichtigen Consequenzen. Hierzu ist vor allem

1) Für die Bedeutung, welche man dieser Pflicht in alten Zeiten beimass, sei hier noch erwähnt, dass in der jüngeren Edda das Schiff Naglfar, das die weltzerstörenden Mächte herbeiführt, aus den Nägeln der Toten gezimmert ist, welche die Lieblosigkeit der Menschen unbestattet gelassen hat (vergl. SIMROCK, Der gute Gerhardt und die dankbaren Toten, S. 121 ff). Wegen der alten Hebräer, vergl. Buch TOBIAS 1, 20, 21; 2, 3 und 7 ff.; 12, 12.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 203; über diese Frage überhaupt derselbe, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 19 und 20.

3) Über solche unbedingte Haftung des Erben, vergl. FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 74, Anm. 3. Bei den Grajiroindianern in Venezuela bezahlt die Familie die Schulden des Erblassers, weil die Beschimpfung seines Namens etwas Furchtbares wäre (KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 384); wegen der Herleitung der Schuldenhaftung des Erben aus dem Rechte der gesamten Hand, also der Hausgenossenschaft und ihren rechtlichen Ausläufern, vergl. von AMIRA, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung, S. 213.

die uns aus der Antike wohlbekannte, in Wahrheit aber viel weiter verbreitete Schuldknechtschaft zu rechnen. Ganz roh gilt nicht der Wille, sondern die Person, der Mensch selbst als gebunden, und die nichtbezahlte Schuld macht ihn zum Knecht. Am weitesten in geradezu grausamer Ausdehnung dieses Rechts ist man im alten Rom gelangt; wir erkennen hier das alte, starre Bauernvolk, das das Recht des Eigentums konsequent und streng ausgebildet hat, auch darin wieder, dass dies Recht an der Person des Mitbürgers mit einer Schärfe, als ob der Gläubiger Herr und Eigentümer des Schuldners wäre, ausgebildet ist. Der dem Bauern eigene Hass gegen den schlechten Wirt und Bankerottierer kommt hier zu einem in der gesamten Geschichte des Rechts wohl sonst unerhörten Ausbruch. Der Römer durfte seinen Schuldner wie einen Sklaven (servi loco) halten oder ins Ausland (über die Tiber, trans Tiberim) verkaufen, ja ihn totschlagen. Das war aber noch nicht das Äusserste, und unserm heute lebenden Geschlecht klingt es teuflisch, wenn die alten Gesetze der zwölf Tafeln, grausamer als der venezianische Senat in der Shakespeare'schen Dichtung es dem Verlangen des Shylock gegenüber war, ausausdrücklich fortfahren, ein Schnitt zu viel wäre für den Gläubiger kein Verbrechen (si plus minusve secuerint, sine fraude esto)1).

In Athen bestand in alter Zeit die Schuldknechtschaft als Verpfändung der eigenen Person, so dass der Mensch als Pfandstück gedacht wurde (ènì oúpaoı daveíleiv); und war ihre

1) Ich bemerke, dass mir wohl bekannt ist, wie eine neuere Richtung diese Stelle als einen alten Schreibfehler hinstellen will (secanto statt eines älteren unverständlich gewordenen Wortes secunto). Dies trägt aber unsere heutigen Gefühle in die alte Zeit hinein; und bezeichnend genug haben die Alten, die ihre eigene Sprache doch selbst am besten kennen mussten, die Stelle nicht anders als von dem Zerschneiden des Schuldners durch mehrere Gläubiger verstanden. (GELLIUS, noctes Atticae 20, 1, 48 ff.; QUINTILIAN 3, 6, 84; TERTULLIAN, apol. 4.), Wollen wir nur nicht gar zu klug sein!

Beseitigung eine der segensreichsten Reformen Solon's 1). Man nimmt, und nicht ohne Anschein, an, dass Solon auf diese einschneidende Neuerung durch das Vorbild Ägyptens geführt worden ist'); denn hier kannte man die Schuldknechtschaft nicht, und Diodor, durch den wir dies wissen, billigt es mit den trefflichen Worten, dass der Bürger nicht dem Einzelnen, sondern dem Staat gehören dürfe und ihm sonst in der Stunde der Gefahr fehlen würde3). Wie viel Fäden führen in das alte Hellas aus Ägypten und aus dem Orient1) hinüber, und wie viel hat die Antike und mit ihr auch unsere heutige Kultur dem zu verdanken, dass Hellas den, so weit uns bekannt, ältesten Kulturvölkern räumlich nahe war und dadurch auf den Schultern von Jahrtausenden stand!

Aber nicht nur aus Rom und Athen wissen wir von Einrichtungen der Schuldknechtschaft, sondern leider finden wir sie über einen guten Teil der Erde verbreitet. Man muss sagen, dass das Sondereigentum, sobald es erstarkt war, zunächst erschreckend schroff auftrat, und erst die zunehmende Kultur die Sache auf das richtige Mass zurückführte und der Überspannung gegenüber zur Geltung brachte, dass auch das Eigentum des Einzelnen am Interesse der Gesaintheit seine Schranke hat. Die spätere Schuldhaft war eine bedeutende Abschwächung der alten Schuldknechtschaft; der Staat zog wie ja auch

1) PLUTARCH, Solon, C. 13.

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2) KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 19. 3) DIODORUS SICULUS 1, 79; vergl. BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 1, S. 14, Bd. 2, S. 292, Bd. 6, S. 286; Derselbe, Staat und Recht der römischen Königszeit, S. 241 ff.

4) Dort bestand die Schuldknechtschaft schon im Recht des alten Babel (Gesetzbuch des HAMMURABI §§ 115, 116), ebenso wie bei den Hebräern (2. Mos. 21, 2 ff.; 3. Mos. 25, 39; 5. Mos. 15, 12; JEREMIAS 34, 14; und wegen der Haftung der Familie des Schuldners 2. Könige 4, 1; JESAIAS 50, 1). Anders im talmudischen Recht, wo nur der Dieb, der den Wert der gestohlenen Sache nicht ersetzen konnte, der Schuldknechtschaft verfiel, (Rappaport in Zeitschrift Bd. 15, S. 183, Anm. 70; Bd. 16, S. 86 ff.)

sonst der allgemeine Entwickelungsgang in so vielen Dingen gewesen ist die Ausübung des Gläubigerrechts an sich und beseitigte dadurch die Auswüchse, die Hass und Wut des um seine Forderung gebrachten Gläubigers leicht mit sich bringen konnte. Ganz besonders bedenklich mussten sich ehedem die Zustände dort gestalten, wo nach dem anfänglichen Prinzip der Gesamthaftung nicht nur der leichtsinnige Schuldner, sondern seine ganze Sippe der Verfolgung des Gläubigers und in ihrer Konsequenz auch der Schuldknechtschaft preisgegeben war1).

Dass bei unsern Altvordern der Mann und sein Bürge für die Schuld mit dem eigenen Leibe als Pfand hafteten, ist allbekannt. Ich habe vorhin schon erwähnt, wie nach TACITUS beim Spiel man sich selbst, wenn alles Andere verloren war, mit eigenem Leib für die Spielschuld zum Pfande setzte und, wenn auch dieser Wurf verlor, verknechtet wurde2). Schon dies weist darauf hin, dass die Anschauung, wonach bei Verfall der Schuld der Schuldner selber zum Knecht wurde, bereits in einer sehr alten Zeit Deutschlands verbreitet gewesen sein muss. Wir haben aber auch andere Zeugnisse dafür, so insbesondere das alte Volksrecht der Bayern (die lex Bajuvariorum), weiches für den Fall, dass jemand die verwirkte Busse nicht entrichten kann, seine Verknechtung bestimmt 3). Noch im

1) So im Recht der Kands auf Ceylon; vergl. KOHLER, Studien S. 237, und über die Verbreitung der Schuldknechtschaft derselbe, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 14 ff.

2) TACITUS, Germania, C. 24.

3) Lex bajuv. 2, I: componat secundum legem. si vero non habet, ipse se in servitio deprimat et per singulos menses vel annos quantum lucrare quiverit persolvat, cui deliquit, donec universum restituat. Für die Franken vergl. die Formulae MARCULFI 2, 27, 28, in denen sich der Schuldner der Schuldknechtschaft in härtester Gestalt und sogar körperlicher Züchtigung unterwirft: (27): licentiam habeatis, sicut ceteros servientes vestros disciplinam corporalem imponere . . . (28) licentia habeatis, me qualemcunque volueritis disciplinam imponere vel venundare aut quod vobis placuerit de me facere.

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