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anhäufungen, das Extrem in das Entgegengesetzte bis auf das alleräusserste steigernd, so weit überholt haben. Wie wir, denkt der Wilde aber nicht. Er geniesst, was der Augenblick bringt, und teilt den Genuss nicht nur mit denen, die ihm lieb und teuer sind, sondern mit jedem, der des Weges daherkommt. Reich an Beispielen dieser Art sind die Berichte, die wir von den Indianern Nord- nnd Südamerikas haben. Ernteund Weinfeste tragen einen geradezu kommunistischen Charakter; was da ist, wird sofort vertan; der Vorrat des einzelnen wird von der Gesamtheit, die von Haus zu Haus zusammenkommt, in Schmauserei und wüstem Gelage verprasst1). An die Zeiten eines Mangels wird im Überfluss nicht gedacht. Gastfreundschaft und Mildtätigkeit galten dem nordamerikanischen Indianer als höchste Mannestugend. Stets hing der Kessel über dem Feuer, und, wer auch die Hütte betrat, war willkommen, erhielt Speise vorgesetzt und griff zu, ohne befragt zu sein und bevor er den Zweck seines Kommens erklären konnte 2) Ebenso war es alte Indianersitte, dass bei recht ergiebiger Jagdbeute alle Verwandten oder die Alten des Dorfs oder gar alle Dorfgenossen eingeladen und mit den besten

1) CATLIN, Illustrations etc. of the North-American Indians, Bd. 1, S. 188 ff., welcher das grüne Korn-Fest anschaulich schildert, bei dem die Felder unwirtschaftlich bereits zu der Zeit, wann das Korn noch grün ist, geplündert werden, sodass nur wenige Ähren im Herbst reifen können. Ähnlich das Fest zur Zeit der Reife der Brotfrucht, wie es im alten Tahiti gefeiert wurde (W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 1, S. 356), und wie es uns noch jetzt von den Samoainseln berichtet wird (B. v. WERNER, Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee, S. 254). DARGUN in Zeitschrift, Bd. 5, S. 15 ff., 32 ff. Möglich, dass die Saturnalien der Römer diese verschollenen Vorstellungen einer Urzeit zum Ausgangspunkt hatten.

2) LAFITEAU, Moeurs des sauvages Amériquains, Paris 1724, Bd. 2, S. 88: Quiconque entre chez eux est bien reçu. A peine celui qui arrive, ou qui rend visite est-il entré, qu'on met à manger devant lui, sans rien dire: et lui-même mange sans façon, avant d'ouvrir la bouche pour déclarer le sujet, qui l'amène.

Fleischstücken bewirtet wurden 1). Bei diesem allgemeinen Zugreifen konnte es nicht ausbleiben, dass der Vorrat rasch zu Ende ging und zu Zeiten bedenkliche Ebbe der Lebensmittel, ja Elend und Hungersnot eintraten. In solchen Zeiten staunten die Missionäre nicht wenig die standhafte Ruhe des Indianers an, der die Entbehrungen schweigend ertrug und selbst den Hunger bezwang, während er den letzten Bissen den Kindern gab. Es war dann eine antike Grösse in diesen Männern, während sie vorher im Überfluss wie die Kinder gehandelt hatten). Begegneten sich in so schlimmer Zeit zwei Indianerfamilien, so war es selbstverständlich, dass sie das Wenige, was sie hatten, mit einander teilten und dies geschah ohne Zögern, ohne auch nur eine Bitte abzuwarten, und auch, wenn sich der Austeilende dadurch selbst der Gefahr eines nahen Hungertodes aussetzte. Dies gehört zu den wirklich erhabenen Zügen im Charakter der Indianer, die sie zu den Lieblingen unserer Jungenwelt, die selbst noch ursprünglicher als wir am Ursprünglichen Freude hat, gemacht haben, und der alte Jesuiten

1) CHARLEVOIX, histoire de la Nouvelle France, Paris 1744, Bd. 5, S. 171. Der Jesuitenpater fügt übrigens hinzu, er bekenne, dass die Stämme, die in grösserem Verkehr mit den Europäern ständen, ont déjà un peu perdu de cette antique générosité et de cet admirable désinteréssement. Rien n'est plus contagieux, que l'esprit d'intérêt et rien n'est plus capable d'altérer les moeurs. «

2) SCHOOLCRAFT, History, Condition and Prospect of the Indian tribes, Philadelphia 1851, Bd. 2, S. 65: When there is absolutely nothing and the severities of the season have, for a time, cut off every resource, there is a dignified endurance in the Indians mind that rises above complaint. There is no one to blame, in his belief, unless it be the Great Spirit, and he his far from imputing blame to Him. He has exerted his art, but without success. The next day may bring him relief, and he consoles himself in this hope. The children are sometimes put to sleep by telling them tales to stop their crying for hunger. If there be but a morsel in the wigwam, it is given to them and the father of the lodge showes the strength of his affection and the quality of his endurance by rigid absti nence from food and by uncomplaining silence.

pater LAFITEAU fügt nicht mit Unrecht hinzu: En Europe nous trouverions peu de disposition, dans des cas pareils, à une liberalité si noble et si magnifique 1). Ja, ein bedächtiger Hausvater der Hochkultur würde sicher nicht so aufopfernd handeln.

Dies alles aber ist nicht etwa eine Eigentümlichkeit der Rothäute gewesen. Die offene Hand gehört offenbar zu dem Gesamtbild des urzeitlichen Kommunismus, dem der Spartrieb des einzelnen fehlt; ganz Ähnliches wird uns z. B. noch heutigen Tags von den Hottentotten berichtet. Auch bei ihnen muss der reiche Mann es ruhig gestatten, dass von seiner Herde der Hungernde ein Stück Vieh schlachtet; nur zum Verkauf darf nichts fortgenommen werden. Und, hat jemand zu essen, sei es ein Stück Brot oder ein Stück Fleisch, so ist er nach alter Sitte mit jedermann, der ihn darum angeht, zu teilen verpflichtet). Diese weitgetriebene Gastlichkeit ist das allgemeine Kennzeichen einer frühen Kulturstufe. So wird uns aus allen Weltgegenden bezeugt, nicht nur von Nord- und Südamerika, von brasilianischen Stämmen und Eskimos, auch aus Polynesien und Neu-Guinea3), wo dem Knaben, der zum Jüngling heranreift, eingeprägt wird: Hebe deine Augen auf, dass du deine Gäste kommen siehst< 4). Und dasselbe war der

1) LAFITEAU a. a. O., Bd. 2, S. 90.

2) VON BURGSDORFF in Zeitschrift, Bd. 15, S. 349.

3) Vergl. die Beläge in Zeitschrift, Bd. 12, S. 332, 335, Bd. 14, S. 440, bei DARGUN ebenda, Bd. 5, S. 15. Wegen der Südsee-Insulaner W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 2, S. 22 ff. Bei den Beduinen ist es ein schweres Schimpfwort: »Du behandelst deine Gäste schlecht« (BUrckhardt, S. 100 Anm.*). Ebenso sagt der Missionar MACDONALD (Africana, Bd. I, S. 27), von Centralafrika: Jemand kann ferne und weite Reisen unternehmen und sich dabei auf die Gastlichkeit der Eingeborenen verlassen. Wenn wir in einem Dorf zu der Zeit anlangen, in der die Eingeborenen ihre Mahlzeit einnehmen, werden wir eingeladen, daran teilzunehmen.<< 4) Zeitschrift, Bd. 14, S. 368.

Ruhm unserer Altvordern. Anschaulich berichtet TACITUS 1), dass bei keinem Volk mehr auf Gelage der Nachbarn und Gastfreundschaft gegen Fremde gegeben würde. Jemanden, und wer es auch wäre, nicht gastlich aufzunehmen, gelte als Frevel; die Bewirtung erfolge nach Vermögen mit einem hergerichteten Schmause. Wäre alles vertan, wandere Gast und Wirt zum Nachbar weiter, betrete dessen Haus uneingeladen und würde doch mit gleicher Herzlichkeit aufgenommen. Der Wirt unterscheide auch nicht, ob er den Gast kenne oder nicht. Was dieser fordere, werde ihm nach alter Sitte beim Weggang gewährt; und ebenso wenig Umstände mache der Wirt im Fordern, d. h. für das Gastgeschenk wird ein Gegengeschenk erwartet, welchen Brauch wir sofort in universaler Verbreitung finden werden. Soweit TACITUS. Dasselbe Bild begegnet uns aber bei den Germanen und Skandinaviern ganz allgemein bis in das späte Mittelalter hinein. Sitte und auch Gesetz geboten, dem durchreisenden Fremden Gastfreundschaft zu gewähren. Der Gast galt als heilig und der Wirt war verpflichtet, ihn zu schützen, und wenn er ihm auch seinen Bruder erschlagen hätte 2). Man denke hierbei an die anziehenden Bilder, die Wolfram von Eschenbach von der auf den Ritterburgen geübten Gastlichkeit gibt!

Noch bis in späte Zeiten hielt man an dieser gastlichen Aufnahme bei den Kymren in Wales fest. Hier »stand jedes Haus dem Wanderer offen. Auf beiderseitige freundliche Begrüssung folgte herzlicher Empfang, rasche Bewirtung und heiteres Gespräch .. (Zunächst) geschah die Darreichung von Wassser, um die Füsse zu waschen, die Bewillkommnung durch die Familienhäupter und die Einladung zum Sitz am Herde. . . drei Tage lang 3) wurde der Gast unverbrüchlich

1) Germania C. 21.

2) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 399, 400; CÄSAR, bellum gallicum 6. 23 am Ende.

3) Ebenso sagt GRIMM (a. a O., S. 400): es war Sitte, nicht über drei Tage zu verweilen«.

geschützt; so lange galt es auch als unbescheiden nach Namen und Herkunft zu fragen, wenn er sie nicht freiwillig angab. Für Erheiterung wurde durch Unterhaltung, Gesang und Harfenspiel gesorgt... Zur Weiterreise erhielt er Speise und Trank, das Geleite auf den sicheren Weg und höflichen Abschiedsgrusse 1).

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Wie wir sahen, berichtet schon TACITUS von Geschenk und Gegengeschenk 2), das Wirt und Gast sich gewährten. Wir finden dies aber nicht nur bei den alten Germanen, sondern ganz ebenso heutzutage in Polynesien und überhaupt vielfach da, wo die Bevölkerung noch auf niederer Kulturstufe steht 3). Eins sei aber hervorgehoben! Schon die germanischen Stämme, die uns bei TACITUS begegnen, befinden sich keineswegs auf unterster Stufe; wir haben es hier offenbar schon mit einem Volke zu tun, das bedeutende Fortschritte gemacht hat und an der Schwelle einer grossen weiteren Entwicklung steht. Aber bei ihnen hat die Gastfreundschaft, die offene Hand und der ewig über dem Feuer hängende Kessel, die Urzeit überlebt und sich viel länger, als die alte Bedürfnislosigkeit erhalten. Und so ist es durchweg. Der Mensch hat, auch wenn er mein und dein längst kannte, noch lange nicht die ausgedehnte Gastfreiheit vergessen und bis ganz zuletzt als ihren letzten Ausläufer noch die Gabe des Wirts und die Gegengabe des Gastes bewahrt. Uns allen sind aus HOMER die Gaben erinnerlich, die die Helden mit rühmenden Reden austauschen, und viel, viel weiter bis in eine sehr hohe Kultur

1) WALTER, das alte Wales, S. 319, 320.

2) Diese Gegengabe hat sich als s. g. Launegild noch lange in Deutschland erhalten. Vergl. insbesondere VAL DE LIÉVRE, Launegild und Wadia 1877 und derselbe, Revision der Launegildstheorie in der Zeitschrift der SAVIGNY-Stiftung, germanistische Abteilung, Bd. 4, S. 15 ff.

3) Zeitschrift, Bd. 14, S. 440 (Polynesien), Bd. 15, S. 46, (Bantuvölker Ostafrikas) und ebenda, S. 352, (Hottentotten); KRAUSE, Tlinkitindianer, S. 168.

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