ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

und, wenn er auch dem Durchschnittsverstande der Classe vielleicht zu viel zumuthete, dafür um so fruchtbringender für die wenigen mit hervorragender Befähigung Begabten wirkte. Der Geometrie sowohl wie den einfachen arithmetischen Rechnungsarten hatte ich niemals irgendwelche Reize abgewinnen können; erst jetzt mit der Einführung in die Trigonometrie, Logarithmen und Gleichungen erwachte in mir ein lebhaftes, ich kann wohl sagen in der ersten Zeit begeistertes Interesse für Mathematik, das später noch einmal bei dem Studium der Differential- und Integralrechnung im obersten Cötus der Artillerieschule zu einer Art von Enthusiasmus aufflammte. Und doch kann ich heute mit Bestimmtheit sagen, dass es nicht das formale Interesse an der Mathematik als solcher war, welches diesen Affect in mir hervorrief, sondern die mehr oder minder deutliche Intuition von der philosophischen Bedeutung der mathematischen Functionen als einfacher und handlicher Formeln für complicirte Begriffe, und der betreffenden Rechnungsarten als einem Zauberschlüssel zur anderweitig unmöglichen Lösung begrifflich gestellter Aufgaben, und es war ein besonderes Verdienst Bertrams sowie seines Schwiegervaters, des Professor Schellbach, der später auf der Artillerieschule mein Lehrer war, dass sie beide diese philosophische Bedeutung der Mathematik geflissentlich hervorkehrten. Aehnlich verfuhr ersterer in dem Physikunterricht, wo er den festen Grund zu meiner heutigen Erkenntnisstheorie legte, und mich zuerst mit Gründen auf den Gedanken hinwies, dass ein Stoff ausser und neben der Kraft eine leere Einbildung sei.

In Obersecunda war es ferner das erste und letzte Mal, wo ich einen erträglichen Geschichtsvortrag hörte. Professor Zimmermann, der einzige im Lehrercollegium, dem man Esprit zuschreiben konnte, sprach ganz anregend über römische Geschichte; gleichwohl konnte mir die Geschichte damals noch kein tieferes Interesse einflössen, wie ich denn überhaupt glaube, dass die Jugend im Ganzen unhistorisch denkt und denken muss, und der geschichtliche Sinn sich erst mit reiferen Jahren findet. Durch den Vortrag der deutschen Geschichte in Prima verlor ich auf lange Jahre nach meinem Abgang vom Gymnasium allen Geschmack an Geschichte überhaupt, und erst der Hegel'sche Evolutionismus hat mich von der durch Schopenhauer bestärkten Geschichtsfeindschaft wieder geheilt, als ich aus ihm lernte, dass es der Logos ist, der in den Trägern der

Geschichte lebt und wirkt, und durch sie seine fortschreitenden Stufen verwirklicht.

In derselben Classe erhielt ich auch durch Professor Salomon den ersten und letzten gründlichen Aufschluss über die lateinische Grammatik; denn in Prima habe ich im Latein nichts mehr zugelernt, als die werthlose Fertigkeit, hohle Ciceronianische Phrasen zu sogenannten Aufsätzen zusammenzuwürfeln, bei denen jede Satzbildung aus eigenem und eigenartigem Gedankengang als schwerstes Verbrechen verpönt ist.

Was mir dagegen in der Secunda noch gänzlich fehlte, und nach meinen Erfahrungen dort noch 99 Procent aller Schüler fehlt, war ein Interesse an dem Inhalt der gelesenen fremden Classiker, das theils durch diesen Inhalt selbst (insoweit er rein geschichtlich, oder aber so schaal und werthlos ist, wie etwa in Ciceros meisten Schriften), theils durch die philologisch-grammatische Behandlung desselben im Keim erstickt wird. Für die lateinischen Classiker habe ich auch in Prima ein solches Interesse nie erlangt, mit alleiniger Ausnahme des zehnten Buchs von Quinctilians Institutionen, welches mich durch seinen literargeschichtlichen Inhalt anzog.

Selbst die Reden des Demosthenes hatten mich noch gleichgültig gelassen, und das erste, was mich fesselte, war die Apologie des Sokrates. Ganz überwältigend dagegen imponirte mir beim Eintritt in die Prima die einfache Grösse des Thukydides, an dem ⚫ mir zum ersten Mal das Wesen des Classischen aufging, als der natürlichen Kunst, ohne Kunst an jeder Stelle in schlichter Weise das Nöthige zu sagen und das Ganze logisch zu ordnen. Jetzt wusste ich auch, dass es das gewaltsame Haschen nach Effect um jeden Preis gewesen war, was mich am Demosthenes abgestossen, während zum Classiker nur ein solcher Schriftsteller werden kann, dem die Absicht, es zu sein, beim Schreiben gar nicht in den Sinn kommt. In den Platonischen Dialogen hinwiederum hatte mich nur zu oft die Weitschweifigkeit ermüdet, welche die Präcision des Ausdrucks und die Durchsichtigkeit des logischen Zusammenhangs beeinträchtigt.

Die bisher vermisste Einheit der classischen Form und des entzückenden Inhalts fand ich erst in Sophokles, und habe nur bedauert, dass nicht in jedem der vier Semester cine Tragödie dieses Meisters gelesen worden. Für Homers Schönheit habe ich dagegen

[ocr errors]

auf der Schule niemals das rechte Verständniss gewonnen. Ich glaube, es liegt dies daran, dass Homer so unendlich naiv ist, dass der Schüler in seiner modernen Bildung sich viel zu erhaben über ihn vorkommt, um seine kindliche Einfalt bewundernswerth zu finden. Nicht der Knabe, der alle Hebel daransetzt, sich dem Kindesalter zu entringen, sondern erst der Mann, der nach seiner verlorenen Kindheit sich zurückzusehnen beginnt, kann diesen reinsten Ausdruck der typischen Völkerkindheit nach dem ganzen Zauber seiner Unschuld würdigen. Hiermit soll aber keineswegs gesagt sein, dass man die Lecture des Homer beschränken solle; im Gegentheil wird dieses Heldengedicht unsern Knaben ebenso dienlich sein als den hellenischen, und die darauf in der Schule verwandte Zeit wird darum nicht verloren sein, wenn auch das rechte Verständniss erst in späteren Jahren nachkommt.

Der mich in das Verständniss der griechischen Classiker einführte, war der schon oben genannte Professor Salomon; er sprach den später von mir (,,Zur Reform des höheren Schulwesens" IV) ausgeführten Gedanken aus, dass von Rechtswegen das Griechische und Lateinische ihre Stelle im Gymnasium vertauschen müssten, ein Vorschlag, von dessen rechtzeitiger Ausführung meines Erachtens die Rettung unserer classischen Jugendbildung vor dem Schwall des immer stürmischer andrängenden realistischen Utilitarismus abhängen wird; denn da der lateinische Zopf doch einmal auf die Dauer nicht mehr zu halten ist, so kommt alles auf eine baldige Ersetzung der nachgerade zum Spott werdenden lateinischen After classicität durch die ächte, hellenische Classicität an.

Ausser Bertram und Salomon war es noch ein dritter Lehrer, dem ich viel und vielleicht das Meiste auf der Schule verdankte, nämlich Professor Jungk der ältere, welcher in Prima Literaturgeschichte vortrug und die deutschen Aufsätze leitete. Unter schlichten unscheinbaren Formen barg dieser Mann einen soliden Kern prunkloser Tüchtigkeit und edler Geistesbildung. Sein Standpunkt schien ein Gemisch der besseren Elemente der Aufklärungsperiode des vorigen Jahrhunderts mit der Hegel'schen Atmosphäre der Altenstein'schen Aera, und er war die einzige Persönlichkeit, welche in die dumpfe Schulstubenluft der Fachstudien ganz unvermerkt gelegentlich einen belebenden Lufthauch freien Geistes hineinwehen liess, der gerade hinreichte, um von einem jugendlichen Geiste ver

standen zu werden. Ich war damals schon weit genug, um zu begreifen, dass derselbe gern mehr gesagt hätte, wenn er nur gedurft hätte, und desto eifriger hielt ich mich an seine vorsichtigen Fingerzeige, und verfolgte dieselben durch Nachdenken und Lecture. Theils war es die Liebe, mit der er sich in den literaturgeschichtlichen Vortrag unserer classischen Zeit vertiefte, theils die Besprechung von Aufsatzthemen mit philosophischem Charakter, welche ihm zum Entrollen weiterer Perspectiven Anlass boten. Der deutsche Aufsatz hatte mir bis dahin wenig Ehre eingetragen, da ich mich völlig ausser Stande fühlte, mich für historische oder descriptive Themata zu erwärmen, oder gar den Leib des sprachlichen Ausdrucks anders als aus der Seele seines Gedankens herauszubilden. Von dem Augenblick an aber, wo mir durch Jungk solche Themata gestellt wurden, welche rationelle Reflexion und logische Entwickelung eines Grundgedankens verlangten, gehörten meine Aufsätze zu den besten und überflügelten umsomehr die übrigen, je philosophischer die Themata wurden. Auch heutigen Tages wird mein Stil schlecht, wenn ich daran denke, ihn gut zu machen oder gar nachträglich zu verbessern, und wird nur dann gut, wenn ich mich gar nicht um die stilistische Seite der Arbeit bekümmere, sondern bloss die klare, präcise und schlichte Gedankenentwickelung im Auge habe.

Wenn hauptsächlich durch Salomon mein lateinisches und griechisches Sprachgefühl gefördert wurden, so durch Jungk mein deutsches, insbesondere durch die Einführung in die Grundzüge der vergleichenden Grammatik des Gothischen, Alt-, Mittel- und Neuhochdeutschen und durch die Lectüre mittelhochdeutscher Classiker. Aus der reichen Förderung, die ich selbst aus diesem Studium gewonnen, habe ich die Ueberzeugung geschöpft, dass dieser Unterrichtsgegenstand auf keiner höheren Schule vernachlässigt werden sollte, da die feinere Bildung des Sprachgefühls in der Muttersprache als recht eigentliche Verfeinerung unseres Denkinstruments schliesslich zu dem Höchsten gehört, was die Schule leisten kann und soll.

Aus dem Religionsunterricht wurde in keiner Classe der Nutzen gezogen, welchen er durch seine völkerpsychologische Belehrung und seine anregende Kraft für die höchsten Probleme des Denkens bringen kann. Mit Ausnahme der mich lebhaft interessirenden cursorischen Lecture des griechischen neuen Testamentes in Obersecunda

v. Hartmann, Stud, u. Aufs.

2

waren die sämmtlichen Religionsstunden als verlorene Zeit zu betrachten; man merkte den Lehrern förmlich die Unlust an, mit welcher sie sich zu diesem Lehrgegenstande hatten pressen lassen. Auch in Prima, wo z. B. die Kirchengeschichte zu Excursionen in das Gebiet der Geschichte der Philosophie geradezu aufforderte, wusste der Vortragende dem Gegenstande keine anregende Seite abzugewinnen. Besser war der Confirmandenunterricht des freisinnigen Pastor Jonas, eines Schülers von Schleiermacher; aber hier suchte leider eine bedeutende Kraft sich auf ein Niveau des Verständnisses herabzulassen, welches vielleicht wirklich das Durchschnittsniveau der Confirmanden war, welches jedoch von mir längst überschritten war, der ich Lessing's Anti-Götze und manches Aehnliche bereits mit Heisshunger und Enthusiasmus verschlungen hatte. Immerhin aber gab Jonas mir doch einige Anregung zur Vertiefung der philosophischen Denkweise, die sich damals schon immer entschiedener bei mir ausbildete, und die nicht ihren geringsten Anstoss aus den meinem damaligen Verständnisse gerade angepassten philosophirenden Beimischungen der Bulwer'schen Romane empfangen hatte.

Im Ganzen empfand ich die Schule als drückende Last und war weit entfernt davon, diese Last gleich meinen Cameraden reflexionslos und geduldig zu ertragen, sondern rebellirte heftig gegen ein System des Unterrichts, das auf vielen Punkten offenbare Zeitvergeudung war, auf anderen wieder die Bewältigung eines Wissensstoffs verlangte, von dem ich damals nicht den geringsten Nutzen ausfindig zu machen wusste, und welches gar solche empörende Dinge zumuthete, wie das monatliche Erlernen eines Kirchenliedes in Prima. War ich schon immer halbfaul gewesen aus Unlust an den meisten Gegenständen, und weil ich aus Erfahrung wusste, dass ich doch mit den Andern Schritt hielt, so wurde ich von Obersecunda an ganz faul aus systematischer Rebellion gegen den verhassten Schulzwang, und weil ich meine Mussezeit für das, was mir am Herzen lag, völlig frei haben wollte. Mit Ausnahme der Aufsätze fertigte ich die Schularbeiten während anderer Schulstunden, oder sie wurden mir von Cameraden geliefert, wie z. B. die Präparationen als Gegenleistung für Ueberlassung der mathematischen Aufgaben. Dies erweckte natürlich den Neid fleissigerer Cameraden, denen meine kühne Freidenkerei, meine Pietätslosigkeit gegen alle

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »