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Modernen, weder mit dem Heute noch mit dem Gestern zu thun, sondern mit dem ewig Menschlichen in seiner tragischen SelbstEntzweiung und Versöhnung. Fragen wir aber, welche zufällige concrete Form als die geeignetere erscheint, um diesen ewigen Inhalt hineinzugiessen, so glaube ich durch zahlreiche innere und äussere Gründe gezeigt zu haben, dass es nicht die moderne ist.

IV. Aus einer Dichterwerkstatt.

(1872.)

Es ist eines der wichtigsten philosophischen Probleme, auf welche Weise der Künstler das Kunstwerk producirt. Die Meinungen darüber gehen noch weit auseinander, und die Entscheidung wird dadurch erschwert, dass das empirische Beobachtungsmaterial für dieselbe so schwer zu erlangen ist. Denn der Denker, insofern er nicht ganz ausnahmsweise selbst wahrhafte Kunstwerke geschaffen, und obenein seine Thätigkeit dabei beobachtet hat, sieht sich ausschliesslich auf Rückschlüsse aus vorliegenden fremden Kunstwerken auf die Entstehung derselben angewiesen, wobei bekanntlich oft die gröbsten Fehlgriffe vorkommen; der Künstler hingegen hat selten ein hinreichendes Interesse an der Art seines Producirens, um diese zum Gegenstand seiner Selbstbeobachtung zu machen, oder gar über dieselben Mittheilungen zu machen, die der Oeffentlichkeit zugutekommen. Wenn auch in neuerer Zeit Künstler aus verschiedenen Kunstgebieten zur Feder gegriffen haben, so war es doch stets mehr in apologetischer Absicht zu Gunsten ihrer eigenthümlichen Richtungen und Leistungen; solche literarische Bethätigung kam mehr dem Inhalt der Aesthetik zugute, als der Frage nach dem räthselhaften Element der künstlerischen Production. Am Nächsten lag von jeher diese Frage den Dichtern, weil ihr Kunstmittel die Sprache ist, welche dem philosophischen Denken ebenfalls als Mittel dient, und deshalb bei der Poesie eine engere Verwandtschaft zwischen Kunstthätigkeit und Denkthätigkeit als bei anderen Künsten vermittelt. Jedes neu hinzutretende Material dieser Art ist dankbar aufzunehmen, und in diesem Sinne

hauptsächlich begrüssen wir die von Otto Heydrich besorgte Herausgabe der monologisirenden aphoristischen Studienhefte des verstorbenen Otto Ludwig. *)

Dass Otto Ludwig bei allen Mängeln seiner Werke ein ungewöhnlich begabter Dichter war, dürfte wohl kaum bezweifelt werden; zugleich hat er aber mehr über sein Dichten gedacht als vielleicht jemals einer vor ihm. Beides würde seine intimen Selbstgespräche schon hinreichend der Beachtung werth erscheinen lassen; indess es kommt noch ein Punkt hinzu, welcher der Sache ein ganz besonderes Interesse verleiht: der innere Widerspruch po etischen Schaffen sdranges und hemmender Reflexion, in welchem er sich verzehrt, weil er weder die Energie hat, der Reflexion die Thüre zu weisen, noch die speculative Bildung und Anlage besitzt, sie durch den höheren Standpunkt der philosophischen Idee zu bändigen und zum aufgehobenen Moment herabzusetzen. Sich ewig heimsehnend nach der verlorenen Unschuld instinctiven Schaffens, kann er doch nicht zurück in das einmal verlorene Paradies, weil er als Kind seiner Zeit afficirt ist von der zersetzenden modernen Reflexion, und weil er diese, die er mit Recht für dass in gewissem Sinne Höhere hält, nicht mehr vergessen kann. Aber ewig ringend danach, sich durch Reflexion von der Reflexion zu befreien, entfernt er sich durch dieses Vorwärtsdrängen nur immer weiter von der ihm in seltener Weise als Naturgabe zu Theil gewordenen Kraft poetischer Intuition, und verrennt sich immer tiefer in die Sackgasse abstracter Düfteleien, weil ihm sowohl nach seinem Bildungsgang als nach seiner natürlichen Begabung das philosophische Talent abgeht, die einseitigen Elemente der abstracten Reflexion durch speculative Intuition zu philosophischen Totalgedanken zu concresciren und sie dadurch so zu behalten, als ob man sie vergessen hätte, d. h. als in der Einheit und Ganzheit der Idee aufgehobene Gedankenelemente, auf die man sich zwar, wenn man will, jederzeit wieder besinnen kann, die Einen aber nun nicht mehr beim poetischen Schaffen durch einseitige Vordringlichkeit stören. Zwar kennt Ludwig diese Auskunft nicht, in welcher Schiller in seiner Weise

*) Shakespeare-Studien. Leipzig, Verlag von Karl Cnobloch, 1872.

v. Hartmann, Stud. n. Aufs,

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und für seine Zeit die Rettung fand, und in welcher sie jeder nicht in völliger Naivität verharrende moderne Dichter finden muss (z. B. Robert Hamerling); aber von der subjectiven Unlösbarkeit des Widerspruchs, mit dem er sich abquält, hat er in lichten Augenblicken doch eine Ahnung, und dies verleiht dem psychologischen Inhalt dieser ,,Studien" einen tieftragischen Zug. Denn was kann tragischer sein als ein Menschenleben, das sich seines erhabenen Berufes bewusst ist, für die reine und edle Durchführung dieses Berufes sich praktisch zum Martyrium um Gotteswillen macht, und doch zugleich das Bewusstsein der unheilvollen Schranke besitzt, an der alles Ringen und Mühen scheitern muss: der Schranke, nicht vergessen zu können! Zu wissen, was die schöpferische Urkraft lähmt und bindet, und wie durch eine geheimnissvolle Verkettung des Schicksals den Zwang zu fühlen, diesen hemmenden Alp selbst immer höher und höher aufthürmen zu müssen! Die Arme auszustrecken nach der Küste des gelobten Landes, und das tragende Schiff von dieser Küste immer weiter sich entfernen zu sehen!

„Eigentlich hat nur das naive Gedicht eine poetische Form, denn die Ideen der sentimentalen Dichter wirken als Stoff, und da sie nur ausgesprochen und nicht dargestellt (d. h. zur adäquaten Erscheinung gebracht) sind, so ist ihre Form keine poetische; höchstens kann es der sentimentale Poet zu einem Producte bringen, das stellenweise poetische Form, stellenweise bloss rhethorische hat" (Shakespeare-Studien S. 293-294). Mit dieser fundamentalen Verurtheilung aller sentimentalen Poesie hängt Ludwig's Stellung zu Schiller zusammen, dem er nicht gerecht zu werden vermag, weil ihm das Naive und Schlichte über Alles geht; Schiller aber liebt ihm zu sehr das prunkhaft Bestechende, das oratorisch Glänzende und verwendet das Schlichte nur künstlich,,als Putzmittel, wie zur vollendeten Toilette auch Einfachheit gehört" (S. 365). Ein andermal sagt er, dass Schiller nur die Sehnsucht nach dem Schönen, Goethe das Schöne selbst als Naturerbe besessen habe; Sehnsucht nach dem Schönen hätten viel mehr Menschen als das Schöne selbst, und deshalb sei Schiller's Wirkung so sehr viel verbreiteter (S. 365). Immer und immer wieder dringt er auf vollkommene Objectivität und Naivität der Dichtung, die bei der tiefsten Absicht doch den Schein voll

kommener Absichtslosigkeit haben müsse, wie bei Sophokles und Shakespeare (92). Wenn der dramatische Dichter hinter seinem Werk verschwinden soll, wie die Natur es thut, so muss er sich ihr auf das Aeusserste in seinem Verfahren ähnlich zu machen suchen" (518). „Die Kunst, die wieder Natur wird", das ist die wahre Kunst (285). Die Form der Naturthätigkeit ist aber der Instinct, soll also die Kunst Natur werden, so muss das Können instinctiv werden (312). „Das Poetische wohnt eben in jener dunklen Tiefe (der Charaktere), und das heitere Reich des Bewusstseins ist nicht poetischer, sondern philosophischer Boden" (204); desshalb erklärt auch Ludwig, dass bei der Conception der poetischen Fabel,,sein Wille und alle bewusste Thätigkeit sich ruhig und passiv verhielten". Hiernach kann die Thätigkeit der eigentlichen künstlerischen Production nur als eine unbewusste von ihm verstanden worden sein.

Auf der anderen Seite zeigt sich Ludwig der Gefahren der Reflexion überall auf das Klarste bewusst. Er citirt folgende Stelle aus einem Briefe Schiller's an Goethe: "Ihre eigene Art, zwischen Reflexion und Productivität zu alterniren, ist wirklich beneidensund bewundernswerth. Beide Geschäfte trennen sich in Ihnen ganz, und das eben macht, dass beide als Geschäft so rein ausgeführt werden. Sie sind wirklich, so lange Sie arbeiten, im Dunkeln, und das Licht ist bloss in Ihnen: und wenn Sie anfangen zu reflectiren, so tritt das innere Licht aus Ihnen heraus, und bestrahlt die Gegenstände, Ihnen und Anderen. Bei mir vermischen sich beide Wirkungsarten, und nicht sehr zum Vortheil der Sache." Ludwig bemerkt dazu: „Wunderschön, vortrefflich! Es ist zu bejammern, dass Schiller stets in der Lage war und im Zwange, durch Thätigkeit der Reflexion die Anschauung zu ersetzen; dies wurde zuletzt ein Theil seines Wesens, so sehr, dass er sich keiner Anschauung mehr unbefangen überlassen konnte, und das Mittel zum Zweck wurde" (275). Von der Reflexion gilt das, was Ludwig unrichtiger Weise von der Philosophie sagt, dass sie alle Unbefangenheit ertödtet und die Anschauungsorgane abstumpft und verdirbt; dass das Lebende nicht für sie ist, und der Schmetterling ihr nur an der Nadel interessant ist, kurz dass sie (umgekehrt wie Christus) vom Leben zum Tode durchdringt (390). „Die Prosa kommt vom Verstand und geht auf den Verstand, die Poesie vom

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