131. Wie sehn' ich mich, Natur, nach dir, Wirst alle meine Kräfte mir Zur Ewigkeit erweitern! Künstlers Abendlied, 1775 (?); vgl. d. Brief an Merd v. 5. Dec. 1774. H. 2, 189. 132. Ich fühl einen Drang, Bruder, dir zu schreiben schwebend im herrlich unendlichen Ocean unseres Vaters, des Unbegreiflichen, aber des Berührlichen. O Bruder, nennbare, aber unendliche Gefühle durchwühlen mich. An F. L. v. Stolberg, den 26. Okt. 1775 (?), Ausg. der Großh. Nr. 363. 133. Wie alles sich zum Ganzen webt, In Lebensfluthen, im Thatensturm Webe hin und her, Ein ewiges Meer, Ein wechselnd Weben, Ein glühend Leben, So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid. 134. Faust I. 1. H. 12. 20 u. 22. Die Natur wirkt nach ewigen, nothwendigen, dergestalt göttlichen Gesezen, daß die Gottheit selbst daran nichts ändern könnte. Alle Menschen sind hierin unbewußt vollkommen einig. Man bedenke, wie eine Naturerscheinung, die auf Verstand, Vernunft, ja nur auf Willkür deutet, uns Erstaunen, ja Entsehen bringt. Dichtg. u. Wahrh. XVI (1775). H. 23, S. 135. Sie (die Natur) lebt in lauter Kindern und die Mutter wo ist sie? Sie spielt ein Schauspiel; ob sie es selbst sieht, wissen wir nicht und doch spielt sie's für uns, die wir in der Ecke stehen. Sie sprigt ihre Geschöpfe aus dem Nichts hervor und sagt ihnen nicht, woher sie kommen und wohin sie gehen. Sie sollen nur laufen; die Bahn kennt sie. Jedem erscheint sie in einer eignen Gestalt. Sie verbirgt sich in tausend Namen und Termen und ist immer dieselbe. Sie hat mich hereingestellt, sie wird mich auch hinausführen. Ich vertraue mich ihr, sie mag mit mir schalten. Sie wird ihr Werk nicht hassen. Ich sprech nicht von ihr; nein, was wahr und was falsch ist, alles hat sie gesprochen. Alles ist ihre Schuld, alles ist ihr Verdienst. Die Natur, Aphoristisch, 1780-82. H. 34, 73. 136. Die Uebereinstimmung des Ganzen macht ein jedes Geschöpf zu dem, was es ist . Und so ist wieder jede Kreatur nur ein Ton, eine Schattirung einer großen Harmonie, die man auch im großen Ganzen studieren muß; sonst ist jedes Einzelne ein todter Buchstabe. Aus diesem Gesichtspunkte ist diese kleine Schrift (über das os intermaxillare) geschrieben, und das ist eigentlich das Interesse, was darin verborgen liegt. 137. An Knebel, Mitte Nov. 1784. Wie es vor alten Zeiten, da die Menschen an der Erde lagen, eine Wohlthat war, ihnen auf den Himmel zu deuten und sie auf's Geistige aufmerksam zu machen, so ist's jezt eine größere, sie nach der Erde zurückzuführen, um die Elasticität ihrer angefesselten Ballons etwas zu vermindern. Ebendas. 138. Vergieb mir, daß ich so gerne schweige, wenn von einem göttlichen Wesen die Rede ist, das ich nur aus den rebus singularibus erfenne, zu deren näherer Betrachtung niemand mehr aufmuntern kann als Spinoza selbst, obgleich vor seinem Blicke alle einzelnen Dinge zu verschwinden scheinen. 139. An Jacobi, den 12. Jan. 1785. Er (Spinoza) beweist nicht das Dasein Gottes, das Dasein ist Gott. Und wenn ihn andere deshalb atheum schelten, so möchte ich ihn theissimum und christianissimum Hier bin ich auf und unter Bergen nennen und preisen . und suche das Göttliche auf in herbis et lapidibus. 140. An Jacobi, den 9. Juni 1785. Du weißt, daß ich über die Sache selbst nicht Deiner Meinung bin, daß mir Spinozismus und Atheismus zweierlei ist. 141. An dens., den 21. Okt. 1785. Ich halte mich fest und fester an die Gottesverehrung des Atheisten (Spinoza) und überlasse Euch alles, was Ihr Religion heißt und heißen müßt. Wenn Du sagst, man könne an Gott nur glauben, so sage ich Dir: ich halte viel auf's Schauen. Und wenn Spinoza von der scientia intuitiva spricht und sagt: hoc cognoscendi genus procedit ab adaequata idea. essentiae formalis quorundam Dei attributorum ad adaequatam cognitionem essentiae rerum', so geben mir diese wenigen. Worte Muth, mein ganzes Leben der Betrachtung der Dinge zu widmen, die ich erreichen kann. 142. An dens., den 5. Mai 1786. Dich hat Gott mit der Metaphysik gestraft und Dir einen Pfahl in's Fleisch gesezt, mich dagegen mit der Physik gesegnet, damit mir es im Anschauen seiner Werke wohl werde. 143. An dens., ebendas. Es ist viel Tradition bei den Kunstwerken, die Naturwerke sind immer wie ein frisch ausgesprochenes Wort Gottes. An Herzogin Amalie, den 23. Dec. 1786. 144. Diese hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach wahren und natürlichen Gesezen hervorgebracht worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen. Da ist die Nothwendigkeit, da ist Gott. Ital. Reise, den 6. Sept. 1787. H. 24, 396. 145. Erhabner Geist, du gabst, du gabst mir alles, Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht Wie in den Busen eines Freunds zu schau'n. Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder Und Nachbarstämme quetschend niederstreift Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch Faust I (Wald und Höhle), 1788? H. 12, 104. 146. Es ist mir sehr Ernst in allem, was die großen ewigen Verhältnisse der Natur betrifft, und meine Freunde sollten über die Art, wie ich meine Erkenntnisse manchmal mittheile, einigermaßen nachsichtig werden. 147. An Knebel, den 28. Jan. 1789. Ich war völlig überzeugt, ein allgemeiner, durch Meta= morphose sich erhebender Typus gehe durch die sämmtlichen organischen Geschöpfe hindurch, lasse sich in allen seinen Theilen auf gewissen mittleren Stufen gar wohl beobachten und müsse auch da noch anerkannt werden, wo er sich auf der höchsten Stufe der Menschheit in's Verborgene bescheiden zurückzieht. Tages- und Jahreshefte von 1780, Abs. 24. H. 27, 11. 148. Der Hylozoismus dem ich anhing und dessen tiefen Grund ich in seiner Würde und Heiligkeit unberührt ließ, machte mich unempfänglich, ja unleidsam gegen jene Denkweise, die eine todte, auf welche Art es auch sei, auf und angeregte Materie als Glaubensbekenntniß aufstellte. Ich hatte mir aus Kant's Naturwissenschaft nicht entgehen lassen, daß Anziehungs- und Zurückstoßungskraft zum Wesen der Materie gehören und keine von der anderen im Begriff der Materie getrennt werden könne. Daraus ging mir die Urpolarität aller Wesen hervor, welche die unendliche Mannichfaltigkeit der Erscheinungen durchdringt und belebt. Campagne in Frankreich, Nov. 1792. H. 25, 132. 149. So ist auch jedes Geschöpf Zweck seiner selbst und, weil alle seine Theile in Wechselwirkung stehen, ein Verhältniß gegen einander haben und dadurch den Kreis des Lebens immer erneuern, als physiologisch vollkommen anzusehen. Erster Entwurf einer allg. Einleit. in die Anatomie, IV, 1795. H. 33, 195. 150. Welche Verehrung verdient der Weltenschöpfer, der gnädig, Als er den Korkbaum schuf, gleich auch die Stöpsel erfand! 151. Xenie (1796). H. 3, 239. Alle Gestalten sind ähnlich und keine gleichet der andern. Ueberall siehst du sie dann, auch im veränderten Zug, Kriechend zaudre die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig, Bildsam ändre der Mensch selbst die bestimmte Gestalt. Metamorph. der Thiere, 1798. H. 2, 230. 152. Geheimnißvoll am lichten Tag Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben, Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. Faust I. 1. H. 12, 26. |