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Mit hoher Kultur ist derartige Auffassung nicht unvereinbar. So finden wir bei den Azteken des alten Mexiko, einem Volk, das zu der Zeit, als es den Europäern bekannt wurde, eine recht beträchtliche Kulturstufe erreicht hatte, das Recht des Mannes, die Kinder in die Sklaverei zu verkaufen1).

Und die heutigen Naturvölker bieten uns reichliche Belege. Es seien hier nur einzelne Beispiele aus verschiedenen Teilen der Erde gewählt! Bei den wilden Naturvölkern Brasiliens übt der Vater, so lange die Kinder sich noch nicht selbständig behaupten können und daher von ihm abhängen, eine ganz unumschränkte Gewalt aus; auch er kann die Kinder in die Knechtschaft verkaufen 2). Und nicht verwundern kann es uns, denselben Zustand bei den westafrikanischen Küstenvölkern zu finden, bei denen die Stellung der Frau insgemein eine niedrige ist; auch hier bestätigt sich, dass der Grund der Gewalt an dem Kinde das eigentumsähnliche Verhältnis des Vaters zur Mutter des Kindes ist. So wird uns von der Goldküste berichtet, dass der Vater die Kinder verpfänden und veräussern kann3). Bei den Ephenegern in Togo hat die neue Zeit die alte Strenge gemildert; zwar gilt noch immer grundsätzlich als Rechtsregel, dass der Vater die Kinder töten und verknechten kann; aber eine mildere Übung missbilligt und beseitigt bereits die alte Sitte4). Wir finden also mit Erstaunen bei einem heutigen Negervolk dieselbe Entwickelung wie vor Zeiten im klassischen Rom: die Norm besteht, wie dort bis in die letzten Zeiten der römischen Republik, noch zu Recht, dass der Vater mit den Kindern schalten kann, als ob er der Herr und sie sein Eigentum wären; aber tatsächlich ist der Rechtssatz nur noch eine Erinnerung und wird in Wirklichkeit nicht mehr befolgt. Ist es ein Zufall, der die Menschheit so

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 11, S. 42, 43.

2) MARTIUS, Ethnographie Brasiliens, S. 74; Zeitschrift, Bd. 13, S 298.
3) CRUICKSHANK, 18 years on the Goldcoast, Bd. 1, S. 313 ff.
4) HENRICI in Zeitschrift, Bd. 11, S. 136.

verschiedener Zeiten, Bildungsstufen und Weltgegenden auf denselben Wegen demselben Ziele zuwandern lässt? Oder waltet hier ein ewiges Naturgesetz, das die Menschheit von Stufe zu Stufe emporzieht und ebenso dem begabtesten wie dem stumpfesten Volke gilt ein Gesetz der Erziehung der Menschheit, wie Lessing es kühn vorausschauend ahnte? Kann man es aussprechen, dass der Gang der Menschheit eine gewaltige Spirale ist, deren Krümmungen in sich zurückzugehen scheinen, deren Endpunkt aber nach oben liegt?

Überall dieselben Erscheinungen, derselbe Werdegang! Nur um noch einen dritten Weltteil zu nennen, wir finden noch heute bei den Annamiten in Hinterindien das Recht der Eltern zum Verkauf der Kinder1). Und auch hier können wir sicher sein, wird die Zeit kommen, wo eine mildere Sitte Platz greift, und die alte Übung zu einer inhaltsleeren Norm wird. Und seltsamer Kontrast! - derselbe Vater, der sich als unumschränkter Herr und Eigentümer des Kindes fühlt, stellt sich gleichzeitig vor, dass er und das Kind Eine Seele und Ein Körper ist. »Sein Fleisch und Blut«, was wir Menschen einer späteren Zeit leichthin sagen, ist dem Menschen einer früheren Kulturstufe ein ernst genommener, mythischer Gedanke. Nur so ist zu erklären, dass, wie wir später sehen werden, am Anfang des Strafrechts die Schuld des Vaters auch am Kinde zu rächen ist, »bis in das dritte und vierte Glied« 2), und damit im Zusammenhang steht auch das Wochenbett des Vaters, die wunderbare Couvade, die man für eine Fabel, das Hirngespinst eines überreizten Dichters halten möchte, wenn sie nicht aus allen Teilen der Erde beglaubigt wäre. Der Mann tut, als ob er die Wöchnerin wäre, isst nur bestimmte Speisen, muss sich insbesondere der Fleischnahrung enthalten, darf während der

1) FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 12, S. 465.

2) So muss nach der Vorstellung der Naturvölker der Vater auch die Arznei für das kranke Kind nehmen, damit sie diesem helfe; vergl. v. D. STEINEN, unter den Naturvölkern Central-Brasiliens, S. 338.

vorangehenden Zeit nicht schwere Gegenstände heben u. s. w. Eine ähnliche Nachahmung der Natur (imitatio naturae), wie wir sie bei den ursprünglichen Formen der Adoption in drastischer Weise finden werden. Weitverbreitet sind diese Bräuche; wir finden sie bei den Basken1), bei den Bewohnern der Andamaneninseln"), wie bei den ostafrikanischen Negerstämmen der Wabonda3), bei den Papuas auf Neu- Guinea) und in Polynesien 5), wie bei den kalifornischen Stämmen 6), bei den Azteken des alten Mexiko) und den Naturvölkern des tropischen Südamerika) — und bei so manchen anderen Völkern. Eine der verwunderlichsten Ideen, auf die die Menschheit jemals geraten ist, in universaler Verbreitung! Aber überheben wir uns nicht! denn wir wissen nicht, ob nicht manche unserer Ideen den Kulturstufen ferne nach uns ebenso verwunderlich erscheinen werden.

Der Sohn trägt die Seele des Vaters, er ist der wiedergeborene Vater. So drückt es das indische Mahâbhârata aus: >>Er, durch sie geboren, so bestimmen die Weisen das Wesen

1) POST, Anfänge, S. 18; dort überhaupt, wie bei FRIEDRICHS im Ausland 1890, S. 801 ff., 834 ff., 856 ff., 878 ff., 895 ff., reiche Nachweise aus den verschiedensten Gegenden der Erde. So berichten bereits STRABO (3, 4 § 17) von den Iberern: Die Weiber besorgen den Ackerbau, und wenn sie geboren haben, so pflegen sie die Männer, welche sich an ihrer Stelle niedergelegt haben, und DIODORUS SICULUS (5, 14, § 2) von den Korsen: >>wenn die Frau niederkommt, so kümmert sich niemand um ihre Entbindung. Aber ihr Mann legt sich wie ein Kranker hin und hält bestimmte Tage lang das Wochenbett ab, wie wenn er an schwerer Krankheit litte.

2) BASTIAN, Zur naturwissenschaftlichen Behandlungsweise der Psychologie, S. 73

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 15, S. 34.

4) Zeitschrift, Bd. 14, S. 355.

5) Ebenda, S. 422.

6) Zeitschrift, Bd. 12, S. 247.

7) Zeitschrift. Bd. 11, S. 49.

8) v. D. STEINFN a. a. O. S. 334 ff.

eines Sohnes; daher soll der Mann seine Frau, die Mutter seines Sohnes, als seine eigene Mutter betrachten.« Dass hier eine der Wurzeln des Erbrechts liegt, beweist die Tatsache, dass auf manchen Inseln der Südsee der König bei Geburt eines Sohnes die Herrschaft niederlegt und Verwalter des Sohnes wird; auf anderen Inseln dankt er bei der Verheiratung des Kindes ab1), gerade wie unsere Bauern vielfach bei gleicher Gelegenheit auf den Auszug gehen. Und wenn in unseren Verhältnissen auch die rein verständige Erwägung, dass die rüstigere Hand die Wirtschaft fortsetzen soll, vorwiegt etwas von dem uralten Gedanken, dass der Sohn nunmehr den Vater und die Familie verkörpere, spukt auch bei unseren Bauern nach.

Hart war das Leben in der ältesten Zeit, härter als es heutzutage auch der wenig Begüterte sich auszudenken vermag. Wir müssen uns vorstellen, dass bei den damaligen gröberen Nahrungsmitteln die Säugezeit sehr viel länger, wohl 4 bis 5 Jahre gedauert haben wird, bis das Kind im stande war, die harte Kost in sich aufzunehmen; so lange Zeit musste der Mann oder mussten die Männer sich der Frau enthalten). Die Erziehung des Kindes fügte sich der Eheverfassung; in ältester Zeit, ehe die Einzelehe obsiegte, konnte naturgemäss nur von einer Hordenerziehung die Rede sein. Das Kind wuchs in der Gesamtheit auf, seine Ernährung wie seine Ausbildung war Sorge aller, »alle waren aller Brüder«. Die Spartaner, die unter allen Völkern der klassischen Antike am starrsten die ältesten Erinnerungen in ihrer Verfassung und Gesetzgebung festgehalten haben, liefern uns auch hierfür ein

1) BASTIAN, Allgemeine Grundzüge der Ethnologie, S. 4c, 41; derselbe, zur naturwissenschaftlichen Behandlungsweise der Psychologie S. 215; vergl. auch KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3, S. 368, Bd. 6, S. 408, 409 und in seinem Markenrecht, S. 10, 491, ferner BACHOFEN, Antiquarische Briefe, S. 60 ff.; W. ELLIS, Polynesian Researches, London 1830, Bd. 1, S. 343; B. v. WERNER, Ein deutsches Kriegsschiff in d. Südsee, Leipzig 1889, S. 346 Anm. 2) BERNHÖFT, in Zeitschrift, Bd. 8, S. 386.

merkwürdiges Beispiel. Aus uralter Hordenzeit hielten sie die gemeinschaftliche Kindererziehung von Staatswegen bis in späte Zeiten bei, und der für die konservativen spartanischen Sitten begeisterte PLATO empfiehlt auch dies zur Wiederbegründung eines gesunden Staatswesens. Eine solche Art der Erziehung ist auf sehr alten Kulturstufen naturgemäss gegeben; über ihre Vorzüge denkt man nicht nach, und ihre Mängel muss man hinnehmen. Diese wurzeln in dem, was sich von jenen Urstufen nicht trennen lässt, aber einen modernen Menschen zur Verzweiflung treiben würde: dem Mangel an Individualität. Und dies zeigte sich folgerichtig auch in Sparta: der reichen Fülle eigen gearteter Menschen, die sich in Athen voll auslebten und die höchsten Blüten ihres Geistes entwickeln durften, steht Sparta in gleichmässiger, fast unterschiedsloser Geschlossenheit gegenüber dort eine in reicher Mannigfaltigkeit strahlende Säulenhalle, hier ein ernstes, kompaktes Mauerwerk. Eine strenge Zuchtschule, aber kein Samenfeld für Geister!

Aus demselben Gedankenkreis entspringt die strenge Gehorsamspflicht des Kindes, denn, ist es nur ein Teil der Eltern, ihr >> Fleisch und Blut«, so ist es selbstverständlich, dass es sich ihrem Willen fügen muss, wie ein Glied ihres Leibes. Die klassische Stätte der unbedingten Untertänigkeit der Kinder ist China, wo durch die absolute Herrschaft, die von den Eltern über das Kind ausgeübt wird, alle Selbständigkeit und jeder eigene Wille des Kindes bis zur Aufgabe seiner Individualität verleugnet wird. PLATH, der berufene Kenner chinesischer Zustände, sagt hierüber: »Als Siuen-kung von Wei (seit 718 v. Chr.), durch seine zweite Frau verleitet, Räuber dingt, um den Erbprinzen Khi zu überfallen und zu ermorden, will dieser, durch seinen Halbbruder gewarnt, sich nicht einmal dem Tode entziehen, sondern gibt, nachdem die Räuber den Halbbruder, der statt seiner sich an den bestimmten Platz hinbegibt, ermordet hatten, sich ihnen noch freiwillig preis. »Zuwiderhandeln dem Befehle des Vaters, und dadurch sein Leben zu

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