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für nichtig zu erklären 1), sodass insbesondere Lieferungsgeschäfte nur dann Gültigkeit haben, wenn die zu liefernde Ware schon vorhanden ist, aber nicht, wenn sie erst beschafft werden soll2). Das ist freilich ein radikaler Schlag, der jedes gewerbliche Unternehmen wie jede kaufmännische Spekulation rechtlich an der Wurzel vernichtet.

Und das in denselben Ländern, die ehedem der Sitz eines ausgedehnten Handels und vermutlich die Wiege des Vertragsrechts waren. So ist auch die Stätte zur Wüste geworden, die einst die alte Babel war. Dort hatte schon in einem Zeitalter, das uns Kurzlebigen als nebel- und sagenhaftes Uraltertum erscheint, das Vertragsrecht eine hohe Entwickelung gewonnen. Wie aus den alten Tontäfelchen, die unter dem Schutt ihrer Königspaläste gefunden wurden, festgestellt ist, kannte man bereits damals nicht nur Darlehnszinsen, sondern auch Vollmacht dies Rechtsinstitut, das, uns so geläufig, bekanntlich im römischen Recht sich erst langsam Anerkennung er. ringen musste 3), Solidarverschuldung, Cession, Quittung, Aufrechnung, ja, um diese bunte Aufzählung zu gipfeln, sogar abstrakte Schuldversprechen1). Wir sehen hier mit Erstaunen

1) KOHLER, rechtsvergleichende Studien, S. 94-96; Derselbe in Zeitschrift, Bd. 6, S. 214, Bd. 12, S. 34 ff; KREMER, Kulturgeschichte des Orients, Bd. I, S. 516; FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 40. 2) KREMER a. a, O., S. 508 ff.

3) Der Grund, den man gewöhnlich dafür angibt, nämlich, dass die hausherrliche Gewalt im alten Rom eine Vertretung durch andere Personen entbehrlich machte, ist ein sehr starker Belag dafür, wie lange die alte Hausgenossenschaft bei den die Gesetzgebung bestimmenden vornehmen Geschlechtern in Kraft geblieben ist vielleicht ist dies auch eine Erklärung für den kräftigen, den Plebejern gegenüber allerdings exklusiven Gemeinsinn dieser Geschlechter, die in der Stunde der Gefahr sich als ein eisernes Rückgrat erwies.

4) KOHER-PEISER, aus dem babylonischen Rechtsleben; ferner KOHLER bei PEISER, babylonische Verträge des Berliner Museums, S. XXXIV; über die Quittungen im babylonischen Rechtsverkehr ebenda, S. XXXVII; über

ein Rechtsleben, wie man es früher nur mit spät entwickelten Kulturen vereinbar glaubte, in Uralterszeit. Was für ein Volk muss das der grossen Babel gewesen sein, was für Menschen beweglichen und weitschauenden Geistes, und was für eine Kaiserin war sie selbst unter den Städten!

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Soweit in die Vergangenheit zurück können wir die ersten Spuren des Vertragsrechts verfolgen. Und doch ist es sicherlich eine verhältnismässig späte Frucht des Menschengeistes, weil es wie wir oben gesehen haben begrifflich die Sonderung des Individualeigentums vom ursprünglichen Gesamteigentum voraussetzt. Ebenso können wir uns vor diesem Zeitpunkt nicht die Anfänge des Erbrechts denken. Ja, hier liess zunächst die Vorstellung, dass die Einzelhabe am Leibe des Einzeleigentümers hafte 1) und daher mit ihm untergehe, den Gedanken an den Übergang dieser Habe auf einen Erben, also einem Nachfolger im Eigentum, grundsätzlich nicht aufkommen. Es muss hier an das erinnert werden, was bei Gelegenheit der Witwentötung) über den Zusammenhang dieser fürchterlichen Einrichtung mit dem Glauben an die Unsterblichkeit gesagt ward, und schon dort wurde betont, wie die letzten Fäden der Rechtsgedanken tief in die innersten religiösen und gemütlichen Vorstellungen unserer Urväter hinein reichen. So war, was uns hier interessiert, der Tote nicht nur der Ahn, dessen Wohlwollen man sich durch Opfer sicherte und der dann als segenbringend und schützend gedacht wurde, sondern der, wie es scheint, der Menschheit auf ihren ursprünglichen Stufen tief eingewurzelte Geister- und Gespensterglaube sah in dem Toten auch ein Schrecknis, das aus dem toten

die Cession, ebenda, S. XXXVIII; über die Vollmacht KOHLER-PEISER III, S. 9.

1) Dass der Satz: mobilia ossibus inhaerent, in der Lehre vom Sitz der Rechtsverhältnisse sich lange erhalten hat, ist jedem juristischen Leser

wohlbekannt.

2) Oben, Bd. 1, S. 220 ff.

Körper sich loslöste, das zurückkehren konnte und dessen Rückkehr, weil Entsetzen bringend, durch weitgehende Vorkehrungen verhindert werden musste. Wie man die westafrikanische Witwe in der Hütte, mit einem Stock ausgerüstet, zur Abwehr des Geistes Wache halten liess 1): aus demselben Grunde war es weitverbreitete Sitte, mit dem entseelten Leibe auch die Habe des Verstorbenen zu vernichten. Wir stehen hier vor einer der tiefsten und stärksten Hauptwurzeln, aus welchen die Vorstellungen der Menschheit sich nach den verschiedensten Richtungen hin entwickelt haben: wie der Verstorbene den Seinen Glück oder Unheil bringen konnte, so erwuchs auf der einen Seite der für die Rechtsgeschichte und überhaupt für die Entwickelung der Menschheit so wichtig gewordene Ahnenkult, der dem Naturkind die Toten und die Lebenden, die Vergangenheit und die Gegenwart mit einem festen Bande zusammenschloss 2), auf der anderen Seite Geisterfurcht und der dadurch erzeugte Hexenglaube, der eine der fürchterlichsten Geisseln der Menschheit, in Europa wie im inneren Afrika werden sollte. Und diese blinde Furcht vor dem Toten und seiner als Schrecken aller Schrecken gedachten Rückkehr unter die Lebenden brachte auch dazu, alles, was mit ihm zusammen. hing, so bei Beginn des Sondereigentums auch die Sonderhabe zu zerstören, weil eine Benützung der Sachen den Geist des Toten beunruhigen und herauf beschwören könnte.

1) Oben, Bd. 1, S. 227. Ebenso strecken bei den Leichenfeierlichkeiten der Bakwiri in Kamerun die Männer, als wollten sie der entflohenen Seele das Wiederkommen wehren, ihre Waffen drohend gegen die Leiche und wird bis zum Abend ununterbrochen gelärmt und geschossen, um die Seele, vor deren Wiederkommen man sich fürchtet, zu vertreiben. (J. SCHOLZE in der deutschen Kolonialzeitung 1901, S. 405). Und ein altes Totengebet bei Beerdigung auf den Südseeinseln lautete: »Sei beglückt im Jenseits und blick nicht zurück auf die, welche du hier zurückgelassen hast!<< (W. ELLIS, Polynesian Resarches, London 1830, Bd. 1, S. 522; über die Furcht vor den Geistern der Verstorbenen ebenda S. 525 ff., Bd. 2, S. 201). 2) Oben, Bd. 2, S. 30.

Dies finden wir auf der ganzen Erde wieder im tropischen Südamerika bei der Königsfamilie der Inkas in Peru, wie in Ostindien, wo man die Paläste der toten Könige verfallen liess. Also in Ländern, die durch einen Ozean getrennt sind, den in alter Zeit kein Schiff und keine Kunde gekreuzt hat hier wie dort dieselben tiefwurzelnden Vorstellungen, als ob der Menschheit, wie der menschliche Leib und die menschlichen Sinne, hier und dort genau dieselben auch ein gemeinschaftlicher Vorrat ursprünglicher Gedanken mitgegeben war. Kein geringeres Wunder als das, was in den Gestirnen des Himmels, den Sonnen und Welten über uns, leuchtet. Denn, wenn wir tiefer über diese Dinge nachdenken, ist der Mensch sich selbst das grösste Wunder. Aber zurück zur Vernichtung der Habe des Verstorbenen, als der stärksten Verneinung des Erbrechts, wie sie uns in alter Zeit begegnet! Solche Begräbnissitten, bei denen man die Kleider, Lieblingstiere, Pferde, und wie beim Eherecht bereits ausführlich dargelegt ist auch wohl die Witwe mit begräbt oder opfert, lassen sich bei gar vielen Völkern nachweisen. So bei den amerikanischen Indianerstämmen in sehr weiter Verbreitung. Wir wissen es von den Völkern Columbiens, die das Eigentum des Verstorbenen unweit von der Leiche niederlegen und im Stiche lassen1), von den nördlichen Kaliforniern, welche die Habe des Toten entweder mit ihm begraben oder um sein Grab aufhängen, bisweilen auch sein Haus verbrennen und die Asche über dem Begräbnisplatz ausstreuen 2) - so auch kleiden die Mandans. am Missouri den Toten prächtig und legen ihm seine volle Kriegsrüstung an3). Und auch die Utahs zerstören den Nachlass beim Begräbnis und töten das Lieblingspferd des Verstorbenen und zuweilen auch seine Frau auf dem Grabe, »damit

1) LUBBOCK, Vorgeschichtliche Zeit, Bd. 2, S. 228.

2) BANCROFT, Native races, Bd. 1, S. 356, 357.

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3) CATLIN, Illustrations of the manners etc. of the North American Indians, Bd. 1, S. 89.

er nicht allein im Geisterlande sei« 1). Ganz ebenso verbrennen die Navajos in Colorado Heim und Lieblingstiere, »um ihn auf der Reise, die er vor hat, zu begleiten, « und kein Navajo wird jemals in einer Behausung wohnen, in der jemand ge storben ist). Ebenso gibt man in Florida den Toten auf die weite, weite Reise den besten Schmuck und das wertvollste Eigentum mit und begrub daher in alter Zeit auch Weiber und Diener mit ihm 3). Und ganz ähnliche Berichte haben wir von einer ganzen Reihe anderer nord- und südamerikanischer Indianervölker). Wir wissen es aber auch z. B. von den Eingeborenen Central-Afrikas), von den australischen Eingeborenen) und aus der Inselwelt Polynesiens 7).

So sehen wir die Einzelhabe mit dem Individuum untergehen ein uns heutige Menschen seltsam anmutender, aber im Grunde ganz konsequenter Gedanke, wenn er uns auch vom Standpunkt der Volkswirtschaft ungeheuerlich erscheinen

1) BANCROFT a. a. O., Bd. 1, S. 439.

2) SCHOOLCRAFT, history etc. of the Indian tribes, Bd. 4, S. 213, 214. 3) WAITZ, Anthropologie, Bd. 3, S. 199, 200,

4) BANCROFT a. a. O., Bd. 1, S. 126. CHARLEVOIX, histoire etc. de la nouvelle France, Bd. 1, S 43 (La cabanne du défunt est brûlée avec tout ce qui étoit à son usage particulier), S. 195 (Dèsqu'un père de famille étoit expiré, on le tiroit de sa cabanne, à laquelle on mettoit le feu sans en rien emporter); Azara, voyage dans l'Amérique méridionale, Paris 1809, Bd. 2, S. 25, 117, 153; SCHOMBURGK, Britisch Gujana, Bd. 1, S. 422, (Man hatte sorgfältig die Sachen der Verstorbenen ausgesucht, die nun samt ihrer Hängematte ausserhalb der Hütte verbrannt wurden . . . Die Hütte selbst wird von den Bewohnern verlassen);

Naturgeschichte des Menschengeschlechts, Bd. 4, S. 512.

PRICHARD,

5) DUFF MACDONALD, Africana, London 1882, Bd. 1, S. 108: »Niemand will im Hause des Verstorbenen leben. »Der Geist des Toten

würde dem Manne, der so täte, zürnen und sagen:

Dieser Mann ist froh,

dass ich starb; sonst würde er nicht in mein Haus einziehen..

6) PRICHARD a. a. O., Bd. 4, S. 283 ff. auf Grund eines Berichtes im

Geographical Journal.

7) WAITZ-GERLAND, Anthropolog., Bd. 6, S. 130.

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