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reich der Sage zurück. Shakespeare war seinem Publikum gégenüber in beiden Punkten weit günstiger gestellt, wovon seine Stücke den Beweis liefern. Auf meine Person hat z. B. auf der Bühne das Auftauchen von Banquo's Geist bei der Tafel stets störend gewirkt, und ich würde es vorziehen, den Platz leer zu lassen, da doch nur Macbeth allein die Erscheinung sehen soll.

Aber auch Shakespeare, der noch öfters Geister citirt, braucht dieselben niemals zu dem Zweck, auf den Zuschauer die Wirkung des Grauens hervorzubringen, sondern insofern eine solche Wirkung hervorgebracht wird, ist sie nur aus dem Grunde nicht zu umgehen, weil die Motivation des Stücks eine entsprechende Wirkung auf die handelnden Personen fordert. Ein grausiger Effect ist also bei Shakespeare nie Selbstzweck, sondern nur Mittel für die Verknüpfung der Begebenheit.

Uebrigens sind Geister und Gespenster keineswegs die einzigen Mittel, die auf die Erregung dieser Art von Grauen hinwirken. Wer daran zweifelt, der lese z. B. T. A. Hoffmann's Schriften; insbesondere fällt mir eine Erzählung in den Serapionsbrüdern (Theil 4, S. 231-247) ein, die wohl an Schaurigkeit die grausenhafteste Gespenstergeschichte übertrifft. Solche Mittel sind eben so wenig ästhetischer Natur, wie die rieselnde Nervenempfindung (vornehmlich der Hautnerven), welche sie hervorrufen; sie dienen zur Aufreizung einer Seite der Phantasie, die so wenig mit dem Schönen wie mit dem Erhabenen etwas zu schaffen hat; grossentheils sind sie sogar abstossend hässlich und ekelhaft, wie in der ebengenannten Erzählung. Wer producirend oder empfangend sich stark zu diesem Genre hingezogen fühlt, muss entweder an krankhafter Nervenüberreizung oder an völliger Geschmacksverirrung der Phantasie leiden.

Wenn wir nun aber wirklich alles dasjenige Grässliche ausscheiden, welches entweder die Lust am Grausamen oder am Schaurigen reizt, und dasjenige, welches dem Zustand unserer Sitten nicht mehr entspricht, so bleibt doch noch eine Menge Grässliches übrig, welches durchaus nicht im Stande ist, eine tragische Wirkung zu erzielen. Wie nämlich das Rührende nur dann tragisch ist, wenn es gross genug ist, um erschütternd zu wirken, so ist das Grässliche nur dann tragisch, wenn es innerlich genug ist, um rührend zu wirken. Das Grässliche, was als ein rein äusserlich

Gegebenes plötzlich uns entgegentritt, an Personen entgegentritt, die wir nicht kennen, oder die uns wenigstens gleichgültig sind, und aus Ursachen, die wir nicht verstehen, ein solches wird uns kalt lassen, oder nur die allgemeine Philanthropie erwecken, zu̟gleich aber als Grässliches uns schmerzlich zurückstossen, und wir werden seinen Anblick zu fliehen suchen, wie den Anblick einer chirurgischen Operation. Also nicht auf das Maass der Leiden, die uns äusserlich vorgeführt werden, kommt es an, sondern auf das Maass, in welchem unser Empfinden in Mitschwingung verseszt wird; und dieses letztere ist ein Product aus dem Maass der objectiv vorgehenden Leiden und ihrer Fähigkeit, uns für sich zu interessiren und zu erwärmen. Das angeschaute Leid kann uns aber nur dann interessiren und erwärmen, wenn es nicht ein uns äusserlich entgegentretendes bleibt, sondern für uns innerlich wird, wenn wir uns für die leidenden Personen überhaupt und für ihre Lage interessiren, wenn wir die Entstehung der Leiden aus ihren nothwendigen Ursachen verstehen, und es nachzufühlen gezwungen sind, wie tief die Personen von denselben ergriffen werden müssen. Hieraus ergiebt sich, dass es für die Wirkung des Dramas nur nachtheilig sein kann, wenn es uns Personen als leidend vorführt, für die wir noch kein Interesse gefasst haben, oder wenn es uns Leiden vorführt, deren ursächliche Entstehung und Motivation uns nicht hinlänglich klar geworden ist.

Sind aber die Bedingungen erfüllt, welche das Grässliche für uns zugleich tiefinnerlich und rührend machen, dann freilich wird (mit Berücksichtigung der obigen Einschränkungen) die Wirkung um 89 stärker und nachhaltiger sein, je grösser und tiefer das Leid, je furchtbarer das Grässliche ist.

Wir haben bei diesen Betrachtungen bestätigt gefunden, was Lessing aus Aristoteles folgert, dass sowohl von Mitleid als auch von Schrecken oder Erschütterung (pósos) jedes nur in dem Sinne tragisch verwendbar ist, als es das andere schon von selbst einschliesst, andrerseits aber haben wir auch das Gebiet, wo beide gesondert auftreten können, sehr reichhaltig gefunden, und aus dieser Einseitigkeit zwei der wichtigsten Verirrungen des Dramas begriffen.

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Wenn wir in den vorigen Abschnitten Rührung oder Mitleid und Schrecken oder Erschütterung als die beiden Seiten dessen erkannt haben, was die tragische Wirkung hervorbringt, so wollen wir nun nach Ausscheidung der einseitigen Uebertreibungen dieser Affecte das psychologische Wesen derselben näher bestimmen, um zu erkennen, ob sie an und für sich einen ästhetischen Werth beanspruchen können, oder ob sie nur als Mittel zu einem höheren Zweck einen Werth besitzen. Sollte sich das letzere herausstellen, so werden wir in dem dann folgenden Abschnitt nach dem Zweck zu forschen haben, welchem Mitleid und Erschütterung als Mittel dienen und welcher alsdann selbst das Wesen des Tragischen uns enthüllen muss.

Das Mitleid ist diejenige Empfindungsresonanz, welche auf schmerzliche Gefühle Anderer mit Gefühlen von entsprechendem Charakter antwortet, also auf Wehmuth mit Wehmuth, auf Trauer mit Trauer, auf Angst mit Angst u. s. w. - Das Mitleid ist also ein Gattungsname, der die verschiedensten Schmerzempfindungen unter sich begreift, welche aber alle darin übereinkommen, dass sie nicht direct durch entsprechende Motive, sondern indirect durch Resonanz mit einer gleichen an einem Andern wahrgenommenen Empfindung entstanden sind und sich dieser indirecten Entstehungsweise bewusst sind. Insofern also alles Mitleid wirkliches Leid oder Schmerzempfindung ist, kann es unmöglich angenehm, sondern nur unangenehm sein, an welchem Resultat die indirecte Entstehungsweise nichts zu ändern vermag. Mithin muss das Mitleid noch einen andern Factor in sich enthalten oder unmittelbar aus sich erzeugen, der es möglich macht, dass man in dem Mitleid (wir sprechen hier nicht vom Drama) auch eine Lustempfindung hat. Diese kann, wenn wir die Schadenfreude und die Wollust der Grausamkeit ausschliessen, in nichts anderm bestehen, als in dem Contrast zwischem dem Zustande des Bemitleideten und des Bemitleidenden, durch welchen letzterer zum Bewusstsein und zum Genuss seiner eigenen Schmerzfreiheit, wenigstens seiner Freiheit von diesem so eben bemeitleideten Leid gelangt. (Ich bemerke hierbei, das jeder Genuss durch den Contrast mit der Vorstellung des Gegentheils gehoben wird, und ohne diesen Contrast sehr bald aufhört, als Genuss

empfunden zu werden.) Es wird diese Annahme, welche die einzige mir bekannte und anscheinend auch die einzig mögliche zur Erklärung der im Mitleid enthaltenen Lust ist, dadurch gestützt, dass je sittlich hochstehender, je zartfühlender und gebildeter der Mensch ist, um so mehr das Leid im Mitleid diese Lust überwiegt, die immerhin ein, wenn auch berechtigter und natürlicher, doch roher Egoismus ist. Der Zartfühlende vermeidet den Anblick fremden Leides, dem er nicht helfen kann, während der rohere Naturmensch es um dieser egoistischen Lust willen aufsucht. Das Mitleid ist ein uns von der Natur als geringes Gegengewicht gegen den Egoismus eingepflanzter Instinct; aber der Egoismus weiss auch dieses für seine Zwecke auszubeuten und schwächt zugleich durch seine Empfindungszuthat offenbar die von der Natur beabsichtigte Wirkung jenes Instinctes, zur selbstverleugnenden, opferwilligen Hülfe anzutreiben. Mithin muss jede Bemühung, das Mitleid als Quelle der Lust auszunutzen, das Zartgefühl beleidigen und einen verschlechternden Einfluss auf die Sittlichkeit üben, was beides die Poesie gewiss nicht darf. Dies Verhältniss wird nicht dadurch verändert, wenn das Leid, welches das Mitleid hervorruft, ein bloss vorgestelltes, erdichtetes ist; denn die Gewöhnung, sich zu diesem erdichteten Leid auf jene Weise zu verhalten, würde man später unfehlbar auch auf das Wirkliche übertragen. Wir sehen also: was am Mitleid Lust ist, darf nimmermehr Kunstziel sein, was aber daran Schmerz ist, natürlich erst recht nicht, denn es wäre widersinnig für jegliches Wesen, den Schmerz um seiner selbst willen zu erstreben.

Wir kommen zu dem andern Element, welches wir das Erschütternde, Schreckliche, Furchtbare, Entsetzliche oder Grässliche nannten. Keins dieser Worte bietet eine zutreffende Bezeichnung, obwohl man aus ihrer Zusammenstellung wohl das erkennen kann, um was es sich handelt. Erschütterung ist zu weit; es giebt viele Erschütterungen, die aus ganz anderen Ursachen als den hier gemeinten hervorgehen; sie ist aber ein nothwendiges Requisit; nur insofern es eine gewisse Art der Erschütterung hervorbringt, kann das Furchtbare, Schreckliche u. s. w. tragisch auf uns wirken. Die Erschütterung bezeichnet also nur das Maass des Eingriffs in unsern psychischen Organismus, unterhalb dessen das Tragische nicht zu Stande kommen kann. Schrecken bezeichnet eine über

raschende Plötzlichkeit dieses Eingriffs, welche für gewöhnlich nicht beabsichtigt sein kann. Entsetzen würde am besten die Art der Erschütterung charakterisiren, wenn es nicht bloss den höchsten Grad derselben bedeutete, ebenso wie das Grässliche im Allgemeinen einen zu hohen Grad bezeichnet, abgesehen davon, dass es etymologisch auf gräusslich und Grausen zurückweist, was uns freilich im gegenwärtigen Sinne nahezu entschwunden ist. Dem Gesuchten am nächsten möchte noch das Furchtbare kommen, indem dasjenige, was geeignet ist Furcht zu erwecken, meistens auch noch andere Empfindungen gleichzeitig hervorruft, so dass also objectiv das Fruchtbare weit mehr besagt als subjectiv die Furcht.

Aristoteles, der tiberkurze, und sein Wiederhersteller Lessing geben in diesem Punkte Anlass zu schiefen Auffassungen. Lessing citirt (kl. Ausg. VIII, S. 122) eines Kunstrichters Worte: „Das Schrecken entspringt ohnstreitig aus einem Gefühl der Menschlichkeit: denn jeder Mensch ist ihm unterworfen, und jeder Mensch erschüttert sich vermöge dieses Gefühls bei dem widrigen Zufalle eines andern Menschen." Wenn diese Erklärung nicht eben geschickt ist, so lässt sich doch erkennen, dass etwas ganz richtiges gemeint ist. Lessing aber sagt (S. 123): „,Aristoteles denkt an dieses Schrecken nicht. . . Dieses Sckrecken. . . ist ein mitleidiges Schrecken und also schon unter dem Mitleide begriffen. Aristoteles würde nicht sagen Mitleiden und Furcht, wenn er unter Furcht weiter nichts als eine blosse Modification des Mitleids verstände." Ich schreibe hier nicht gegen die Auslegung des Aristoteles, sondern gegen den Grund, wesshalb es nach Lessig dem Aristoteles unmöglich gewesen wäre, dieses Schrecken zu meinen. Wie hinfällig derselbe ist, zeigt Lessing selbst S. 127 und 135-136, wo er sagt, „dass der Aristotelische góßos ebenfalls keine besondere von dem Mitleiden unabhängige Leidenschaft sei," dass auch er „von dem Wort Mitleid schon eingeschlossen wird." Ja er sagt sogar (S, 136): Wenn Aristoteles uns bloss hätte lehren lehren wollen, welche Leidenschaft die Tragödie erregen könne und solle, so würde er sich den Zusatz der Furcht allerdings haben ersparen können."... Was also hier nicht hindern kann, den góẞos besonders neben dem Mitleid aufzuführen, hatte auch für jene Bedeutung des Schreckens es nicht hindern können, da nach Lessing beide vom Mitleid eingeschlossen werden. Letzteres ist

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