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deshalb ist von andern Völkern, namentlich den Franzosen, oft leichtsinnig dagegen gefehlt worden, weil selbst im Fall eines ungünstigen Ausgangs die Gefahr nicht erheblich schien, welche Voraussicht in der That dadurch gerechtfertigt erscheint, dass Frankreich trotz aller seiner räuberischen Ueberfälle noch heute sein ganzes Sprachgebiet als staatlichen Besitz in blühendem Wohlstand behauptet. Dies war aber nur möglich, weil die geographische Lage Frankreichs es nur auf der nördlichen Hälfte seiner Westgrenze einigermaasen ungedeckt gelassen hat, und weil es bei allen seinen nach Westen gerichteten Ueberfällen stets sicher war, Rücken und Flanken geschützt zu haben. Deutschland aber muss bei jedem Angriffskriege darum zittern, dass ein anderer Feind seine Blösse benutzt, um ihm das Schwert in Rücken oder Seite zu bohren, und nach jedem neuen Angriffskriege muss es vor dem Gedanken beben, sich für die Zukunft einen rachsüchtigen Feind mehr gemacht zu haben. Deshalb ist Deutschland vor allen anderen Ländern auf eminent friedliche Politik zwingend angewiesen, und glücklicherweise stimmt diese Nöthigung vollkommen mit den Neigungen des Volkscharakters, mit der föderativen Verfassung des Reichs und mit der Art der Heeresorganisation überein, so dass ein kriegerischer Kaiser, der den Forderungen der geographischen Lage zum Trotz einen Angriffskrieg führen wollte, nicht nur die friedlichen Neigungen des Volkes, verstärkt durch die Last der allgemeinen Wehrpflicht in allen Ständen, gegen sich hätte, sondern auch ausser der Bewilligung der Kriegskosten durch den Reichstag noch die Zustimmung des Bundesraths zur Kriegserklärung erlangen müsste, ehe er seine Absicht durchsetzte. Das Ausland, insoweit es sachlichen Gründen zugänglich ist, muss sich tiber kurz oder lang davon überzeugen, dass in keinem Lande auch nur annähernd so starke Garantien gegen offensive Kriegsgeltiste vorhanden sind als in Deutschland, und dass bedeutende Rüstungen in diesem Lande deshalb keineswegs in offensivem Sinne zu deuten sind, weil kein anderes Land so sehr in der Lage ist, sich für die Defensive mit Anspannung aller Kräfte vorbereiten zu müssen. Aber es wird lange dauern, ehe solche Einsicht in Verbindung mit einer richtigeren Würdigung der deutschen Geschichte der letzten zehn Jahre sich im Auslande Bahn bricht, jedenfalls viel länger, als bis der nächste Krieg an uns herantritt. Denn wir leben in einer kriegerischen Periode, wie sie mit den fried

lichen Perioden in der Geschichte abzuwechseln pflegen in einem Rhythmus, der ungefähr an der Dauer eines Menschenalters sein Maass hat, und die Kriege unserer Zeit sind in dem Maasse grossartiger wie früher, als die von uns zu lösenden Aufgaben grossartiger und zugleich klarer gestellt sind. Eine noch so friedliebende Politik schützt uns deshalb immer nicht vor der Kriegsgefahr; heute wie zu Zeiten des alten Fritz heisst es:,,Feinde ringsum", heute wie damals sind wir auf unsre eigne Kraft angewiesen, und müssen uns so zum Kriege vorbereiten, dass wir wenigstens dem Angriff von zwei verbündeten Grossmächten allein auf uns selbst gestützt mit Ruhe begegnen können. Nur so können wir sicher sein, auch unter leicht möglichen ungünstigen Umstandscombinationen den Bestand des neu gegründeten Reiches zu wahren und von diesem Fundament des nationalen Lebens aus die hohe culturhistorische Aufgabe des Deutschthums in der Menschheitsentwicklung zu erfüllen.

VI. Princip und Zukunft des Völkerrechts.

(1871.)

1. Princip des Völkerrechts.

Unter dem Titel „Princip und Zukunft des Völkerrechts" hat Professor Adolf Lasson, in wissenschaftlichen Kreisen durch sein ausgezeichnetes Werk über Meister Eckhart den Mystiker und einige andere philosophische Arbeiten vortheilhaft bekannt, eine kleinere Schrift (bei Wilhelm Hertz in Berlin) so eben erscheinen lassen, welche in doppelter Hinsicht Beachtung verdient. Einerseits nämlich vereinigt ihr Verfasser ausgedehnte juristische Fachkenntnisse mit einer gründlichen auf Hegel zurückzuführenden philosophischen Schulung und einem selbständigen, nach rechts und links gleich wenig Anstoss fürchtenden wissenschaftlichen Standpunkt, und andererseits erscheint diese Kundgebung von besonderer Bedeutung für die Gegenwart, gleichsam als die wissenschaftliche Vertretung genau derselben Principien der Realpolitik, deren Befolgung von Seiten der preussischen Regierung Deutschland seine Wiedergeburt verdankt. Wie Professor Wilhelm Bolin in seinem so eben vollständig erschienenen schwedischen Werke „Europas Staatsleben" nachweist, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis in den verschiedenen Geschichtsperioden auch auf diesem Gebiete, so zwar, dass auch hier die Theorie der Praxis nachhinkt. Bedenkt man, dass die Vertreter eines doctrinären Liberalismus und sentimentalen Humanismus grossentheils mehr vor dem Erfolge verstummt als innerlich davon überzeugt sein dürften, dass ihre Opposition gegen die preussische Realpolitik nicht nur eine praktische Thorheit, sondern auch wissenschaftlich betrachtet eine Verkehrtheit war, so dürfte die hier versuchte wissenschaftliche Klarstellung der völkerrechtlichen Beziehungen der Staaten unter einander nicht zu unter

schätzen sein. Haben jene Elemente auch ihren Hauptsitz in Oesterreich und Süddeutschland, so sind doch auch bei uns noch ansehnliche Reste derselben zu finden, die sich leicht wieder vergrössern könnten, wenn der unmittelbare Eindruck der letzten grossen Thatsachen sich abschwächt. Allerdings glauben gerade jene häufig dem eigentlichen und wahren Realismus zu huldigen, aber dieser unmittelbare unphilosophische Realismus übersieht, weil ihm die idealistische Basis fehlt, den nothwendigen vernünftigen Zusammenhang des Ganzen und bleibt in der einzelnen Erscheinung stecken; er begreift nicht die Unaustilgbarkeit des nothwendigen Schmerzes und Leidens in allem Dasein, phantasirt sich eine bessere und vernünftigere, von allen diesen Leiden befreite Wirklichkeit vor, und schlägt so bei dem Streben, diese Utopien zu realisiren, „in ein widersinniges Echauffement um, das man fälschlich Idealismus nennt. Denn diese Art führt nothwendig in immer tieferen Zwiespalt mit der Wirklichkeit hinein; wahrer Idealismus aber ist die Kraft der Versöhnung, weil er in aller Unvollkommenheit des Einzelnen das Mittel zur lebendig sich erzeugenden Vollkommenheit des Ganzen erkennen lehrt" (S. 7-8). Während ein humaner Doctrinarismus die Realpolitik, welche unaufhebbare Uebel zu ihrem Dienste zwingt, der Härte und Grausamkeit bezichtigt, erweist gerade er sich als überaus inhuman, indem er durch das Sichhinwegsetzen über die thatsächlichen Verhältnisse und durch die Verwirklichungsversuche unpraktischer sentimentaler Wünsche Gefahren und Leiden heraufbeschwört, welche das Maass der unvermeidlichen Uebel noch erheblich überschreiten. In Frankreich, wo die Phrase eben nur als Phrase ausgenützt wird, treibt jede Partei, auch die liberalste, sowie sie an's Ruder kommt, reine Realpolitik, mag sie noch so sehr den Phrasen in's Gesicht schlagen, die ihre bisherigen Stichworte waren: der biedere Deutsche aber ist noch so einfältig, hinter der Phrase eine Idee zu wähnen, und vor dieser eine Art heiliger Scheu zu haben, so dass, wenn eine solche Partei zur Herrschaft gelangt, sie gerade in so weit, als sie ihrer Doctrin treu bleibt, auch rath- und thatlos vor den realen praktischen Aufgaben des Staatslebens dasteht (siehe das Bürgerministerium in Oesterreich). „Es giebt kein realeres Wesen, und welches mehr auf das Reale hingewiesen wäre, als den Staat; an seiner erbarmungslosen Natur scheitern alle Utopien und gedachten Möglichkeiten" (S. 92).

Zu solchen Utopien gehört nun vor allen Dingen der Glaube, dass Freundschaft und Liebe zwischen den Nationen oder Staaten als solchen herrschen könne oder müsse, oder gar gegenwärtig eigentlich schon herrsche. „Die Thatsache nun liegt vor als ausnahmslose Erscheinung von je an bis auf den heutigen Tag: zwischen Staat und Staat, zwischen Volk und Volk herrscht Feindschaft, ein durchaus gemüthloses Verhältniss des Wettstreites um alle Güter der Erde und um das Bestehen selber" (S. 8). „Dass ein Volk dem andern abgeneigt ist, dass diese Abneigung im Widerstreit der Interessen zum erbitterten tödtlichen Hass wird, diese repulsive Kraft des Bewusstseins des eigenen Werthes und des eigenen Wesens gehört unabtrennbar zur Gesundheit des Volkslebens. Ein Volk, welches das Fremde nicht hassen kann, ist ein erbärmliches Volk, unwerth der Selbständigkeit und nur bestimmt, geplündert und beraubt zu werden" (S. 34). Das klingt hart, aber es ist wahr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Fähigkeit, das Fremde zu hassen, eben nur hervortritt in Conflicten, welche dem nationalen Dasein an die Wurzel gehen. Nicht die Staaten hassen sich, denn diese sind so wenig des Hasses wie der Liebe fähig, wohl aber hassen sich die Völker, weil jedes in dem allgemeinen Kampf um's Dasein das andere in allen Mitteln und Grundlagen seiner Existenz in jedem Augenblicke bedroht, und diese gegenseitige Bedrohung in jedem Augenblick zum Ausbruch offener Feindseligkeit führen kann, - Umstände, unter denen Liebe und Freundschaft wohl unter einzelnen Angehörigen zweier Völker, aber nicht unter den Nationen als solchen möglich sind. Das Höchste, wonach man streben könnte, wäre also das Verhindern solcher Conflicte, bei denen der natürliche schlummernde Völkerhass in voller Kraft auflodert; aber Liebe zu fordern zwischen den Völkern als solchen ist eine Chimäre, welche in der Lehre des jesuitischen Ultramontanismus, der die Absorption der Staaten in die Universaltheokratie des römischen Papstthums anstrebt, wohl noch einen gewissen Sinn hat, aber im Munde eines liberalen kosmopolitischen Humanismus eine Ausgeburt unverständiger Schwärmerei ist, die nur dazu dient, socialistische Umsturzparteien zu stärken, welche, wenn sie in mehreren Staaten an's Ruder gekommen wären, in ihrer ungebändigten Leidenschaftlichkeit das Naturgesetz des Völker- und Racenkampfes um's Dasein noch in ganz anderer Weise illustriren

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