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eigenthümlich glücklich in der Wahl seiner Charaktere gewesen sein, wenn er nicht die Concentration der dramatischen Handlung dadurch schädigen will. Die das Gefühl dominirende Verstandesthätigkeit und Reflexionssucht der Modernen führt den Bearbeiter moderner Stoffe sachgemäss vom ernsten Drama ab zum Conversationsstück, d. h. zur Verflachung der Kunstform, eine Verflachung, deren folgerichtige letzte Ausläufer wir in den so lebhaft applaudirten „,declamirten Leitartikeln" über alle möglichen politischen, socialen und sonstigen Tagesfragen sehen. Ob man solchen Leitartikel einer Person in einer zusammenhängenden Rede in den Mund legt, oder ob man ihn, in viele einzelne Fragmente zersplittert, auf die ganze Länge der Rolle vertheilt, ist schliesslich eine Frage von untergeordneter Bedeutung.

Man sieht jetzt, dass und weshalb ein und dieselbe Handlung auch innerlich betrachtet dramatisch wirksamer sein wird im Gewande einer älteren und einfacheren Zeit als im Gewande der Gegenwart. Was dem älteren Stoffe etwa als positiver Mangel anhaftet, das kann und muss die Dichtung beseitigen, was aber dem modernen Dramenstoff, falls er nicht ein ungewöhnlich glücklich gewählter ist, an ästhetischen Schwierigkeiten anhaftet, das kann die Dichtung nicht beseitigen, denn sie kann wohl die Vergangenheit heben und bereichern, aber nicht die Gegenwart künstlich ärmer machen, als sie sich weiss und fühlt.

Das Gefühlsleben roher Zeiten ist eng umgrenzt, aber eben deshalb tief innig und concentrirt; es dominirt entschieden über das Verstandesleben, und ist deshalb wortarm aber thatkräftig. Das moderne Gefühlsleben ist mannichfaltig aber zersplittert, vom Verstandesleben dominirt und deshalb abstract in der Sprache. Die Poesie braucht überwiegendes Gefühlsleben und concrete Anschaulichkeit der Sprache, das Drama insbesondere braucht Concentration und wortarme, thatkräftige Handlung; deshalb sind speciell für das Drama ältere Stoffe im Allgemeinen günstiger als moderne.

Es würde nunmehr die Forderung moderner Stoffe sich darauf zu beschränken haben, dass auch Stoffe mit solchen Conflicten, die erst in der modernen Welt möglich geworden sind, zur dramatischen Darstellung gelangen, vielleicht mit dem Hintergedanken, dass grade Stoffe von dieser Art den grössten Anspruch auf Inter

esse von Seiten des Publikums und damit die grösste zeitweilige Berechtigung haben. Wenn man zugeben kann, dass die exclusiv modernen Stoffe unzweifelhaft auch einen Anspruch auf Berücksichtigung erheben können', ohne damit die subjectiven Neigungen dieses oder jenes Dichters zu beschränken, so fordert der Zusatz zu ernster Erwägung auf, welcher darauf abzielt, alle Bearbeitungen von nicht exclusiv modernen Stoffen von vornherein ganz abgesehen von ihrem dramatisch-poetischen Werth in die zweite Reihe zurückzudrängen.

Zunächst befinden sich unter den modernen Erwerbungen des Gefühlslebens viele von sehr zweifelhaftem Werth; die ganze Sphäre krankhafter Empfindsamkeit gehört hierher, noch mehr aber jenes ekelhafte Schönthun mit dem Niedrigen und Gemeinen, wie es nur einem Geschlecht geboten werden darf, das in seiner Mehrzahl den sichern Maassstab moralischen und ästhetischen Werthes bereits verloren hat. (Auch die römische Comödie benutzte Prostitutionsmotive, aber Cameliendamen producirt freilich nur das moderne Paris). Sehen wir aber ganz ab von solchen Verirrungen, so zeigen sich doch verschiedene Gefühlsrichtungen, bei denen es zweifelhaft erscheinen dürfte, ob die Wichtigkeit, welche das moderne Gefühl ihnen beimisst, nicht am Ende ganz oder theilweise von einer Verflachung des Gefühls im Allgemeinen herrührt, in Folge dessen nun kleinere Erhebungen relativ gewachsen sind, weil die grössten ihre Höhe eingebüsst haben. Es ist dies der Charakter des reizbaren Nervensystems, dass der Unterschied mittlerer und stärkster Reize sich vermindert, weil die kleinen und mittleren zu gross empfunden werden. Es scheint nicht unzulässig, den grossen Reichthum geschlechtlicher Motive, mit denen die Poesie der Gegenwart operirt, zum Theil auf diese Verrückung des Gefühlsmaassstabes zurückzuführen.

Man denke an das harte Wort Lessing's über Stoffe, wie wenn ein Mädchen mit ihrem Liebhaber zu tief in's Wasser gegangen ist, und von ihm im Stich gelassen wird; nicht ein Haar besser, wo nicht schlimmer sind die Verehelichungshindernisse aus Standesrücksichten, und zahllose andere solche Conflicte von moderner Entstehung, welche auf den der Kunst geweihten Brettern einen entsprechend grossen Raum beanspruchen, als ihnen das moderne Leben gewährt. Aber es giebt noch immer gesundere Naturen

(freilich kaum im Damenpublikum der Theaterlogen), die ein unverfälschtes Gefühl für wahrhafte Grösse haben, und sich nicht täuschen über den gewaltigen Abstand zwischen der tragischen Wirkung eines solchen Conflicts und eines, der wirklich den tiefsten Abgrund eines grossen Menschenherzens ausmisst; diese Besten ihrer Zeit bilden das ideale Publikum, dem der Dichter genugzuthun sich bestreben muss, wenn er etwas Dauerndes schaffen will. Exclusiv-moderne Stoffe mit solchen Conflicten, die nur schwächere Nerven hinreichend erschüttern, werden daher nicht berechtigt sein, die Conflicte ersten Ranges in die zweite Reihe hinabzudrücken. Diese Conflicte ersten Ranges aber haben immer und zu allen Zeiten das Menschenherz erschüttert; unter ihnen grade sucht man vergebens nach exclusiv modernen. Die wahre Consequenz jener schwächlichen modernen Conflicte ist aber die, dass der Dichter noch zu rechter Zeit zu der Einsicht kommt, dass solche Conflicte gar keine tragische Lösung verdienen, und dass er demgemäss zur grossen Befriedigung des Theaterpublikums dafür sorgt, dass sie sich doch noch kriegen“.

Auch unter den Conflicten ersten Ranges, wenngleich man vergeblich nach einem von durchaus moderner Entstehung suchen dürfte, giebt es viele, die durch die Eigenthümlichkeit der politischen und socialen Verhältnisse im modernen Leben wesentliche Modificationén ihrer näheren Bestimmtheit erlitten haben; indessen möchte ich behaupten, dass durchweg die moderne Variation minder scharf einschneidend ist und minder erschütternd wirkt als die antike. Ein Beispiel hierzu bietet der Conflict des historischen und des Naturrechts, oder noch specieller des politischen Gesetzes und der Privatmoral. Keine Maassregelung eines modernen Volksvertreters wird an erschütternder Tragik jemals die einfache Geschichte der Antigone auch nur von Weitem erreichen!

Und wenn unser Publikum sich von diesem Conflict in der modernen Gestalt lebhafter hingerissen fühlt als in der weit tieferen antiken Urform, so sind daran politische Tendenz motive schuld, die mit poetischem Geniessen, mit ästhetischem Werth oder Unwerth gar nichts zu thun haben. Die Aesthetik darf sich von solchen die Kunst untergrabenden Nebenrücksichten nicht nur nicht beeinflussen und blenden lassen, sie ist sogar im Interesse der Reinerhaltung der Kunst verpflichtet, gegen die verderbliche Ein

mischung derselben zu protestiren. Jedes, wo es hin gehört: Die politischen und socialen Tagesfragen in die Volksversammlung, die Kunst auf die Bühne!

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Ich halte es für unmöglich, einen Stoff dramatisch gut zu behandeln, welcher in seiner Haupthandlung in die politische Gegenwart eingreift, weil es unmöglich für den Dramatiker ist, sich einen solchen Stoff in der nöthigen Objectivität zu vergegenwärtigen. Wahrhaft objectiv werden uns die Begebenheiten erst, wenn sie aufgehört haben, irgendwie erkennbar in die Parteibildung der Gegenwart einzugreifen; dann erst treten sie uns rein historisch gegenüber. In dem rein mündlichen Leben der Hellenen vollzog sich eine solche Objectiyirung sehr schnell (die Perser" des Aeschylos); mit der wachsenden Genauigkeit der historischen Aufzeichnung ist aber der hierzu erforderliche Zeitraum immer länger geworden, so dass er für die Gegenwart fast ein Jahrhundert beträgt; denn selbst die französische Revolution, welche doch gewiss reich genug an dramatischen Stoffen ist, greift noch viel zu innig in die Parteigruppirungen der Gegenwart hinein, als dass es bis jetzt möglich gewesen wäre, diese Schätze für die Bühne zu yerwerthen. Wenn aber der Dramenstoff älter als die französische Revolution, und doch durchaus modern sein soll, was bleibt da übrig? Nein, die Naturnothwendigkeit treibt den Dichter hinweg von den heimischen vertrauten Verhältnissen, und wo theoretische Vorurtheile ihm die zeitliche Ferne verschliessen, da greift er zum Ersatz hinaus in räumliche Ferne, in möglichst unbekannte, halb barbarische, d. h. mit unserer früheren Vergangenheit noch jetzt auf einer Stufe stehende Länder, und erreicht damit freilich denselben Erfolg. Hat aber doch einmal ein unglücklicher Dichter den Einfall, einen historischen Tragödienstoff aus den Gebieten der modernen Civilisation zu wählen, dann kämpft er vergeblich mit dem realistischen Zwang trostlos abstracter Ratiocinationen, und erstickt rettungslos in jambisirten Diplomatenconferenzen und Noten, so dass aus der beabsichtigten Tragödie eine lederne Haupt- und Staats-Action" wird. Es ist rein unmöglich, diese Schranken zu überspringen; wer es versucht, verfällt dem gerechten Vorwurf der Lächerlichkeit, denn die historischen Begebenheiten und Gestalten des modernen Europa vertragen in ihrer überaus prosaischen und abstracten Manier schlechterdings keinen poetischen Anstrich, ohne sofort

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auch dem blödesten Auge als komische Zerrbilder der Wirklichkeit zu erscheinen, Ausserdem ist der Dichter in den allermeisten Fällen zu mehr oder minder freier Umgestaltung der geschichtlichen Ereignisse und Charaktere gezwungen; eine solche aber (man darf sich darüber nicht täuschen) rechnet stets auf die historische Unkenntniss des Publikums, und auf diese darf sie im Ganzen um so eher rechnen, je ferner das Ereigniss der Gegenwart liegt.

Was ich als Bedenken gegen moderne und zu Gunsten älterer Dramenstoffe angeführt habe, bezog sich alles auf die moderne europäische Civilisation, und ist nur zum geringsten Theil auf frühere Geschichtsperioden übertragbar, wenn man sich in dieselben als in eine einstmalige Gegenwart zurückversetzt. Man würde sich also gar nicht wundern dürfen, wenn frühere Dichter ihre Stoffe hauptsächlich ihrer Gegenwart entnommen hätten, und würde ein solcher Umstand das Problem für heute gar nicht berühren. Aber es findet sogar grade das Umgekehrte statt: zu keiner Zeit hat die Aesthetik behauptet, dass die Tragödie ihre Stoffe ganz oder hauptsächlich aus der Gegenwart entlehnen müsse, zu keiner Zeit haben die grössten Dichter dies ganz oder auch nur vorzugsweise gethan. Die Griechen griffen zurück, so weit sie konnten, d. h. auf ihre mythische Urzeit, das Mittelalter vorzugsweise auf die biblische Geschichte, Shakespeare theils in die sagenhafte Urzeit, theils in ferne Länder hinaus, die damals für den Engländer noch im vollen Dämmerschein der Romantik lagen, theils in's Land der Fabel, - und gerade aus solchen Stoffen, die er aus seiner Gegenwart und unmittelbaren Vergangenheit entnahm, vermochte selbst Er nichts Dauerndes zu schaffen. Die Komödie (als Charakterkomödie und Posse) ist es, der von jeher die Aufgabe zuerkannt ist, ihrer Zeit den Spiegel vorzuhalten, und deren Schwächen und Auswüchse zu geisseln, aber nimmermehr die Tragödie! Die Komödie findet daher ihrer Aufgabe zufolge an jeder neuen Culturperiode neue Motive, neue Verkehrtheiten, neue komische Conflicte, und so steht ihr auch in der Gegenwart ein ergiebiges Feld offen, auf welchem der Anspruch des exclusiv Modernen auf dramatische Behandlung hinlängliche Berücksichtigung finden muss und wird, so weit er sie nicht schon gefunden hat. Die Tragöde hingegen hat es weder mit dem Antiken noch mit dem

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