ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

die Eitelkeit mit der Zeit vermindern, das reine sachliche Streben nach Erkenntniss mehr zur Geltung kommen lassen, und hierdurch auch die reinwissenschaftlichen Verstandesoperationen durch Uebung verstärken und die Anlage zu denselben kräftigen.

In ähnlichem Sinne wie der Einfluss des weiblichen Geschlechts im Salon wirken die Naturforscherversammlungen auf eine Verschiebung der sachlichen und persönlichen Interessen hin. Solche Congresse sind vortrefflich, insoweit es sich entweder um die Wahrnehmung praktischer Vereins- oder Standesinteressen oder um die Vorberathung von Material für die staatliche Gesetzgebung im allgemeinen volkswirthschaftlichen, juristischen, statistischen, kirchlichen, pädagogischen und sonstigen Interesse handelt. Keines von beiden ist bei dem Naturforschercongress der Fall; dieser ist wesentlich nur als Vergnügungspartie für die Mitglieder und zugleich als ein vom esprit de corps für das grosse Publikum aufgezäumtes Paradepferd zu betrachten, welches das Ansehen der Kaste durch den in den Zeitungen und anderwärts davon gemachten Lärm vermehrt. Gegen beide Zwecke liesse sich nicht viel einwenden, wenn nicht durch die bei solchen Congressen gemachten Bekanntschaften und bei der Flasche besiegelten Freundschaften manch' einem die persönliche Unbefangenheit verloren ginge, welche zur redlichen und rücksichtslosen Gegnerschaft erforderlich ist. Ohne solche Gegnerschaft als Gegengewicht des ewig unvermeidlichen Cliquenunwesens kann aber die Wissenschaft auf die Dauer nicht gedeihen. „ ich denn", sagt Zöllner S. LVIII., „je im Stande gewesen, meine im dritten Theil dieser Schrift ausgeführten psychologischen Untersuchungen vorzunehmen, wenn ich die Liebenswürdigkeit eines Tyndall, oder die Eleganz eines Hofmann mir persönlich gegenüber zu erfahren und schätzen gelernt hätte?" Die Aufhebung solcher persönlicher Unbefangenheit schadet wahrscheinlich mehr, als die positiven gegenseitigen Anregungen und Förderungen, welche durch private persönliche Berührungen bei solchen Gelegenheiten herbeigeführt werden, der Wissenschaft nützen können; mindestens ist die Bilance zweifelhaft.

Wäre

Wir schliessen mit den Worten Zöllners auf Seite LXI.: „Kein liberaler Minister wird durch glänzende Institute und Laboratorien, durch Gehaltserhöhungen der Professoren und neue Berufungen allein den Verfall einer ehemals begeisterten Stätte deutscher Wissenschaft

aufhalten können, so lange nicht jene unterirdischen Verbindungen mit London und Paris gänzlich abgeschnitten sind. Erst in einer hierdurch gereinigten Atmosphäre werden allmählich wieder die Strahlen der Wahrheit ihren Weg zu den Herzen der Lehrer finden, damit sie von ihnen erwärmt und begeistert, in selbstloser Hingabe der Wahrheit allein die Ehre geben, und so der deutschen Jugend nicht nur ein vornehm kühles Bild des Wissens und Könnens, sondern auch das Beispiel eines reinen und anspruchlosen Antriebes zur Erkenntniss liefern."

X. Das Gefängniss der Zukunft.

(1875.)

Mit berechtigtem Stolz blickt unsere Zeit auf die Siege, welche die Humanität auf dem Gebiete der Strafgesetzgebung und Strafvollstreckung im Vergleiche zu der Barbarei und Rohheit früherer Jahrhunderte errungen hat; aber sie ist auch auf der anderen Seite von dem Bewusstsein durchdrungen, wie viel unseren gegenwärtigen Zuständen noch fehlt, um allen Forderungen der Idee der Humanität gerecht zu werden. Die liberalen Parteien in der Gesetzgebung der verschiedenen Staaten sind daher unausgesetzt bemüht, die Regierungen zu weiteren Reformen im humanen Sinne zu drängen, und edle Menschenfreunde setzen ihre beste Kraft daran, um die Einsicht in die Nothwendigkeit solcher Reformen in immer weitere Kreise zu verbreiten und durch diese Aufklärung der öffentlichen Meinung die künftigen Aenderungen der bisher bestehenden Zustände vorzubereiten.

Die Strafen besassen früher eine gewisse Mannichfaltigkeit: das Rädern, Köpfen, Hängen, Handabhauen, Zungeausreissen, Auspeitschen, Brandmarken, Prangerstehen u. s. w. brachte eine gewisse Abwechslung in den Spruch des Richters, und die Gesetzgeber bemühten sich, die Art der Strafe in sinnreicher Weise der Beschaffenheit des Vergehens anzupassen, wie es der strafrechtlichen Vergeltungstheorie entsprach. Die Abschreckungs theorie konnte auf ein solches symbolisches Spiel verzichten, aber sie konnte dafür bei oberflächlicher Auffasssung leicht zu einer unzweckmässigen drakonischen Strenge verführen. Erst durch allgemeinere Annahme der Besserungstheorie war den Humanitäts bestrebungen auf strafrechtlichem Gebiete ein sicherer Boden bereitet, auf dem sie rasch vorwärts schritten. Nachdem die Leibes verstümmlungen und

die Folter beseitigt waren, erhob sich der Kampf gegen die Strafe des Todes, der Entehrung und der körperlichen Züchtigung, und wir sind jetzt im Principe dahin gelangt, nur noch Eine Art der Strafe, die Freiheitsstrafe zu besitzen, obwohl bei der Vollstreckung derselben noch manche Reminiscenzen der Vergangenheit sich einmischen.

Der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ist nicht eigentlich mehr als eine Ehrenstrafe (im Sinne des früheren Brandmarkens und Prangerstehens) aufzufassen, sondern nur als ein Schutz der Gesellschaft gegen den Missbrauch von Rechten von Seiten solcher Personen, die durch Verbrechen dargethan haben, dass man sich eines Missbrauchs dieser Rechte von ihnen zu versehen hätte. Sie ist also recht eigentlich eine Präventiv massregel, ebenso wie die Stellung unter polizeiliche Aufsicht, und keine Strafe im engeren Sinne, obwohl sie als Consequenz des constatirten Verbrechens gleichzeitig mit der wirklichen Strafe vom Gerichte über den Verbrecher verhängt und verkündet wird. Das Gericht constatirt nur, dass der Verurtheilte eine Persönlichkeit ist, welcher das zur Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nothwendige öffentliche Vertrauen nicht geschenkt werden darf, aber es hat keineswegs die Absicht, den Verurtheilten durch diesen Ausspruch für ehrlos oder infam zu erklären. Im Gegentheil setzt sie ihm eine Frist, innerhalb deren er voraussichtlich das Vertrauen seiner Mitbürger wieder gewonnen haben soll, und entzieht ihm die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nur bis zu dieser Frist. Eine Infam-Erklärung würde dem Verbreeher jede Möglichkeit der sittlichen Rehabilitirung rauben, während er jetzt gehoben wird durch die dem Urtheilsspruche zu Grunde liegende Voraussetzung, dass er innerhalb einer gewissen Zeit in der That sittlich rehabilitirt sein werde.

Die Todesstrafe ist aus einigen Strafgesetzbüchern bereits verschwunden, in den übrigen ist wenigstens das Gebiet ihrer Anwendung immer enger und enger beschränkt worden und seit der Emanation des norddeutschen Strafgesetzbuches ist in Preussen kein Todesurtheil mehr vollzogen worden. Es erscheint bei dem gegenwärtigen Stande der öffentlichen Meinung nur noch als eine Frage der Zeit, wann die Todesstrafe im Frieden aus den civilisirten Ländern gänzlich beseitigt sein wird.

Die Prügelstrafe besteht bei uns in Deutschland nur noch als Disciplinarstrafe für Sträflinge und ist auch auf diesem Gebiete mehr und mehr beschränkt worden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass vor der fortschreitenden Humanität bald auch der letzte Rest derselben verschwinden wird, da die körperliche Züchtigung der von der Besserungstheorie verlangten Hebung des Ehrgefühls widerspricht.

Sonach bleibt nur noch die Eine Form der Freiheitsstrafe übrig. Die Verbüissung der Haft in kalten, feuchten, finsteren oder allzu heissen Räumen, die Einsperrung in Käfige, welche keine normale Körperhaltung gestatten, oder in Zellen, deren Boden aus scharfkantigen Latten besteht, sind ebenso wie die dauernde Anlegung drückender Fesseln oder die Entziehung der nothwendigen Kleidung und Nahrung als inhuman und gesundheitsschädlich aus unserem Gefängnisswesen ausgeschieden worden. Die Strafe soll eben nur noch Freiheitstrafe sein und nichts Anderes; sie soll z. B. nicht durch Langeweile, nicht durch eine den Fähigkeiten und Gewohnheiten des Gefangenen widersprechende Art der Beschäftigung, nicht durch übermässige Anstrengung und Dauer der Arbeit, am wenigsten durch eine isolirte Absperrung quälen, so weit solche nicht durch den Zweck der Besserung des Verbrechers nothwendig bedingt ist.

„Müssiggang ist aller Laster Anfang" und kann im Gefängniss nur zu unnützem Grübeln, Gemüthsverbitterung und Geistesverirrung führen; Müssiggänger sind also schon aus moralischen Rücksichten im Gefängniss nicht zu dulden, abgesehen davon, dass die Arbeit der Gefangenen aus volkswirthschaftlichen Gründen unerlässlich ist, um nicht vorhandene Kräfte unbenützt zu lassen und sie von den Steuerzahlern füttern lassen zu müssen. Die von Arbeitern mehrfach erhobene Forderung, die Concurrenz der Strafgefangenen mit ihrer freien Arbeit aufhören zu lassen, ist also principiell verkehrt in zweifacher Hinsicht. Dass die Arbeit eine den Fähigkeiten und Gewohnheiten der Gefangenen entsprechende sein müsse, ist ein erst neuerdings (im norddeutschen Strafgesetzbuche und jetzt auch vom preussichen Ministerium des Innern) principiell anerkannter Grundsatz, zu dessen Verwirklichung aber noch das Allermeiste zu thun ist. Hier bleibt ferneren Gefängnissreformen der weiteste Spielraum.

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »