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Die Tragödie dagegen geht gerade auf das Problem los, fasst es in seiner ganzen Tiefe und stellt es auf die Spitze, um ihm die einzige Lösung zu geben, deren es fähig ist die transcendente.*) Wenn der Optimist consequenter Weise die Tragödie als Kunstform verwerfen muss, so beweist jeder Mensch, der an der Tragödie Genuss findet, dass er im Grunde seines Herzens an die Wahrheit des Pessimismus glaubt und dass er in dem Untergange des Helden die transcendente Versöhnung des Conflicts erkennt, der einer irdischen oder immanenten Versöhnung seiner Natur nach unfähig ist. Ein Mensch, der jedes transcendenten Glaubens entbehrt, wird zum wahren Genuss der Tragödie ebenso unfähig sein wie der eingefleischte Optimist. Ein Conflict ohne Versöhnung ist ästhetisch unmöglich; wo die immanente Versöhnung nicht erreichbar ist, muss dieselbe eine transcendente sein; die Erfahrung bestätigt dies, denn keine Versöhnung ist tiefer, nach keiner poetischen Kunstform fühlt sich die Seele beruhigter und stiller, als nach einer vollkommenen Tragödie.

Wenn der Held in seinem vergeblichen Kampf nach dem Glück von den Leiden des Daseins so abgehetzt ist wie ein Wild nach der Treibjagd, und er an sich selbst die Nothwendigkeit des Elends im Daseim und die Thorheit alles Ringens und Strebens nach Glück erkennt, dann endlich schlägt der Gedanke als zündender Blitz in seine Seele: „Das Leben ist der Güter höchstes nicht", und nur im Aufgeben des Kampfes und in der Entsagung ist zu der relativen Seligkeit der Schmerzlosigkeit zu gelangen, welche der erreichbar glücklichste Zustand ist. Dann aber ist das Leben auch in der Entsagung nur eine Last und der Tod die willkommene Erlösung, wie der ersehnte Schlaf dem Müden, eine Erlösung, welche freiwillig gesucht wird, wenn sie nicht von selbst oder von aussen kommt. (Schon an dem Selbstmord, mit dem so viele Tragödien schliessen, sollte man erkennen, dass in diesem Schluss kein sittliches Moment der Strafe zu suchen ist.) Wo die Helden

*) Schon W. von Humboldt sagt in seiner Schrift über Hermann und Dorothea: „Die Tragödie drängt uns in uns selbst zurück, und mit demselben Schwert, mit dem sie den Knoten zerhaut, trennt sie uns auch einen Augenblick von der Wirklichkeit und dem Leben, das sie uns überhaupt weniger zu lieben, als mit Muth zu entbehren lehrt." Für den kundigen Leser brauche ich nicht erst auf Schopenhauer zu verweisen.

zur Resignation gelangt sind und doch nicht den Tod finden, wird der Eindruck leicht ein peinlicher (wie im Stern von Sevilla), besonders wenn der oder die Betreffenden noch jung sind, also ein noch langes, trostlos ödes Leben vor sich haben; der Tod dagegen endet alles Leid. (Das natürliche Gefühl straft hier auf ästhetischem Gebiet die Theorie Schopenhauers von der Nothwendigkeit der Lebenserhaltung um der Askese willen Lügen.) Ein individueller Unsterblichkeitsglaube, nach welchem die Seele ihre volle Erinnerung mit allem Sehnen und Lieben und Hassen, mit allen Begriffen von Sittlichkeit und aller Reue in's Jenseits hinübernimmt, hebt ebenfalls die Möglichkeit der Tragödie auf, denn dann wäre ja in der That der Tod keine Erlösung dieser gequälten Seele von der Qual, der sie unterlag. Keineswegs unverträglich mit dem tragischen Moment ist hingegen die pantheistische Anschauung, nach welcher das Eine Urwesen in allen Individuen wohnt und folglich mit der Zerstörung eines Individuums nur eine seiner vielen Formen verliert, ohne an seinem ewigen Wesen oder seiner Substanz Eintrag zu erleiden. Denn wenn auch nach Aufhebung dieser einen individuellen Form das Urwesen in unzähligen individuellen Formen weiter leidet, so ist es doch immerhin schon tröstlich, die Aufhebung einer vorzugsweise mit Leid belasteten individuellen Erscheinung als stets bereite Erlösung zu wissen. Andrerseits aber giebt erst der Glaube an ein transcendentes Wesen, das jenseits der Erscheinung wohnt, der tragischen Versöhnung das positive Moment, ohne welches die leere Negativität der blossen Vernichtung immer etwas Abstossendes behalten würde und dabei nicht einmal so grossen Aufhebens werth erschiene, während zugleich dieser positive Hintergrund die individuelle Erlösung als Vorspiel einer einstigen allgemeinen und endgültigen Erlösung des Weltwesens von seinem Leidensgange in der Natur ahnen lässt. Die Tragödie allein von allen Formen der Dichtung lehrt uns (wie Religion und Philosophie) die Welt und das Leben als etwas Untergeordnetes, über sich hinaus Weisendes zu betrachten, an welchem als an einem Höchsten und Letzten zu hangen, baare Thorheit sei. Der sterbende Held der Tragödie ruft gleichsam jedem Zuschauer die Worte Christi zu: „In der Welt werdet ihr Trübsal erdulden, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“*)

*) Wenn Aristoteles bei seiner Katharsis eine religiös-mysteriöse Bedeutung im Sinne gehabt hat, so wird sie wesentlich in einer Annäherung an diesen v. Hartmann, Stud. u. Aufs.

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Nicht in allen Tragödien kommt der Held selbst zu dieser Resignation und zu dem Bewusstsein des tragischen Moments, dann bleibt der bewussten oder unbewussten Reflexion des Zuschauers dieser Schritt überlassen. Die vollkommenere Form wird unzweifelhaft die andere sein, wo, wie im Oedipus auf Kolonos, der Held selbst die Versöhnung in sich mit Bewusstsein vollzieht; doch darf dieses keinenfalls gegen die Wahrscheinlichkeit des Charakters, der Bildungsstufe und der Situation geschehen.

Eine gewisse Richtung der Kunstkritik hält es für das Höchste in der Tragödie, wenn der Schluss derselben über den Trümmern der untergehenden Gegenwart die Perspective einer aus ihnen erwachsenden neuen und besseren Zeit darbietet. Abgesehen davon, dass dergleichen mehr einen epischen als dramatischen Charakter hat, ist es so weit entfernt, die tragische Wirkung zu verstärken, dass es dieselbe vielmehr schwächt, weil es ein Rückschlag aus dem Transcendenten in's Irdische ist und die eigenthümliche Versöhnungsart der Tragödie durch den Versuch beeinträchtigt, die Versöhnungsart des Schauspiels mit derselben zu verbinden, wodurch aber leicht die Gefahr entsteht, die Stimmung zu verwirren und das Interesse in widersprechende Richtungen zu spalten. Berechtigt ist der schliessliche Hinweis auf den fortgehenden Kampf des Lebens und die rastlos sich weiter entwickelnde Geschichte in sofern, als auch die transcendente Lösung der Tragödie ja nur eine provisorische, nur für das Individuum geltende ist, während die allgemeine

Gedanken bestanden haben müssen: dass das tragische Moment uns von dem Jammer und Entsetzen befreien solle, das nothwendige Elend des Daseins für ein Letztes, Unlösbares anzusehen. Schwerlich wird Aristoteles dies deutlich entwickelt, er wird es wohl nur in der Form der Ahnung besessen haben. Soviel ist aber gewiss, dass, wenn er auf diese einzig mögliche Idee abgezielt hat, die Auffassung von Jacob Bernays (der sich Ueberweg und andere bereits angeschlossen haben) als die einzig mögliche erscheint, nämlich die, dass xávapois tov radnμátov nicht Reinigung oder Läuterung der Leidenschaften, sondern Reinigung oder Befreiung (der Seele) von den Leidenschaften heisst. (Diese Auffassungen sind nicht nur grammatikalisch gleich möglich, sondern es sprechen für die letztere eine Menge paralleler Beispiele aus Plato und Aristoteles, die Auffassung der Aristotelischen Lehre durch die Neuplatoniker und das mindestens auffällige Fehlen des Wovon" bei der andern Auffassung.) Dann wäre die xáðaçois der Gegensatz zu der zirnois oder Aufregung durch die Leidenschaften, und bedeutete die Beruhigung, das Zuruhekommen, Stillwerden der Seele, das Wiederfinden des durch die Leidenschaften gestörten Seelenfriedens.

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und endgültige Erlösung nur als Ziel der Geschichte und Ende des Weltprocesses erwartet werden kann, wesshalb jede Generation am Process rustig weiter arbeiten muss. Unberechtigt dagegen ist der Hinweis auf die Zukunft, wenn er glaubt, sich neben oder gar über die tragische Versöhnung stellen zu können, denn das tragisch empfängliche Gemüth weiss es instinctiv eben so gut, wie der Philosoph es mit Bewusstsein weiss, dass die nun anbrechende scheinbar bessere Zeit ganz ebenso tragisch wird wie die vergangene, und ganz ebenso ihr Elend schleppen muss, wenn es auch vielleicht in etwas anderer Gestalt auftritt.

III. Ueber ältere und moderne Tragödienstroffe.

(1871.)

Da der Stoff für den Ausfall eines Dramas von vorn herein entscheidend ist, und wirklich gute Tragödienstoffe sehr selten zu finden sind, so kann es für das Gedeihen der dramatischen Kunst keineswegs gleichgültig sein, wenn eine ästhetische Theorie prak tischen Einfluss gewinnt, die von vornherein das für die dramatische Bearbeitung geeignete Stoffgebiet auf die letzten zweihundert Jahre beschränkt. Unbedingt zuzugestehen ist soviel, dass die Behandlung der Fabel und der psychologischen Entwickelung eine moderne sein muss, d. h. dass sie auf streng realistischer Basis nur mit solchen Motiven operirt, welche das moderne Bewusstsein gelten lässt, und ihre Personen nur so von derselben afficirt werden lässt, wie das moderne Bewusstsein empfindet, dass es unter gleichen Umständen afficirt werden würde.

Es ergiebt sich aus diesem Grundsatz, dass eine Menge antiker und mittelalterlicher Stoffe in der That für die Bühne der Gegenwart unbrauchbar sind, aber nicht, weil sie antik sind, sondern weil sie Motive enthalten, welche das moderne Bewusstsein nicht mehr gelten lässt, oder Gefühlserregungen auf Grund dieser Motive, welche das moderne Bewusstsein zwar in abstracto historisch gelten lassen muss, aber in concreto nachzuempfinden nicht mehr im

Stande ist.

Vermag ein Dichter solchen Stoff von solchen unstatthaften Motiven zu befreien, so steht seiner Benutzung nichts mehr im

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