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dass die Vernunft das Letzte in der Welt ist, d. h. dass sie erst am Ende der jeweiligen Entwickelung realisirt wird, und dass man der Unvernunft nicht die Freiheit gewähren darf, die Vernunft im Werden zu ersticken.

Segnen wir darum nach faulem Frieden den offenen ehrlichen Kampf, und wiederholen wir unsern Wunsch, dass derselbe nicht enden möge, ehe nicht die katholische Kirche als unfehlbare vernichtet ist.

Nachschrift (Weihnachten 1875).

Seit der Abfassung dieses Aufsatzes hat der Kampf zwischen Kirche und Staat wichtige Etappen zurückgelegt. Die Höhenpunkte des klerikalen Angriffs bilden das Gefängnissmartyrium zahlreicher Geistlicher und Bischöfe, die Aufregung der Diöcese Gnesen-Posen durch den päpstlichen Geheimdelegaten, der Schuss Kullmann's auf den Reichskanzler, die päpstliche Encyklika zur Aufreizung des preussischen Volkes zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt, und der Versuch, durch Herstellung einer clericalen Majorität im bayrischen Landtage ein reichsfeindliches Ministerium in Bayern einzusetzen. Die Resultate sind negativ: Die Bischöfe und Geistlichen sind des Martyriums müde, die Geheimdelegaten-Wirthschaft ist beseitigt, der Schuss Kullmanns hat die ultramontane Sache moralisch schwer geschädigt, die Encyklika hat auf das Volk keinen Einfluss gehabt, dem König von Preussen aber die letzten Bedenken. gegen energische Maassregeln benommen, und der König von Bayern hält an seinen Verträgen und seiner reichstreuen Politik fest. Der ultramontane Sturm auf der ganzen Linie ist vorläufig abgeschlagen, und die Position des Staates gegen künftige Angriffe durch gewaltige neue Bollwerke befestigt, welche als gesetzliche Institutionen dem Einfluss eines Gesinnungswechsels in höheren Regionen in der Hauptsache entrtickt sind. Die staatlichen Functionen der Führung der Standesregister sind dem Clerus abgenommen, die Schule wird von seinem Einfluss in zunehmendem Maasse gereinigt, die gewaltige Organisation der religiösen Orden (mit Ausnahme der Krankenpfleger) ist zerbrochen, die kirchliche Gemeindefreiheit in Ver

waltungsangelegenheiten und die Rechte der altkatholischen Gemeinden sicher gestellt, dem Missbrauch geistlicher Disciplinargewalt vorgebeugt, der Missbrauch der Kanzel beschränkt, die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen geregelt, den Gemeinden das subsidiäre Wahlrecht verliehen, die zweideutigen Artikel der preussischen Verfassung gestrichen, die staatliche Besoldung der Geistlichen von ihrer Anerkennung der Staatsgesetze abhängig gemacht, und ein kirchlicher Gerichtshof installirt, der bereits mehrere Bischöfe ihres Amtes entsetzt hat. Der Staat hat seine Macht bewährt, die Kirche dagegen ihre Ohnmacht erwiesen, mit den bisher gebrauchten Mitteln etwas auszurichten; der Kampf hat vorläufig seinen Höhepunkt überschritten, aber ist keineswegs beendet, und die Kirche wartet nur auf den Augenblick, wo sie von Neuem äussere Feinde gegen das ketzerische Kaiserthum hetzen kann, um dann den im Stillen geschürten Hass und Groll der katholischen Bevölkerung zur hochverrätherischen Flamme anzufachen. Die gegebenen Gesetze

dienen aber nicht blos zur Abwehr der ultramontanen Angriffe, sondern auch zur positiven Vorbereitung des religiösen Friedens für die Zukunft, und zwar kommt in der letzteren Hinsicht hauptsächlich die Befreiuung der Schule vom geistlichen Einfluss, die staatliche Vorbildung der Geistlichen und die Verleihung des subsidiären PfarrerWahlrechts an die Gemeinden in Betracht. Letzteres, das nothwendig zum principiellen und allgemeinen Wahlrecht der Gemeinden erweitert werden muss, kann freilich erst dann seine segensreichen Früchte tragen, wenn die kirchenfreie Schule längere Zeit hindurch ihre Wirksamkeit entfaltet hat, und der Staat aufhört zu dulden, dass Staats- und Gemeinde-Beamte von heimlicher ultramontaner Gesinnung den Wühlereien des Clerus in der Stille in die Hand arbeiten. Der von der kirchenfreien Schule und dem GeistlichenVorbildungs-Gesetz zu erwartende Umschwung in der Gesinnung der katholischen Gemeinden und ihrer Seelsorger kann möglicher Weise über ein Menschenalter auf sich warten lassen, aber kommen muss er sicher, wenn der Staat auf dem eingeschlagenen Pfade beharrt. Alsdann wird es Zeit sein, das grosse Werk durch ein BischofsWahlgesetz zu krönen, und den von den Gemeindevertretern erwählten Bischof allein durch den Kaiser bestätigen zu lassen (Erneuerung des unausgetragenen Innvestiturstreits). Hiermit wäre dann die hierarchische Loslösung von Rom (gleich derjenigen der

Kirche von Utrecht) vollzogen, und es schiene dann unerheblich, ob die deutschen Bischöfe auch fernerhin den römischen Bischof als primus inter pares anerkennen wollten oder nicht, da sie keinenfalls mehr ibrem römischen Collegen eine exceptionelle Unfehlbarkeit zugestehen würden. Endlich bliebe noch die Abschaffung des Cölibats, als des wirksamsten Hebels zur Entnationalisirung des Clerus, in's Auge zu fassen. Der Staat kann erstens den Ehestand als Bedingung der ordentlichen Anstellung der Pfarrer aufstellen, und die unverheiratheten Geistlichen auf magere provisorische Gehälter verweisen (dies würde das mächtige Heer der geistlichen Haushälterinnen in kurzer Frist zum wärmsten Bundesgenossen des Staats bekehren), und er kann zweitens im Interesse der Sittlichkeit das Abnehmen der Beichte weiblicher Personen durch unverheirathete Geistliche verbieten. Beides würde einen Synodalbeschluss von Seiten der zu constituirenden katholischen Generalsynode des deutschen Reichs auf Abschaffung des nicht zu den katholischen Dogmen gehörenden Cölibats wesentlich beschleunigen. Erst nach solchen tiefeinschneidenden Reformen darf das deutsche Reich sich vor dem Vernichtungshass des Ultramontanismus für alle Eventualitäten für gesichert halten.

V. Die geographisch-politische Lage Deutschlands. (August 1872.)

Wie auf allen Gebieten des Lebens die Naturbedingungen die Grundlage der geistigen Entwickelung bilden, so auch im politischen Leben der Staaten. Hier ist die Naturgrundlage eine doppelte, einerseits der ethnologische Charakter des Volkes und andrerseits die geographische Lage und Beschaffenheit des Bodens, auf welchem das Volk seinen Staat bildet. Keines von beiden ist absolut unveränderlich; so wie der äussere Typus und der innere Charakter eines Volkes im Laufe der Jahrhunderte durch die klimatische Eigenthümlichkeit seines Wohnsitzes und durch die Beschäftigungen, auf welche es durch den Boden hingewiesen wird, gewisse Modificationen erleiden, ohne doch den bei der Einwanderung mitgebrachten Kern seines Wesens unkenntlich zu machen, ebenso greift die Culturarbeit des Volkes energisch in die Terrainbeschaffenheit des Landes, in seinen klimatischen und geographischen Charakter ein, ohne doch die Grundlagen seiner Existenz alteriren zu können. Diese Wechselwirkung erzeugt oder verstärkt nicht selten eine merkwürdige Harmonie zwischen dem Charakter des Landes und Volkes, welche mitunter so frappant hervortritt, dass man sich versucht fühlen könnte, sie für eine prästabilirte zu halten. In Deutschland sehen wir nach innen das Bild der Mannigfaltigkeit, nach aussen das Land der vielseitigen Beziehungen, und denselben Charakter zeigt die nach innen zum Partikularismus und Individualismus, nach aussen zum Kosmopolitismus neigende deutsche Volksseele. Wie Deutschland seiner geographischen Lage nach das Herz Europas genannt worden ist, so ist das deutsche Volk das Herz der europäischen Völkerfamilie, das Bindeglied zwischen Ost und West,

Süd und Nord, der Kitt der werdenden Völkerverbrüderung nicht bloss für die alte, sondern auch für die neue Welt. In der Völkerwanderung zuerst traten die Germanen als Sauerteig Europas in die Geschichte, zu der wir heute das Gegenstück in der germanischen Völkerwanderung nach Amerika und Australien erleben; dazwischen fallen die Ansiedelungen der Deutschen in den russischen Ostseeprovinzen, den Donau- und Karpathenländern und die strichweise Verbreitung der deutschen Cultur bis tief nach Polen und Russland binein, so wie andrerseits die Ueberschwemmung des europäischen Westens mit deutschen Spionen", d. h. mit der überall Wetteifer erregenden Betriebsamkeit deutscher Arbeiter und Kaufleute. Diese starke räumliche Ausbreitung wird gleichmässig begünstigt durch die starke Volksvermehrung in Deutschland, durch seine centrale geographische Lage und durch den kosmopolitischen Zug des deutschen Volkes; rückwärts muss sie das wirksamste Mittel sein, um diesen Kosmopolitismus zu steigern (vgl. Kapp's Allg. Erdkunde). Dieser Kosmopolitismus war nun aber bisher eine entschiedene Gefahr für die nationale Existenz, weil ihm die nöthige Grundlage des Nationalgefühls mangelte. Nur diejenige Nation, welche auf der Basis ihres individuellen Selbstbewusstseins für das Ganze der Menschheit zu wirken sich bewusst und bemüht ist, wird dieses Ziel dauernd fördern können; andernfalls wird sie in den ihrer selbst bewussten Nationen auf- oder untergehen und schliesslich als blosser Culturdünger dienen, der erst eine ihm fremde Vegetation befruchtet, nachdem er seine eigene Aufgabe verfehlt hat. Dieser Mangel an Nationalgefühl und nationaler Würde war es, welcher Börne die Deutschen ein Volk von Bedienten" nennen liess; und wer müsste nicht heute noch die relative Berechtigung dieses Ausspruchs zugeben, wenn er sieht, wie der bei weitem grössere Theil der mit Fusstritten aus Frankreich vertriebenen Deutschen dennoch dorthin zurückgekehrt ist, und sich auch fernerhin anspeien lässt, um einige Francs mehr Monatsgage zu haben als in Deutschland! Es ist dies ein Verhalten, das man bisher nur den Mitgliedern eines andern, bereits vollständig zu Culturdünger gewordenen Volkes zum Vorwurf zu machen pflegte. Es steht zu hoffen, dass die Gründung des deutschen Reiches, das man den ersten deutschen Nationalstaat nennen kann, mit der Zeit das nothwendige Bewusstsein nationaler Würde als unentbehrliche Grundlage

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