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geheiligten Autoritäten mitunter ein stilles Grauen erregte. Meine Schwärmerei für die Künste erschien ihnen als überspannt, und meine Nichttheilnahme an den Unterhaltungen ihrer Mussezeit uncameradschaftlich. Dies alles wirkte zusammen, mich wenig beliebt und meine Stellung in der Schule zu einer ziemlich isolirten zu machen. So entstand mir eigentlich nur ein näheres Freundschaftsverhältniss auf dem Gymnasium, und das mit einem älteren Knaben, der nur kurze Zeit mein Classencamerad war, aber ganz in meiner Nähe wohnte, und mich in den früheren Jahren in seine Spiele, später in seine musikalischen Bestrebungen mit hineinzog; derselbe ist nach mannichfach wechselnden Schicksalen jetzt Schuldirector in New-York. Ausser diesem bestand mein Verkehr in den früher erwähnten Freunden aus der Kinderzeit und in zwei älteren Vettern, von denen der eine die Universität, der andere die vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin besuchte, und deren Umgang von bedeutendem Einfluss auf mich war.

In Gesang und Zeichnen war der Unterricht auf dem Gymnasium gleich mangelhaft gewesen. Zwar war der alte Neidhardt, der frühere Director des Domchors, Dirigent der Gesangclasse, aber Lehrmaterial und Schülerkräfte waren gleich unzulänglich, und diese Gesangstunden ebenso wie der obligatorische Zeichenunterricht nach Vorlagen in überfüllten Classenräumen eine wahre Tortur für mich. Der Stimmwechsel erlöste mich endlich von ersterem, und der Nachweis privaten Zeichenunterrichts im Atelier des Professor Brücke verschaffte mir im Frühjahr 55 Dispensation von letzterem.

Den fruchtlosen Clavierunterricht hatte mir bis dahin eine jener bescheidenen Musiklehrerexistenzen ertheilt, welche bei geringen Ansprüchen an das Leben stillvergnügt bis an's Ende ihre einförmige Strasse ziehen. So lange er mich ,,seinen undankbarsten Schüler“ nannte, hatte er natürlich wenig Interesse für mich; dies änderte sich aber, als ich nach meinem ungewöhnlich zeitig eingetretenen Stimmwechsel veranlasst wurde, ihm etwas vorzusingen. Von dem Augenblicke an bestand zwischen uns das intimste Verhältniss; die Stundenzahl wurde vermehrt, und ich genoss bei ihm einen Unterricht im Gesang, dessen Vortrefflichkeit in allen Beziehungen ich lange nachher erst mehr und mehr würdigen lernte. Zugleich nährte er mit kundiger Hand die Flamme idealer Begeisterung für die

Kunst und legte durch theoretischen Unterricht und mannichfache Anregung den Grund zu meinem musikalischen Verständniss. Leider verlor ich nur allzufrüh, noch vor meinem Abgang vom Gymnasium, diesen Lehrer durch einen Schlaganfall, von dem er sich nicht wieder erholte. Dieser Verlust und die Anregung des erwähnten Schulfreundes bewirkte, was vorher der Zwang verhindert hatte: ich warf mich die nächsten Jahre mit Eifer auf das Clavierspiel, und zwar auf classische Musik und moderne Opern mit Ausschluss aller leichteren Waare. Das Ueben wurde jedoch niemals mein Geschmack; ich spielte nur vom Blatt, sehr viel vierhändig, Begleitung zum Gesang oder Geige, und classische Claviertrios. Das Clavier war mir immer nur der Vermittler für die Kenntniss der Musik, als musikalisches Instrument dagegen blieb es mir stets in gewissem Grade unerfreulich. Ausserdem las ich unendlich viel Musik, namentlich Opern, und erlangte dadurch eine ziemlich umfassende Kenntniss besonders der neueren Musik. 1861 arbeitete ich dann die vierhändige Compositionslehre von Marx gründlich durch, und vervollständigte diese Studien in den Jahren 1862 und 1863 durch Privatunterricht bei dem Musikdirector Richard Wüerst. In der eigenen Production legte ich mich mit Vorliebe auf Gesangscompositionen, zuerst auf Lieder, Duette, Quartette, und begann dann eine dreiactige Oper, deren Libretto ich mir selbst in fünf Tagen nach Lope de Vegas,,Stern von Sevilla" verfasst hatte, die aber nicht von mir vollendet wurde. Der Gesang diente mir mehr zur Verschönerung der Geselligkeit, da meine Stimme, als ein mittelstarker Baryton von künstlich erworbener Höhe und schwacher Tiefe, zu eignen hervorragenderen Leistungen nicht genügte. Zu Anfang der sechziger Jahre wurden häufig Ensemblesätze aus Opern bei mir executirt; später wurde mehr das Männerquartett gepflegt, welches auch heute noch gelegentlich mir einen Abend im Freundeskreise erheitert.

Ein gewisses Talent zum Zeichnen war dadurch kund geworden, dass ich in der Schule Lehrer und Mitschüler in Profilaufrissen wohl getroffen hatte, und als mein Vater diese kleinen Talentproben mit meinen negativen Leistungen im Zeichnenunterricht verglich, entschloss er sich kurz, mich in das wenige Häuser von unserer Wohnung entfernte Brücke'sche Atelier zu schicken. Mein Lehrer, Vater des berühmten Wiener Physiologen, war einer der leutseligsten

und liebenswürdigsten alten Herren, die ich je kennen gelernt habe. Das Wohlwollen und der Humor waren die Grundzüge seiner Natur, die immer und gegen Jeden gleichmässig freundlich erschien. Der Umgangston in seinem von Damen und Herren besuchten Atelier war gut und ungezwungen, und es knüpften sich mir daselbst mancherlei freundschaftliche Beziehungen an, von denen eine sich bis auf die Gegenwart erhalten hat. Hier zeichnete ich nun zuerst einfache Körper, dann zahlreiche Gypsköpfe und Statuen in Contouren, von denen mehrere theils in schraffirter, theils in estampirter Manier ausgeführt wurden; hierauf folgte eine Reihe von Porträts in Kreide und Bleistift, und vom Herbst 1857 an durch eine Reihe von Wintern Actstudien nach männlichen und weiblichen Modellen, zu denen Brücke viermal wöchentlich in den Abendstunden einen Kreis strebsamer Jünglinge vereinigte. Die ernsten Bedenken meiner Eltern über meine Theilnahme an letzteren Studien in so jungen Jahren wusste Brücke durch Hinweis auf meinen Charakter zu zerstreuen, und ich kann wohl sagen, dass die frühe ästhetische Vertiefung in die plastische Form des nackten lebenden Körpers mir für die kommenden Jahre der edelste Schutz gegen Versuchungen geworden ist, denen Andre erliegen, weil sie ihren ästhetischen Sinn nicht gebildet haben, und nur mit dem Auge der Sinnlichkeit zu sehen vermögen.

Die Zeichenstudien fesselten mich bald so lebhaft, dass ich alle Stunden, die ich erübrigen konnte, auf dieselben verwandte, und mein Eifer nahm noch zu, als ich vom Herbst 1859 an für die Zeit der Tagesbeleuchtung die Reissfeder mit dem Pinsel vertauschte. Leider wurde um diese Zeit mein alter Lehrer durch einen Schlaganfall seiner Thätigkeit entzogen; indessen sein Sohn Hermann Brücke, der inzwischen sich einen Ruf als Künstler gegründet, übernahm seines Vaters Schüler als eine Art Erbschaft und widmete sich auch meiner Ausbildung mit Liebe und Sorgfalt. Auch er ruht jetzt bereits, und zwar in der Erde des gelobten Landes der Künstler, wo er vergeblich Heilung von einem Brustleiden suchte. Nachdem ich an einigen Copien die technischen Elemente der Oelmalerei erlernt hatte, wandte ich mich auch hier mit Vorliebe dem Porträt zu, das ich mehrere Jahre sehr eifrig cultivirte, und zu welchem anziehende Modelle zu werben, ich in meinem Kunstenthusiasmus nicht eben blöde war. Das Actzeichnen des Abends setzte ich dabei nach

Möglichkeit fort, und holte auch beiläufig die versäumten Studien im Landschaftszeichnen einigermassen nach, obwohl ich für die Landschaft nie eine besondere Passion gehabt. Die Staffelei wie das Skizzenbuch begleiteten mich Anfangs der sechziger Jahre auf meinen Reisen und fanden mannigfache Verwendung.

Als ich im Herbst 1858 das Gymnasium verliess, war ich wenigstens so weit in Musik und Zeichnen vorgerückt, dass ich dem Director Bonnell meine private Beschäftigung mit beiden durch hinlängliche Proben belegen konnte, und dadurch der Nothwendigkeit überhoben wurde, eine private wissenschaftliche Thätigkeit durch Vorlegung umfangreicher Collectaneen zu erweisen, welche, beiläufig bemerkt, sich von einer Schülergeneration auf die andre vererbten und nur mechanisch abgeschrieben wurden. Von den gleichzeitig mit mir Entlassenen waren ausser mir noch drei unter 17 Jahr alt, und wir vier wurden beim Abiturientenexamen von der mündlichen Prüfung dispensirt. Als ich mit meinem Zeugniss in der Tasche nach Hause ging, feierte ich vielleicht die glücklichste Stunde meines Lebens; es war mir so unendlich leicht und frei zu Muth, dass ich dem immer unerträglicher empfundenen Schulzwang nun entronnen war. Wie oft ist nicht die Bemerkung gemacht, dass unsere quälendsten Träume uns in die Situation des beschämten Schulknaben zurückführen; kann es eine schlagendere Kritik des Schülerbewusstseins geben? Mir war so wohl, als wenn ich aus einem solchen jahrelangen marternden Traume erwachte oder vielmehr noch tausendmal wohler, denn ich wusste ja, dass es eine ganz reelle Wirklichkeit war, von der ich mich nun auf immer erlösst sah.

Bei solcher Stimmung war es kein Wunder, dass ich mich nicht nach dem Universitätsstudium sehnte, da ich vorläufig vom Studiren für eine Weile genug hatte, und zu strebsam und zu ernsthaft veranlagt war, um ein Studium mit der Absicht des Faulenzens zu ergreifen. Ob ich mich ausschliesslich einer Kunst zuwenden sollte, ist bei mir damals ernstlich noch nicht in Frage gekommen; ich wollte einen festen Beruf haben, in dem ich völlig sicher war, den höchsten Anforderungen genügen zu können, und das war ich in Betreff der Künste damals noch nicht. Philosophie zum Brodstudium zu machen, dieser Gedanke ist mir niemals gekommen; hätte ein Anderer mir den Vorschlag gemacht, so wäre mir das als eine Entweihung erschienen. Am nächsten von den Studien lag mir

noch das der Naturwissenschaften; aber ich war auch hier zu ungewiss, ob es mir gelingen würde, wichtige Entdeckungen zu machen, da ich mit verschiedenen vermeintlichen grossen Entdeckungen in der Physik bereits Fiasko gemacht hatte. Ich sehnte mich nach einer bestimmten und zwingenden Berufsthätigkeit, welche hinlängliche Musse frei lassen sollte, um die Künste und Wissenschaften dilettantisch mit Erfolg zu betreiben, aber zugleich die jugendliche Kraft in fest vorgezeichnete Bahnen concentrirte und vor der Verlotterung des Sichselbstüberlassenseins bewahrte. Es hatte sich diese Ansicht bei mir aus der auch von Anderen oft bestätigten Erfahrung entwickelt, dass man in der Mussezeit neben der Schule (oder dem Beruf) oft mehr leistet als in den Ferien.

Was mir ferner das Universitätsstudium verleidete, war der Widerwille meines bereits ästhetisch geschulten Geschmacks gegen studentische Rohheit und Verwilderung, Kneiperei und Renommisterei. Im Vergleich hierzu erschien mir der Ton in jüngeren Officierkreisen golden, obwohl ich manche Schattenseiten auch dort schon früh zu erkennen Gelegenheit gehabt. Das soldatische Wesen war mir durch meinen Vater früh vertraut geworden, und der ArtillerieSchiessplatz häufig mein Ferienspielplatz gewesen. In dem preussischen Militarismus bewunderte ich einen kunstvollen Organismus, innerhalb dessen die straffste Subordination unerlässliches Mittel zum Zweck ist, und ich war Philosoph genug, um zu wissen, dass die einmal begriffene Nothwendigkeit auch im concreten Falle nicht mehr als äusserer Zwang empfunden wird. Der Offizierstand schien mir bei seiner zeitweilig starken Kräfteanspannung doch im Durchschnitt die wünschenswerthe Musse zu bieten, und speciell der Beruf des Artilleristen meinen mathematisch - naturwissenschaftlichen Anlagen zu entsprechen. Als Soldat glaubte ich mit einem Wort am besten in jeder Hinsicht ein ganzer Mann werden zu können. Mein Vater enthielt sich jeder Einwirkung auf meine Berufswahl, da er die Schattenseiten des eigenen nur zu gut kannte; meine Mutter war eher gegen als für die militärische Laufbahn. Aus eigenem freien Entschluss wurde ich also Soldat, und habe es bis heute nicht bedauert, weil ich dadurch eine andere Charakterbildung empfangen und das menschliche Leben, die Grundlage alles philosophischen Weiterdenkens, weit anschaulicher, unmittelbarer und vielseitiger kennen gelernt habe, als dies für gewöhnlich einem

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