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aber nach meiner Meinung für beide unrichtig, da wir im Vorhergehenden zur Gentige gesehen haben, dass sowohl die mitleidige Rührung ein grosses Feld hat, wo sie nicht mit Erschütterung und Schrecken verknüpft ist, als auch das Schreckliche ein weites Feld hat, wo es nicht im Stande ist, unser Mitleid zu rühren, womit die relative Unabhängigkeit beider von einander genugsam dargethan ist. Ebenso wie jene Erschütternng ist aber auch diese Furcht vom Mitleid unabhängig, welche Lessing folgendermassen bestimmt: „Seine (des Aristoteles) Furcht ist durchaus nicht die Furcht, welche uns das bevorstehende Uebel eines andern für diesen andern erweckt*), sondern es ist die Furcht, welche aus unsrer Aehnlichkeit mit der leidenden Person für uns selbst entspringt; es ist die Furcht, dass die Unglücksfälle, die wir über diese verhängt sehen, uns selbst treffen können, es ist die Furcht, dass wir der bemitleidete Gegenstand selbst werden können. Mit einem Wort, diese Furcht ist das auf uns selbst bezogene Mitleid." Erst daraus, dass wir das Mitleid in dieser Weise als Furcht auf uns selbst reflectiren, soll die Begründung der Regel folgen, dass kein ganz Nichtswürdiger zum tragischen Helden gewählt werden dürfe; offenbar ergiebt sich aber dieselbe schon daraus zur Gentge, dass in solchem Falle Hass, Abscheu und Verachtung das Entstehen des Mitleids verhindern.

Es ist klar, dass die Thätigkeit, mein Mitleid auf mich selbst als auf einen Gegenstand, der ähnlichen Leiden ausgesetzt ist, zu beziehen, eine nicht im Mitleid selbst unmittelbar und unvermeidlich gegebene, sondern erst darüber hinaus hinzukommende Reflexion ist; noch mehr aber gilt dies von der durch diese Reflexion in mir erweckten Empfindung der egoistischen Furcht. Das Mitleid kann sehr wohl ohne beide bestehen, ja es wird um so mehr ohne diese beiden bestehen, je selbstvergessener der Mensch im Mitleiden aufgeht, je mehr seine alles auf sich beziehende Selbstsucht gegen die Nächstenliebe und das Mitgefühl mit dem leidenden Nächsten zurücktritt. Dagegen wird, je weniger der Mensch einer Selbstverleugnung und reinen Nächstenliebe fähig ist, diese egoistische Furcht beim Anblick fremden Leides um so stärker werden, und nach dem Gesetz der beschränkten Totalsumme der gleichzeitigen Gefühle die Stärke des Mitleids um so mehr herabdrücken, je

*) Dass dies doch des Aristoteles Meinung sei, hat Schasler in seiner „krit. Gesch. d. Aesth." mindestens sehr wahrscheinlich gemacht.

v. Hartmann, Stud. u. Aufs.

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stärker sie wird. Ja sogar es setzt diese eogistische Furcht gar nicht einmal das Mitleid als Bedingung voraus, denn in einem für den Nächsten völlig herzlosen Egoisten kann bei ängstlicher Gemüthsart diese Furcht durch den Anblick fremder Leiden im höchsten Maasse geweckt werden, ohne dass eine Spur von Mitleid aufkommt, vielleicht sogar statt dessen Schadenfreude besteht. Man sieht, dass Lessing, sowohl was die Unabhängigkeit der Furcht und des Schreckens vom Mitleide betrifft, als auch was die Fähigkeit dieser egoistischen Furcht betrifft, als Ziel des künstlerischen Eindrucks zu dienen, sich sehr im Irrthum befand. Denn diese egoistische Furcht kann noch weit weniger ästhetische Absicht sein, als die vorhin erwähnte egoistische Lust, die sich mehr oder minder mit der Schmerzempfindung des Mitleids zu verknüpfen pflegt, da Furcht an und für sich eine unangenehme Empfindung ist. Die Kunst darf überhaupt auf keinen Fall sich einer Hätschelung des Egoismus dienstbar machen; denn wenn derselbe auch, wie im Falle dieser Furcht noch nicht unsittlich ist, so ist er doch allemal die Triebfeder, und zwar die einzige Triebfeder, um unter Umständen unsittlich zu werden, so dass in der That alles, was die Selbstsucht übt, nährt, stärkt und hätschelt, indirect die Anlage und Neigung zur Unsittlichkeit stärkt und grosszieht. Wenn aber die Kunst auch durchaus niemals moralische Ziele verfolgen darf, so darf sie doch noch weit weniger solche verfolgen, die der Unsittlichkeit, sei es directer oder indirecter Weise, Vorschub leisten. Solche Wirkungen sind nicht nur als Ziele ganz verwerflich, sondern sie sind sogar als blosse Mittel höchst bedenklich und gefährlich, da leicht der üble Einfluss des Mittels den guten Einfluss des Zwecks tibersteigen kann. Nein, gerade die Kunst soll uns zeitweilig (wie die Philosophie dauernd) von der Engherzigkeit des Egoismus erlösen, dass der sich dehnende Geist einmal frei aufathmen kann, losgelöst von dem Prometheusfelsen der Ichheit, an den uns die Natur mit den Fesseln der Individuation geschmiedet hat! Wie erbärmlich und verachtens werth wäre die Kunst, wenn ihres Könnens Ende wäre, die Selbstsucht zu witzigen, indem, wie Lessing behauptet (VIII. S. 136), das Mitleid mit dem Schluss der Tragödie verraucht und nichts von all den empfundenen Regungen in uns zurückbleibt, als die wahrscheinliche Furcht, die uns das bemitleidete Uebel für uns selbst schöpfen lassen."

Was nun die durch das Schreckliche hervorgebrachte Erschütterung anbetrifft, so schliesst Lessing dieselbe nicht etwa von der tragischen Wirkung aus, sondern er schliesst sie bereits im Mitleid mit ein, während wir gesehen haben, dass sie wegen ihrer relativen Unabhängigkeit vom Mitleid eine abgesonderte Betrachtung verdient. Wenn wir Lessing's Behauptung bestreiten mussten, dass jene egoistische Furcht nur erst durch das Mitleid hervorgerufen werden kann, so werden wir sie nunmehr dahin zu berichtigen haben, dass sie allerdings, wenn sie sich zu einer gewissen Grösse erheben soll, diese Erschütterung als nothwendige Bedingung voraussetzt. Die Erschütterung, welche das Furchtbare hervorruft, würde also unter allen Umständen als Durchgangsstufe zur Erweckung jener Furcht bestehen bleiben müssen, wenn es auf letztere überhaupt ankäme. Für uns hingegen, die jene Furcht als Ziel wie als Mittel verwerflich gefunden haben, behauptet jene Erschütterung durch das Schreckliche ihre volle selbstständige Bedeutung, und zwar werden wir nunmehr ihren principiellen Unterschied vom Mitleid dahin definiren können, dass sie auf's Allgemeine wie das Mitleid auf das Besondere geht. Wenn Lessing's egoistische Furcht davor bebt, dass das angeschaute Uebel gelegentlich auch einmal das eigene liebe Ich treffen hönnte, wenn das Mitleid in der vollen Versetzung auf den individuellen Standpunkt des Leidenden, also gleichsam in einer Ausdehnung des Ich auf den Nächsten und in dem Fühlen des Schmerzes dieses besonderen in das Interesse aufgenommenen Individuums besteht, so dehnt die Erschütterung vor dem Furchtbaren das Ich gleichsam in's Absolute aus, oder was dasselbe ist, vergisst die Besonderheit dieses leidenden Individuums ebenso sehr wie das eigene Ich, und erbebt vor der sinnlichen Anschauung, dass überhaupt solches Leid existiren kann, dass es Raum findet auf Erden; die Erschütterung gilt also nur der allgemeinen Möglichkeit dieses Leidens, welches durch die Verwirklichung zur Anschauung gebracht, und, wie wir später sehen werden, als Nothwendiges, nicht zu Vermeidendes sich der Erkenntniss aufdrängen muss. Wenn nun aber die Erweckung der egoistischen Furcht unmöglich das Ziel dieser allgemeinen Erschütterung sein kann, welches sie rechtfertigte, so kann sie noch. weit weniger sich selber rechtfertigen, denn die durch Wahrnehmung eines Schrecklichen hervorgerufene Erschütterung kann (abgesehen

von Schadenfreude, Wollust der Grausamkeit, und der egoistischen Lust des Contrastes) an und für sich unmöglich ein wohlthuende Erschütterung, unmöglich eine angenehme Empfindung sein, sie ist immer ein rauher Riss in die Saiten des Herzens, der für jedes feinfühlige Gemüth nur einen Missklang hervorbringen kann. Erinnern wir uns nunmehr, dass zur tragischen Wirkung diese Erschütterung mit der Rührung des Mitleids vereint sein muss, so erkennen wir als dasjenige, worauf die tragische Wirkung beruht, zwei unangenehme Empfindungen, den harten misstönenden Riss in die Saiten, und den schmerzlichen Nachklang derselben; denn alles was an Lust streifte, haben wir als dem Egoismus dienend und zur Unsittlichkeit führend, und somit als der Reinheit der Kunst unwürdig beseitigen müssen. Wie ist es aber in aller Welt möglich, dass die höchste poetische Kunstform, die Tragödie, und der Genuss an derselben auf der Erregung zweier unangenehmer Empfindungen von möglichst grosser Intensität beruhen soll? Die Sache ist so widersinnig, dass man entweder den ästhetischen Genuss an der Tragödie für eine Selbsttäuschung aus unlauteren Empfindungen erklären, und damit die Tragödie als Kunstform verwerfen, oder aber diese unangenehmen Empfindungen als blosses Mittel betrachten und den Zweck aufsuchen muss, der nun eine so überschwängliche Befriedigung gewährt, dass nicht bloss die mit den Mitteln gesetzte Unlust vergütet wird, sondern noch ein erheblicher Ueberschuss an Lust als Reingewinn des ästhetischen Genusses bleibt. Mit der Aufsuchung dieses Zweckes wollen wir uns im nächsten Abschnitt beschäftigen.

4. Das Wesen des Tragischen.

Aristoteles stellt als Ziel der Erregung von Mitleid und Furcht die Reinigung (xá9aqois) derselben und ähnlicher Leidenschaften auf. Ohne die über die Katharsis schon zusammengeschriebene Bibliothek durch neue Bemerkungen bereichern zu wollen, kann man zusammenfassend so viel sagen, dass sich aus der lückenhaften Beschaffenheit der Aristotelischen Poetik constatiren lässt, was er mit dieser Katharsis nicht gemeint hat, aber nicht mit Gewissheit bestimmen lässt, was er mit derselben gemeint hat, und noch weniger, in wiefern das, was er damit gemeint haben kann, ihm

als ein genügendes ästhetisches Ziel für jene an und für sich unangenehmen Mittel erschienen sein kann. Was er nicht damit gemeint haben kann, ist eine sittliche Läuterung dieser Leidenschaften, da diese eben ein ethischer und kein ästhetischer Zweck wäre, zwei Gebiete, vor deren Verwechselung oder Verwirrung man sich auf's sorgfältigste zu hüten hat. Nicht nur wäre bei der Bitterkeit aller moralischen Arzneien der Genuss bei einer solchen Annahme unerklärlich, sondern es würde durch dieselbe überhaupt das ästhetische Moment als solches vernichtet, wenn ein sittliches an seine Stelle träte. Wenn aber keine ethische, so kann die Katharsis nur eine psychygienische (seelendiätetische) oder eine religiös-mysteriöse Bedeutung haben. Insofern diese beiden Richtungen indirect einen günstigen sittlichen Einfluss üben können, gilt die vorige Ablehnung auch für sie; unmittelbar betrachtet aber erscheint die seelendiätetische Wirkung als eine blosse Klugheitsoder Zweckmässigkeitsrücksicht, die religiös-mysteriöse Wirkung als ein von Aristoteles völlig unbestimmt gelassenes Problem. Daraus, dass etwas der Gesundheit meiner Seele zuträglich ist, folgt nicht im geringsten, dass es mir angenehm ist, oder dass ich es aus andern Gründen anwenden solle, als aus vernünftiger Erwägung seiner Zweckmässigkeit; diese Auffassung wäre also, ganz abgesehen von ihrer flach rationalistischen Engherzigkeit, wiederum unfähig, den hohen unmittelbaren Genuss an der Tragödie zu erklären, welcher trotz der Schmerzhaftigkeit der Mittel unstreitig vorhanden ist und doch mit vernünftiger Ueberlegung aus Klugheitsrücksichten gar nichts zu thun hat. Die andere Annahme einer religiös-mysteriösen Wirkung kann nur darum nichts erklären, weil sie selbst erst der Erklärung bedarf, um verständlich zu werden. Wir kommen später auf dieselbe zurück.

Es giebt eine neuere Anschauung, die den tragischen Genuss wesentlich auf den Anblick des Waltens einer göttlichen Gerechtigkeit zurückführt, welche die Tugend belohnt und die Schuld bestraft. Theils macht sich diese Auffassung im Rahmen einer „christlichen Aesthetik" geltend, theils knüpft sie an die von Fichte gleichsam hypostasirte „moralische Weltordnung" und an den unklaren Begriff der indeterministischen Willensfreiheit an. In beiden Gestalten ist sie gleich wenig haltbar. Erstens weiss ein jeder, das in der Wirklichkeit Leiden und Freuden ohne

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