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IX. Symptome des Verfalls im Künstler- und Gelehrtenthum.

(1872.)

Dass die ausübenden Künste sich gegenwärtig in merklichein Verfall befinden, ist eine nachgerade trivial gewordene Bemerkung, und ebenso bekannt ist es, dass dieser Verfall zu einem erheblichen Theil den allmählich sich summirenden nachtheiligen Einflüssen zur Last gelegt werden muss, welche Geldgier und Eitelkeit auf den Charakter der Künstler ausüben. Diese beiden Motive, welche dem Kunststreben als solchen gleich fern stehen, haben, genährt durch die allgemein wachsende Gewinnsucht unserer Zeit, das Auf keimen des Virtuosenthums ebenso sehr begünstigt, wie sie ihrerseits durch die Verhältnisse des Letzteren wiederum gesteigert wurden. So sehr das Virtuosenthum eine berechtigte Seite der Kunstentwickelung überhaupt ist, insofern es dazu beiträgt, das Durchschnittsniveau der künstlerischen Technik zu erhöhen und dadurch die Kunst mit wirksameren Mitteln zum Ausdruck ihres idealen Gehalts auszustatten, so sehr pflegt es unmittelbar die Kunst zu schädigen, indem es die äusseren Mittel des Ausdrucks als Selbstzweck behandelt und dadurch das wahre Wesen der Kunst verfälscht. Das Publikum, das ohnehin schwer genug in die zum tieferen, innerlich erhebenden und veredelnden Kunstgenuss unerlässliche, weihevolle Stimmung zu versetzen ist, wird dadurch nur um so mehr vom innerlich vertieften Kunstgenuss abgelenkt und daran gewöhnt, die blendende Aeusserlichkeit der Oberfläche anstatt des inneren Gehalts in's Auge zu fassen; und die anderen Künstler, welche bisher mit ehrlichem Streben dem Wesen der Sache zugewandt waren, werden durch die schnell erzielten äusseren Erfolge an Beifall und Gewinn, die ihnen täglich vor Augen liegen, verführt, die minder

geräuschvolle Achtung und die weniger glänzende, aber solidere Existenz, die ihnen ihre Tüchtigkeit verschaffte, gegen die verlockende Hohlheit dieses Virtuosenthums zu vertauschen. Diese Symptome zeigen sich gleichmässig in Malerei, wie in Musik, in Literatur wie in Schauspielkunst. Wir haben einen der grössten Romanschriftsteller gesehen, welcher sich dazu hergab, das Vorlesen herausgerissener Fetzen aus seinen Romanen zu einem Triumphzug für sich und seinen Geldbeutel zu gestalten; wir haben Schauspieler, die auf eine Rolle, Sängerinnen, die auf eine Arie oder auch nur auf eine bestimmte Coloratur, auch wohl Tenoristen, die wesentlich auf ihr hohes cis reisen, und haben Maler gehabt, die ein Bild auf Ultramin in der Welt herumreisen liessen.

Vom rein volkswirthschaftlichen Standpunkt betrachtet, kann es nun zwar gewiss keinem Künstler verdenken, wenn er seine Leistungen zu so hohem Preise verwerthet, wie die Nachfrage nach denselben es ihm ermöglicht; aber es ist eben unerlaubt, Kunstleistungen nach rein volkswirthschaftlichen Gesetzen als Waare zu behandeln. Sicherlich ist auch in Kunst und Wissenschaft der Arbeiter seines Lohnes werth, aber so gewiss, wie jede wahrhaft künstlerische und wissenschaftliche Leistung einen Werth besitzt, der durch alle volkswirthschaftlichen Werthe der Welt zusammengenommen nicht aufzuwiegen ist, so gewiss ist es Pflicht des Künstlers, diesen ewig unbezahlbaren Werth seiner Kunstleistung höher zu achten als den Marktwerth derselben, der sich nach Angebot und Nachfrage bestimmt. Ein Künstler, der dies unterlässt, der in banausischer Weise seine Leistungen dem künstlerischen Werthe nach verschlechtert, um einen höheren Marktpreis aus denselben herauszuschlagen, begeht damit ein Attentat auf sein Talent und ein Verbrechen an seinem Beruf; er verletzt die Pflicht, als treuer Knecht mit dem ihm anvertrauten Pfunde zu wuchern, und entweiht das Priesterthum im Tempel der Kunst, zu dem er berufen war, um durch künstlerische Mittel die Menschheit zu erheben und zu veredeln. Sein Unrecht ist ein doppeltes, wenn sein Abfall von der idealen Aufgabe seines Berufs nicht nur sein eigenes Talent zu künstlerisch werthlosen oder doch minder werthvollen Zwecken vergeudet, sondern auch zugleich das künstlerische Leben seiner Zeit als Ganzes schädigt. Die Aufgabe der Kunst ist eine so erhabene, dass sie das Recht hat, sogar, persönliche Opfer zu

erheischen, und in einer Zeit, wo das Verfolgen idealer künstlerischer Ziele nicht mit einem angemessenen äusseren Lohn und Anerkennung zu vereinbaren, eher den Verzicht auf diese als den auf das Verfolgen des für recht erkannten Weges zu fordern.

Solche Arbeiter um Gottes willen sind es, denen die Völker das Beste ihrer geistigen Habe verdanken, und deren selbstverleugnender Grösse die dankbare Nachwelt Denkmäler errichtet. Wer in solcher Lage nicht die Kraft des Opfers in sich findet, der ist zu bedauern, denn ihm entgeht das Höchste, was die Welt dem Menschen zu bieten hat: der Lohn des eigenen Bewusstseins; aber tadeln dürfen wir ihn nicht. Wer hingegen in gesicherter und geehrter Stellung lebend, aus blosser unersättlicher Gier nach immer grösserem Gewinn und immer höherer, wo möglich mit Niemandem getheilter Ehre in irgend welcher Weise den künstlerischen Werth seiner eigenen Leistungen beeinträchtigt (und sei es nur dadurch, dass er sie aus dem Rahmen herausreisst, in welchem sie als Glied eines grösseren Kunstganzen die höchste künstlerische Wirkung erzielen) und die Kunst, der er angehört, schädigt, der hat, wie sehr er auch vom juristischen und volkswirthschaftlichen Standpunkt im Rechte sein mag, vor dem ethischen Forum keine Nachsicht zu erwarten.

Ich bin weit entfernt davon, die hässlichen Symptome der Gegenwart für das Zeichen einer unheilbaren Krankheit zu halten. Ein eitles Völkchen waren die Künstler von jeher, seit Thespis auf seinem Karren durch Hellas zog; und dies ist auch psychologisch sehr erklärlich und entschuldbar, da der Beifall des Publikums die Lebensluft ist, in der sie athmen besonders für diejenigen, welche demselben Auge in Auge gegenüber und deshalb in unmittelbarer Wechselwirkung mit ihm stehen. Man dürfte annehmen, dass die besseren Elemente der Künstlerschaft heute wie zu jeder Zeit in der idealen Aufgabe ihres Berufes die Kraft finden müssen, diesen Dämon zu überwinden.

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Schlimmer ist die bei dem rapide zunehmenden Nationalreichthum und Luxusbedürfniss durch die Concurrenz mit anderen Ständen fortwährend aufgestachelte Gewinnsucht. Erwägt man aber, dass die Honorare für künstlerische Leistungen (mit Ausnahme vielleicht der durch übergrosses Angebot gedrückten Instrumentalmusik) entschieden in rascherer Progression gestiegen sind als der Geld

werth gesunken ist, dass also die Stellung der Künstler sich nicht nur in gesellschaftlicher, sondern auch in pecuniärer Beziehung gegen früher gebessert hat, so ist die Erwartung gerechtfertigt, dass dieselben lernen werden, eine Besserung ihrer Lage mehr in der Gründung solider genossenschaftlicher Einrichtungen als in individueller Ausbeutung ephemerer Erfolge zu suchen.

Das Virtuosenthum im engeren Sinne, wie es namentlich auf musikalischem Gebiet vor einigen Jahrzehnten unerhörte Triumphe feierte, hat als solches seine Zeit bereits hinter sich; und es ist wesentlich unsere Aufgabe, jene Kunstgebiete von demselben zu desinficiren, in welche es sich gleichsam verstohlen eingefressen, und dadurch den Geschmack des Publikums in bedenklicher Weise alterirt hat. So hat sich z. B. das Publikum gewöhnt, eine Bühnendarstellung nicht sowohl nach ihrer künstlerischen Gesammtwirkung zu schätzen und zu geniessen, als nach der Gelegenheit, welche die Rollen der Individualität gewisser Darsteller zur Entfaltung bieten. Der Mangel kräftiger und einheitlicher Regie hat hier ebensoviel verschuldet, wie die allzu grosse Bekanntschaft des Publikums mit den älteren Repertoirstücken und die Seltenheit guter neuer.

Am meisten haben wir uns vor der Infection durch französische und englisch-amerikanische Corruption zu hüten, in welchen Ländern der Verfall (wenn auch aus ganz verschiedenen Ursachen) viel tiefer und die Aussichten auf Wiederaufschwung viel geringer sind als bei uns. Als ein günstiges Zeichen dürfen wir es in dieser Hinsicht auffassen, dass trotz aller bezahlten Reclame der Humbug fremder Impresarios bei uns doch nur der Neugier, nicht der gläubigen Bewunderung einen gewissen äusseren Erfolg verdankt. In der Malerei ist der Fortschritt, welche das Gesammtniveau der heutigen Technik dem Virtuosenthum verdankt, ganz eclatant; die Art der Vorführung dieser Kunst macht es einem echten Künstler leichter, als auf irgend einem andern Gebiet, einem wirksam zur Erscheinung gebrachten bedeutenden idealen Gehalt auch die verdiente Anerkennung zu erwerben, und es bleibt abzuwarten, in wie weit die Zukunft uns noch inhaltliche Fortschritte auf diesem Felde zu bieten haben wird.

Gehen wir nun auf das Gebiet der Wissenschaft über, so ist man im Allgemeinen der Ansicht, dass der Zustand des Gelehrten

thums, namentlich in den sogenannten exacten Wissenschaften, ein sehr erfreulicher sei, der zu keinen Ausstellungen Anlass gebe. Wenn dies im Allgemeinen richtig ist, so muss uns doch der ganze Gang der modernen gesellschaftlichen Entwickelung warnen, uns in schädliche Sicherheit einzuwiegen, und darf die Gefahr nicht übersehen werden, dass die im Künstlerthum beobachteten Elemente der Corruption die Gefahr einer Ansteckung auch der gelehrten Kreise nahe legen. Es ist ferner zu beachten, dass, wenn die Wissenschaft durch ihre äussere Stellung die Lauterkeit ihres Wesens viel leichter als die Kunst bewahren kann, so doch auch eine Infection durch äusserliche dem Wesen der Sache fremdartige Rücksichten hier sofort einen viel nachtheiligeren Einfluss üben muss. Diese Erwägungen nöthigen dazu, auf weit geringfügigere Symptome aufmerksam zu sein, um jede sich einschleichende Corruption wo möglich im Keime ersticken zu können. Es ist natürlich ein missliches Unternehmen, den Finger auf wunde Stellen zu legen, und je undankbarer ein solches Geschäft im Allgemeinen genannt werden muss, um so mehr Dank verdient der Mann, welcher sich durch persönliche Rücksichten nicht von der rücksichtslosen Aufdeckung wahrgenommener Schäden abschrecken lässt, von Seiten aller derer, welchen das sachliche Interesse über die rücksichtsvolle Schonung des Bestehenden geht.

Eine Kassandrastimme dieser Art hat der durch seine photometrischen und spektroskopischen Untersuchungen rühmlichst bekannte Professor der physikalischen Astronomie, Friedrich Zöllner, in der Vorrede und dem zweiten Theil seines neuesten Werkes erhoben:,,Ueber die Natur der Kometen; Beiträge zur Geschichte und Theorie der Erkenntniss" (Leipzig bei Engelmann, 2. Aufl.). Die Untersuchungen über die Beschaffenheit der Kometen führten den Verfasser auf die Frage, wie es möglich sei, dass nach den Leistungen von Olbers und Bessel ein Physiker von dem Rufe Tyndalls mit seiner völlig sinnlosen Erklärung der Kometenkerne und -schweife durch aktinische Wolken hervortreten konnte; und dies veranlasste ihn wiederum zu allgemeineren Betrachtungen über die Rückschritte im methodischen Denken, welche in der neueren Naturwissenschaft namentlich in England und Frankreich in auffallender Weise zu Tage treten. So erweiterte sich sein Buch unvermerkt zu einer Philippika gegen die naturwissenschaftlichen Schäden unserer Zeit,

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