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Hier scheint sie an alte Hausgenossenschaften anzuknüpfen, da zwischen den Blutsbrüdern Weiber- und Kindergemeinschaft begründet wurde '), was einen gemeinschaftlichen Hausstand voraussetzt. Hier sehen wir auch zum ersten Mal, dass die Kirche diese Rechtseinrichtung in ihren Schutz nimmt; denn die Blutsbrüderschaft wurde kirchlich eingesegnet und bildete nach der Volksüberzeugung ein Ehehindernis 2), wenn die Kirche dies auch früh zurückwies. Und hier auf griechischem Boden hat die alte Blutsbrüderschaft die Zeiten überdauert. Denn auch in Neugriechenland bildete sie in den Freiheitskämpfen gegen die türkische Herrschaft ein wirksames Band für das Freischärlertum3). Beide, die sich verbrüderten, erschienen vor dem Altar, wechselten die Waffen und sprachen zu gleicher Zeit die Worte: »Dein Leben ist mein Leben und deine Seele ist meine Seele«). Auch heute noch soll in Griechenland die Blutsbrüderschaft in der Weise kirchlich geschlossen werden, dass ein zehnjähriges Mädchen zugezogen, eine Schärpe um alle drei Personen geschlungen wird und die Blutsbrüder sich dann auf das Evangelium ewige Treue schwören 5).

schaffen könnte. Und dies, obgleich die Kaiser Justinianus, Constans, Michael und Basilius Adoptivbrüder hatten. Vergl. auch c. 7 C. 6, 24.

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1) Dies ergibt sich aus dem syrisch-römischen Rechtsbuch, § 126 des armenischen Textes; >Wenn jemand eine Schrift der Verbrüderung mit mit einem andern zu schreiben wünscht, damit sie geeint werden und alles, was sie haben und was ihnen zukommt, gemeinsam besitzen und erben, so verbietet dies das Gesetz und hebt es auf als ungültig, denn ihre Weiber und Kinder können nicht gemeinsam sein« (bei BRUNs-Sachau, S. 144; vergl. auch die Erläuterung von BRUNS ebenda, S. 254 ff). Denn gerade, weil der Gesetzgeber eine derartige Verbrüderung ausdrücklich verbietet, muss sie im Leben häufig vorgekommen sein.

2) ZACHARIÄ a. a. O., S. 97.

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3) GEIB, Darstellung des Rechtszustands in Griechenland, S. 38; MAURER, das griechische Volk, Bd. 2, S. 437.

4) MAURER, a. a. O., S. 437.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 438, 439.

Und bis in die neueste Zeit lässt sich die Blutsbrüderschaft bei dem kriegerischen Volk der schwarzen Berge, in Montenegro nachweisen. Auch hier ist der Hauptzweck, im Hinblick auf die früher unablässigen Fehden des Gebirgsvolks, die Blutrache. Der feierliche Abschluss erfolgt vor dem Altar in Gegenwart des Priesters; die Blutsbrüder trinken hierbei dreimal aus dem Kelche Wein und essen dreimal von dem Brote, worauf sie sich dreimal küssen und sodann als einander bis zum Tode verbunden gelten 1). Ja, bei diesem seltsamen Bergvolk kommen sogar Blutschwesterschaften vor, indem sich eine Frau mit einer Blutsschwester oder mit einem Blutsbruder in gleicher Weise verschwistert 2). Dies würde unerklärlich sein, wenn nicht später zu erörtern wäre, eine wie wichtige und treibende Rolle gerade die Frauen in jenem Gebirgslande bei der Blutrache spielen, wie sie nicht ruhen und immerzu hetzen, bis die Tat geschehen und das Blut des Mörders geflossen ist. So mögen die antiken Hellenen sich ihre Erynnien gedacht haben.

Ähnlich wie in Montenegro und aus gleichen Gründen hat sich die Blutsbrüderschaft in Albanien entwickelt. Hier geschieht die Verbrüderung nach gehörter Messe, also auch unter der Weihe der Kirche; beide lassen aus einer Wunde in ein Gefäss Blut tropfen und trinken es, wodurch sie sich verpflichten, den Blutsfreund zu verteidigen und so zu lieben wie sich selbst3).

1) POPOVIC, Recht und Gericht in Montenegro, S. 45.

2) POPOVIC a. a. O. F. KANITZ in seinem Werke über Serbien, Leipzig 1868, S. 529 berichtet dies von den Südslaven ganz allgemein. Wo sich ein Mann eine Blutsschwester erwählt, gilt es als ärgster Frevel, wenn er das Verhältnis in unreiner Absicht missbrauchen will;

so trifft in einem serbischen Volkslied ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel solchen Bösewicht: Doch, o sieh! Gleich fuhr ein Blitz vom Himmel, zu Boden PETER den Bulgaren.

-

schlug

Arg entrüstet aber rief die Jungfrau:

Jeden Helden möge Gott so strafen,

ist Schwester!

der da küsst, die ihm in Gott

3) GOPCEVIC, Oberalbanien und seine Liga, S. 302 und in PETERMANN'S Mitteilungen, Bd. 26, S. 418.

Ebenso verbrüdert sich in Serbien, wer keinen leiblichen Bruder hat und sich einen Rächer über den Tod hinaus verbürgen will, »mit einem Andern im Namen Gottes und des heiligen Johannes zu wechselseitiger Treue und Hilfe für das ganze Leben«. Es geschieht dies gewöhnlich am heiligen Osterfest, und in manchen Gegenden setzt man zu der Ceremonie sich Weidenkränze auf den Kopf und lässt oft dem Bunde durch priesterlichen Segen die höchste Weihe erteilen. Die serbischen Nationallieder verklären solche Brüderschaften und berichten Züge von Aufopferung und Treue bis in den Tod, die an die Antike gemahnen. Verletzung der Treupflicht ist äussert selten und gilt als schwere Sünde 1).

Und auch hei der Blutsbrüderschaft machen wir dieselbe eigentümliche Erfahrung, wie bei den andern Formen der künstlichen Verwandtschaft; sie sind sämtlich über den ganzen Erdball verbreitet. Nicht ein oder das andre Volk ist darauf verfallen, sondern es ist, als ob ein bestimmtes Bedürfnis überall vorlag und die Menschheit überall zu denselben Behelfen griff. Ich kenne nichts, das nachdenklicher stimmen könnte, als dieses überraschende Ergebnis der neueren Forschungen. Wie kommt es, dass der Mensch überall von denselben Beweggründen getrieben wurde? und dass er überall dieselbe Antwort auf dieselbe Frage fand? Wozu wurde diese hohe Vernunft gegeben, die uns die einfachen Grundmaschen dieses verschlungenen Gewebes zeigt, wenn uns nicht auch die Möglichkeit gegeben wurde, die Hand zu sehen, die das Weberschiffchen lenkt? Wenn NEWTON an seinem Lebensabend sagen konnte, er habe nur Muscheln am Ufer des Meeres der Wahrheit gesammelt welche Hoffnung bleibt uns? Immerhin gehört es zu den wunderbarsten Funden des Menschengeistes, dass wir überall Spuren des nämlichen Weges entdecken, den die Menschheit unter allen Zonen und Breiten gegangen ist. So finden wir die Blutsbrüderschaft nicht nur in

WESNITSCH in Zeitschrift, Bd. 9, S. 49; F. KANITZ, Serbien, S. 529; L. VON RANKE, Serbien und die Türkei im 19. Jahrhundert, S. 35.

Europa, sondern auch in Afrika unter den nämlichen Formen und zu dem nämlichen Zweck auftreten. So wird auf der Insel Madagaskar Blutsverbrüderung zu gegenseitiger Hilfeleistung und gegenseitiger Rache eingegangen. Sie wird dadurch geschlossen, dass beide sich ritzen, ihr Blut in einem Gefäss vermischen und, nachdem es mit einem Speer umgerührt und auf diese Weise in einander geflossen ist, trinken; dabei werden schwere Verwünschungen auf das Haupt dessen gesprochen, der das Bündnis brechen würde 1). Genau dieselbe Rechtseinrichtung, genau derselbe schauerliche und feierliche Abschluss, wie in Europa; und doch hat sicher keiner vom anderen gelernt; nur der Lehrer, das Bedürfnis, ist derselbe gewesen. Ganz das nämliche finden wir bei den ostafrikanischen Bantu-Negern 2). Wir hören dasselbe von den Wazaramo (clas Blut wird auf Fleisch geträufelt und das Fleisch gegessen)"), von den Wakamba1), von den Wadschidschi und

1) SIBREE, Madagascar, S. 223 ff.; VINSON, Voyage à Madagascar, S. 281 ff., 539: C'est une parenté de convention plus sûre souvent que la parenté naturelle. VINSON erwähnt, dass der Abschluss auch zwischen einem Mann und einer Frau vorkommen kann also auch hier wie in Serbien. Eigentümlich ist, dass nach der feierlichen Verbrüderung zwei Ochsen geschlachtet uud von den Blutsbrüdern und ihren beiderseitigen Genossen verzehrt werden. Wenn VINSON hierzu sagt: Le boeuf, seule richesse du pays, indique l'union des biens, so erinnert dies lebhaft an die alten Eheschliessungsformen, bei denen das gemeinsame Mahl der beiden jungen Eheleute und ihrer Familien eine bedeutsame Rolle spielt (oben Band 1, S. 209). Derselbe Grundstock von Ideen, mit denen die Menschheit in den verschiedensten Lebensverhältnissen und in den verschiedensten Zonen auskommt! Unser modernes Hochzeitsmahl und der Ochsenschmaus der madagassischen Blutsbrüder beruht auf einem und demselben Gedanken, auf diese Weise, durch Essen von einer Speise, die enge Verbindung zum sichtbaren Ausdruck zu bringen.

2) Zeitschrift, Bd. 15, S. 40, 41; auch beim Mischlingsvolk der Suaheli, Zeitschrift, Bd. 16, S. 240.

3) ANDREE, Forschungsreisen in Arabien und Ostafrika, Bd. 2, S. 94 ff. HARTMANN, Abyssinien, S. 254, 255.

4) HARTMANN a. a. O., S. 233.

Wanyamwesi1), von den Ubudschwa2).

indischen Archipel.

Auch auf Timor

durch Bluttrinken begründet und führt

Dasselbe im ost

wird Brüderschaft

hier Vermögens.

und Frauengemeinschaft nach sich3). Bei dem Malaienstamm der Dajaks wird die Adoption durch Blutvermischung vollzogen). Dies wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf den nahen inneren Zusammenhang, in welchem die einzelnen Institute der künstlichen Verwandtschaft mit einander stehen. Alle sind sie Aufnahme eines Fremden in Stamm oder Hausgenossenschaft oder Einzelfamilie; so kann man von diesem Gesichtspunkt aus auch sehr wohl dahin kommen, die Eheschliessung bei der Exogamie als Aufnahme der Frau in diese ihr fremde Gemeinschaft, also als Begründung einer Art von künstlicher Verwandtschaft, aufzufassen. Hieraus erklärt sich wohl die Hochzeitsceremonie bei einzelnen Bergvölkern von Neu-Guinea: »die Verlobten bringen sich gegenseitig an der Stirne eine kleine Wunde bei, so, dass das Blut fliesst, und dies tun auch die übrigen Glieder der beiderseitigen Familien. einander zum Zeichen der engsten Verbrüderung 5). < Auch dies mag uns ein Zeichen sein, was für eine Bedeutung in ältester Zeit das Connubium hat; die Stämme und Völker, die sich gegenseitig die Eheschliessung einräumten, galten dadurch wie eine grosse endogame Familie, nach Art von Blutsbrüdern

1) ANDREE a. a. O.; KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 435. 2) CAMERON, Quer durch Afrika, Leipzig 1877, Bd. 1, S. 287. Er macht hierzu folgende auffällige Bemerkung: Die Sitte des Brüderschaftschliessens ist vermutlich semitischen Ursprungs und schon vor Mohammeds Zeiten von den heidnischen Arabern eingeführt worden, welche nach Afrika Handel trieben. Diese Vermutung wird noch durch die Tatsache bestätigt, dass, als die ersten Händler aus Zanzibar über den Tanganyika kamen, westwärts vom See die Zeremonie noch unbekannt war.<<

3) Zeitschrift, Bd. 6, S. 346.

4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 421, 422.

5) FINSCH, Neu Guinea und seine Bewohner, S. 86.

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