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Ihr sie erst recht nicht trostlos finden, wo soll denn nun die Trostlosigkeit stecken?

Ihr wollt nicht auf den Gedanken eines positiven Glückes überhaupt verzichten! Warum nicht? Weil der hungrige, nach Befriedigung lechzende Wille aus Euch schreit! An wen richtet Ihr Eure Forderung auf Glück? Wodurch begründet Ihr sie? Habt Ihr denn ein Recht auf Glück? Nein Ihr habt keines, so wenig wie Ihr eine Pflicht habt, Leid und Qual widerstandslos zu tragen! Wenn Ihr kein Recht auf Glück habt, warum schreit Ihr denn so danach, und ruft Wehe über den, der Euch aus Euren Illusionen reissen will? Ihr wollt das Glück, weil Ihr es wollt; so lange Ihr Wollende seid, seid Ihr Glück-Wollende, denn so lange seid Ihr Willensbefriedigung-Suchende. Und Ihr begreift nicht, dass der vernunftlose Wille Eure Vernunft dabei zum Narren hat, Ihr seht nicht ein, dass es zum Wesen des Willens ebensosehr gehört, das Phantom Glück zu suchen, als die Realität Schmerz zu erwerben! Ihr klammert Euch an die vernunftwidrige Illusion, die der Wille Euch vorspiegelt, und vergesst darüber, dass ein Zustand Euch nichts vermissen lässt, der nichts vermissen lässt, und klagt über die Trostlosigkeit einer Lehre, die Euch den Weg zur absoluten Zufriedenheit zeigt, weil der in Euch herrschende vernunftlose Wille sich emporbäumt gegen die Zumuthung, abdanken zu sollen. Oder wollt Ihr etwa gar den unglücklichen Philosophen dafür verantwortlich machen, dass Ihr Euch in eine Welt hineingestellt findet, die Euch so unangenehme Alternativen auferlegt? Aber ich kann wirklich nichts dafür, dass diese Welt so ist, dass man es in ihr nur entweder bei intacten Illusionen oder bei voller und aufrichtiger Resignation aushalten kann. Oder macht Ihr dem Wahrheitsucher ein Verbrechen daraus, dass die Wahrheiten, die er findet, Eure Illusionen erschüttern? Aber warum lest Ihr dann philosophische Schriften, wenn Ihr es behaglicher findet, Euch in Euren Illusionen nicht stören zu lassen, und auch fernerhin vor unliebsamer Erkenntniss der Wirklichkeit, gleich dem Strauss vor dem Jäger, den Kopf unter den Flügel zu stecken! Seid Ihr aber einmal in Euren Illusionen irre geworden, so kann Euch doch nichts besseres begegnen, als eine nachdrückliche Mahnung, bis zur vollen Resignation fortzuschreiten.

Nein, sagt man mir, auch den Genuss der Willensbefriedigung

wollen wir Dir preisgeben; aber es muss jenseits des Weltprocesses in dem All-Einen wenigstens eine intellectuelle, begierdenfreie Seligkeit geben, die positiv, und mehr als eine Rückkehr in bloss bewusslose Potenzialität ist.

Nun, und wie, frage ich, wäre diese Seligkeit zu denken? Etwa als ewige Meditationen Gottes über seine eigene unerschöpfliche Güte und Heiligkeit, oder über die Erbärmlichkeit der aufgehobenen Welt? Aber nein doch, ein Gott reflectirt nicht, er lebt in intellectueller, alles in einen ewigen Blick fassenden Selbstintuition. Meinetwegen, ich sehe nur nicht, wo das Amusement dabei sitzen soll. Der arme Mönch, dem hundert Jahre Anschauung Gottes wie eine Stunde vorkamen, den mochte so etwas in Entzücken versetzen, weil es so weit über seinem Gesichtskreise lag; aber dass Gott selber, der sich doch nachgerade kennen sollte, sich nicht schliesslich bei dieser ewigen Selbstbespiegelung verzweiflungsvoll langweilen sollte, ist schwer zu glauben. Kurz und gut, entweder ist diese Intuition interessant, dann ist der Wille dabei betheiligt, und sie kann auch gerade so gut langweilig oder widerwärtig werden, d. h. Unlust statt Seligkeit bereiten; oder aber sie ist absolut interesselos, dann ist ihr selber auch ihr Sein oder Nicht-Sein absolut gleichgültig, d. h. ihr Sein ist ihr nichts mehr werth als ihr Nichtsein, und steht diesem an Seligkeit nicht voran.

Wie man sich auch drehen und wenden möge; ein positives Glückseligkeitsstreben auf Grund des Willens ist eine widerspruchsvolle Illusion; ein solches ohne Grundlage des Willens entbehrt jeder haltbaren Basis. Entweder ein Paradies mit Houris oder Nirvana!

VIII. Ein chinesischer Classiker.

(1870.)

Ein uraltes Heiligthum des fernsten Orients öffnet seine Pforten und ruft den erstaunten Occidentalen zu: Tretet ein, auch hier sind Götter! Nicht das Heiligthum eines zornigen, eifrigen, blutdürstigen Gottes, von Priesterherrschsucht zur Erweiterung ihrer Kastenmacht durch Volkseinschüchterung gemissbraucht, nein, ein Hciligthum des ewigen namenlosen Gottes, den alle meinen und keiner zu nennen vermag, das friedliche Asyl einer stillen Gemeinde, ein Tempel schönster und reinster Humanität, nur so weit angehaucht von dem contemplativen Quietismus des Orients, um den ruhigen Hafen darin zu finden, in welchen der vom Wogendrang der Leidenschaften und Tagesinteressen ermüdete Mensch sich flüchten kann. Bekannt ist der beruhigende Einfluss, den Goethe von Spinoza's ",Ethik" verspürte; auch hier haben wir ein Werk,*) das sich Ethik nennt, und doch in seinem ersten Theil, wie die Ethik Spinoza's, wesentlich Metaphysik ist; auch hier einen strengen Pantheismus des Einen, Absoluten (Táo), aber welch ein Unterschied bei aller Aehnlichkeit! Wenn Spinoza ein hartgemeisseltes, starres Medusenhaupt ist, das uns versteinernd anblickt, so erscheint La-otse wie ein uraltes Frescobild mit halbverwaschenen Contouren, aber ein Bild von bezaubernder Schönheit und Weichheit, an dessen herzgewinnender Lieblichkeit und Milde man sich nicht satt sehen kann.

Wenn die Entschiedenheit des monistischen Pantheismus nur mit Spinoza zu vergleichen ist, so steht in seinem absoluten Idealis

*) Lao-tse Táo-te-king. Der Weg zur Tugend. Aus dem Chinesischen übersetzt und erklärt von Reinhold von Plaenckner. Leipzig, Brockhaus. 1870. 8. 2 Thlr.

mus La-otse unmittelbar an Plato's Seite, erinnert aber oft in überraschendster Weise an Hegel, namentlich an dessen Religionsphilosophie. Aber alle diese Vergleiche betreffen nur den metaphysischen Standpunkt; hinsichtlich der eigentlichen Ethik kenne ich nur zwei Schriften, die ihm ähnlich sind: das Johannes-Evangelium und Fichte's „Anweisung zum seligen Leben" (welche letztere selbst als eine Combination von Spinozismus und Johannes-Evangelium betrachtet werden muss). Hier ist der Punkt, wo ein gewisser Mysticismus zum Vorschein kommt; aber er zeigt sich in seiner anspruchslosesten Gestalt und geht durchaus nicht weiter, als bis zu dem Maass, in welchem er für die Ermöglichung einer innerlichen Religiosität Bedingung ist.

Die Sprache des chinesischen Originals ist durchweg von epigrammatischer Prägnanz; Bilder sind sparsam gebraucht, aber sie treffen stets den Nagel auf den Kopf, wenn uns auch die Vergleichungsgegenstände mitunter fremdartig anmuthen. Eine besondere poetische Gewalt entfaltet sich in den Bildern nirgends (wie dies z. B. im Alten Testament der Fall ist), sie dienen vielmehr immer nur zur Veranschaulichung der abstracten Wahrheiten, wie in einem modernen wissenschaftlichen Werke. So verbindet sich mystische Innerlichkeit mit klarer Nüchternheit des Gedankens und anschaulicher Darstellung. Das Ganze baut sich als ein architektonisches Kunstwerk vor den Augen des staunenden Lesers auf. Die kurzen Kapitel (wir würden eher Paragraphen sagen) sind in trefflicher Gedankenverbindung untereinander, und scheinbares Abschweifen und Wiederzurückkommen auf den Gegenstand in späteren Kapiteln ist offenbar berechnete Absicht, um den Leser allmählich in den Gegenstand einzuführen und nicht durch längeres Verweilen bei schwierigen Abstractionen zu ermüden.

Der Parallelismus der Glieder, der in der hebräischen Poesie eine so wichtige Rolle spielt, wird auch hier sehr viel benutzt, aber doch in einer Weise, welche eine blosse Wiederholung desselben Gedankens in anderm Gewande ausschliesst und dafür mehr eine antithetische Gruppirung setzt. Der Klimax findet häufige und sehr wirksame Anwendung, öfters auch der Antiklimax. Jeder Satz kann für eine Verszeile gelten, da die Länge der Sätze nur in ziemlich engen Grenzen differirt. Fast jeder Satz ist zweitheilig gebaut, so dass die Sonderung dieser Theile der Cäsur entspricht. Nicht selten

finden sich absichtliche Endreime. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Worte nach Rücksichten des Wohlklangs und eines erhabenen Stils gefügt sind, und es bestätigt sich hiermit das allgemeine Gesetz, dass die primitive Literatur aller Völker in poetischer Form verfasst ist.

Die vorliegende Uebersetzung enthält etwa dreimal so viel Worte als das Original, wobei noch zu berücksichtigen, dass die chinesischen Worte fast alle einsilbig sind. Hiernach würde das chinesische Original in lateinischen Buchstaben ohne Verseintheilung gedruckt etwa 10-15 Seiten einnehmen.

Die vorliegende Uebersetzung ist als die erste zu betrachten, welche einen annähernden Einblick in den Inhalt des Originals gewährt; denn die französische von Stanislaus Julien legt eine principiell sehr anfechtbare Auslegung in das ganze Buch hinein *), die von Abel Rémusat besteht nur in vereinzelten Bruchstücken. Die Wissenschaft Europas hat die Leistung des deutschen Uebersetzers dankbar und freudig zu begrüssen, da sie die landläufigen Anschauungen über den Geist des chinesischen Volkes entschieden modificirt.

Wir sind nur zu schnell bei der Hand, die facies hippocratica, die kindische Greisenhaftigkeit, welche uns die gegenwärtige chinesische Welt zeigt, als ein dauerndes Zubehör des chinesischen Stammestypus statt als das Product einer seit Jahrtausenden stagnirenden und bis zum Ueberdruss ausgelebten Cultur zu betrachten. Dieses Buch aber lehrt uns, welch ein sprudelnder Quell frischesten Geistes vor dritthalbtausend Jahren aus dem Genius dieses Volkes entsprang; es lehrt uns, dass eine Nation, die ein solches Genie aus dem Schoosse ihres eigensten Lebens erzeugt hat, ihren Anlagen nach den indogermanischen Nationen wesentlich ebenbürtig ist, und dass sie zu der Zeit, als Lao-tse und Kong-fu-tse lebten, sich in einer Periode des hoffnungsvollsten Aufschwungs befunden haben

*) Seitdem diess geschrieben wurde, ist noch eine zweite deutsche Uebersetzung von Victor von Strauss erschienen, Leipzig bei Fleischer, 1870, welche sich bemüht, den Urtext weniger umschreibend und unmittelbarer wiederzugeben. Ueber den relativen Werth beider Uebersetzungen zu urtheilen, erachte ich mich nicht für befugt, und kann nur sagen, dass das Buch des Lao-tse in der Plaenkner'schen Bearbeitung einen plan voller zusammenhängenden und überhaupt bedeutenderen Inhalt zu besitzen scheint, was die Möglichkeit nicht ausschliesst, dass die Strauss'sche Wiedergabe die treuere sei.

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