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der Unglückliche nur zum Spektakel dienen soll. Er soll sich in der grausamsten Lage körperlicher und geistiger Bedrängniß noch edel geberden, um ihren Beifall zu erhalten und, damit sie ihn beim Verscheiden noch applaudiren, wie ein Gladiator mit Anstand vor ihren Augen umkommen.

Wahlverwandtschaften I, 18. (1809.) H. 15, 125.

419.

Ich kann nicht sagen, daß sie (die Einsamkeit in Jena) mir diesmal sehr erfreulich ist. Denn ungeachtet des schönen Wetters und der grünenden Flächen und Hügel, der blühenden Gärten und mancher anderen guten Ingredienzien des Lebens ist doch alles, was mich in Jena umgiebt, so trümmerhaft gegen frühere Zeiten, und ehe man sich's versieht, stolpert man einmal wieder über einen Erdhöcker, wo, wie man zu sagen pflegt, der Spielmann oder der Hund begraben liegt.

An Frau v. Stein, den 6. Juni 1809.

420.

Wir haben diese Zeit her ganz eigentlich gemühet, ge= trieben das, was gethan sein mußte, und weiter keine Freude daran gehabt, als daß es gethan war. So gingen die schönen und mitunter sehr schönen Tage hin ohne innere Belohnung und ohne Hoffnung einer äußeren.

An Charlotte v. Schiller, den 27. April 1810.

421.

Unser ganzes Kunststück besteht darin, daß wir unsere Existenz aufgeben, um zu existiren (Matth. X. 39).

Spr. in Prosa II, 261 (nach Riemer v. 24. Mai 1811). H. 19, 61.

422.

Wir können uns jezt alle als Strandbewohner ansehen und täglich erwarten, daß einer vor unserer Hüttenthür, wo nicht mit seiner Existenz, doch mit seinen Hoffnungen scheitert.

Wenn wir aber auf uns selbst zurückkehren und Sie in einem so ungeheuren, unübersehbaren Unglück Bruder und Schwester und ich auch Freunde vermisse, die mir am Herzen liegen, so fühlen wir denn freilich, in welcher Zeit wir leben. und wie hoch ernst wir sein müssen, um nach alter Weise heiter sein zu können.

An Graf Reinhard, den 14. Nov. 1812.

423.

Wenn Sie sich vorstellen, daß wir in 48 Stunden (durch die Franzosen) die ganze Stufenleiter vom Schreckbarsten bis zum Gemeinsten durchgeduldet haben, so werden Sie gewiß Ihres Freundes mit Antheil gedenken.

An Gräfin O'Donnell, den 13. Nov. 1813.

424.

Und ich bedent' es alle Tage,
Wie unterstünde sich die Lust,
Uns zu versüßen Qual der Plage,
Wär' sich nicht Lust der Qual bewußt?

An S. Boisserée, März 1816. H. 3, 163.

425.

Den ganzen Tag im Bette zugebracht. Meine Frau in äußerster Gefahr. Mein Sohn Helfer, Rathgeber und einziger haltbarer Punkt in dieser Verwirrung. -6. Juni Nachts. Ende meiner Frau. Lehter fürchterlicher Kampf ihrer Natur. Leere und Todesstille in und außer mir. Tagebuch, v. 6. Juni 1816.

426.

Du versuchst, o Sonne, vergebens
Durch die düstern Wolken zu scheinen.
Der ganze Gewinn meines Lebens
Ist ihren Verlust zu beweinen.

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Gatte der Gattin, den 6. Juni 1816. H. 2, 429.

427.

Läugnen will ich nicht (und warum sollte man groß thun?), daß mein Zustand an Verzweifelung grenzt.

An S. Boisserée, den 24. Juni 1816. 428.

Der Abschied des ältesten mitwirkenden Freundes (Minister Voigt, den 22. März 1819) muß den Wunsch um Theilnahme des jüngeren auf das Lebhafteste erregen, um die Augenblicke des Scheidens durch entschlossene neue Lebensthätigkeit erträglich zu machen.

An einen Amtsgenossen, den 24. März 1819 (Strehlke 2, 463).

429.

(G. weist darauf hin), wie er sein Leben aufgeben mußte, um zu sein, wie er den Augenblick aufgeben mußte, um nach

Jahren des Guten zu genießen, und wie er sich durch solche Entsagung gekräftigt habe.

430.

An Schubarth, den 9. Juli 1820.

Soweit wären wir also, daß schon gesorgt ist, jede Art von übermüthigem Selbgefühl werde sich recht hübsch die eigenen Sordinen aufsehen. Das Alter weiß freilich diese dämpfenden Maschinen ohne weiteres gar gemächlich anzubringen.

An Graf Reinhard, den 15. Sept. 1820.

431.

Den Tod der höchstseligen Kaiserin (von Oesterreich, † 17. Apr. 1816) habe ich noch nicht verwunden; es ist eben, als wenn man einen Hauptstern am Himmel vermißte, den man nächtlich wieder zu sehen die erfreuliche Gewohnheit hatte.

An Graf Reinhard, den 5. März 1821.

432.

Lange leben heißt gar vieles überleben, geliebte, gehaßte, gleichgültige Menschen, Königreiche, Hauptstädte, ja Wälder und Bäume, die wir jugendlich gesäet und gepflanzt. Wir überleben uns selbst und erkennen durchaus noch dankbar, wenn uns auch nur einige Gaben des Leibes und Geistes bleiben.

An Anguste geb. Gräfin Stolberg, den 17. Apr. 1823.

433.

Die Aerzte gaben mir, auch selbst in der größten Vertraulichkeit, die beste Hoffnung; aber sorgliche Falten legen sich nach so manchen Unfällen in den Geist, daß man die Fähigkeit verliert, der Hoffnung die schuldige Nahrung zu geben.

434.

An Schulz, den 11. Juni 1823.

Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen. Auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Allein im Grunde ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen und ich kann wohl sagen, daß ich in meinen 75 Jahren keine 4 Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war das ewige Wälzen eines Steins, der immer von neuem gehoben sein wollte.

Gespr. mit Eckermann v. 27. Jan. 1824.

435.

Wer nicht verzweifeln kann, muß nicht leben; nur feige sich ergeben ist mir das Verhaßteste. Ich will nicht hoffen

und fürchten wie ein gemeiner Philister; daher ist das Geschwäh der Aerzte und ihr Trösten mir am allermeisten zuwider. Unterh. mit Kanzler Müller, den 3. Apr. 1824.

436.

Des Menschen Leben scheint ein herrlich Loos;
Der Tag wie lieblich und die Nacht wie groß!
Und wir, gepflanzt in Paradieses Wonne,
Genießen kaum der hocherlauchten Sonne,
Da kämpft sogleich verworrene Bestrebung
Bald mit uns selbst und bald mit der Umgebung.
Kein's wird vom Andern wünschenswerth ergänzt,
Von außen düstert's, wenn es innen glänzt,
Ein glänzend Aeußres deckt mein trüber Blick,
Da steht es nah und man verkennt das Glück.

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437.

An Werther (1824). H. 1, 185.

Der Schauplah meiner fast dreißigjährigen liebevollen Mühe liegt in Trümmern. Gespr. mit Eckermann, den 23. März 1825.

438.

Sie erscheinen mir wie Herkules, der dem Atlas, dem Prometheus zu Hilfe kommt. Wüßten Sie, was ich dieses Jahr gelitten habe, Sie würden solche Bildlichkeiten nicht übertrieben finden.

439.

An S. Boisserée, den 3. Febr. 1826.

Alles, was wir treiben und thun, ist ein Abmüden. Wohl dem, der nicht müde wird!

Spr. in Prosa, Eth. III Nr. 262 (1826). H. 19, 62.

440.

Lange leben heißt viele überleben'. So klingt das leidige Ritornell unseres vaudevilleartig hinschludernden Lebensganges. Es kommt immer wieder an die Reihe, ärgert uns und treibt uns doch wieder zu neuem ernstlichen Streben. Mir erscheint der zunächst mich berührende Personenkreis wie ein Convolut Sibyllinischer Blätter, deren eines nach dem anderen, von Lebensflammen aufgezehrt, in der Luft zerstiebt und dabei den überlebenden von Augenblick zu Augenblick höheren Werth verleiht. Wirken wir fort, bis wir vor oder nach einander, vom Weltgeist berufen, in den Aether zurückkehren.

An Zelter, den 19. März 1827.

441.

Viele Leidende sind vor mir hingegangen; mir aber ward die Pflicht auferlegt, auszudauern und eine Folge von Freude und Schmerz zu ertragen, wovon das Einzelne wohl schon hätte tödtlich sein können.

442.

An Rauch, den 21. Oft. 1827.

Ich hatte gedacht, ich wollte vor ihm (dem Großherzog) hingehen. Aber Gott fügt es, wie er es für gut findet und uns armen Sterblichen bleibt weiter nichts als zu tragen und uns emporzuhalten, so gut und so lange es gehen will.

Gespr. m. Eckermann, den 15. Juni 1828.

443.

Ich kann sagen, daß ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei. Zu dieser Höhe, zu diesem Glücke der Empfindung bin ich später nie wieder gekommen. Ich bin, mit meinem Zustande in Rom verglichen, eigentlich nachher nie wieder froh geworden.

Gespr m. Eckermann, den 9. Oft. 1828.

444.

Es wäre nicht der Mühe werth, 70 Jahre alt zu werden, wenn alle Weisheit der Welt Thorheit wäre vor Gott.

Spr. in Prosa VI Nr. 429 (Wanderjahre III., 1829). H. 19, 92.

445.

Mit den Jahren steigern sich die Prüfungen.

Spr. in Prosa, Eth. VI Nr. 472 (1829). H. 19, 102.

446.

Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück,
Er, unbefriedigt jeden Augenblick.

Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen,
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen. —

Die Nacht scheint tiefer, tief hereinzudringen,
Allein im Innern leuchtet helles Licht.

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